Die Trennlinie zwischen Erlaubtem und Verbotenem ist mit rhetorischen Minen bestückt. Sie schneidet mitten durch unsere ohnehin schon streitlustige Gesellschaft. Hier verlaufen die Fronten der Kulturkämpfe, hier zeigen sich die Konflikte, hier werden leichteste Verschiebungen im Grenzverlauf mit Gnadenlosigkeit und Vernichtungswillen ausgefochten. Obwohl: Manchmal merkt man gar nicht, dass ganze, bisher tabuisierte Gebiete auf einmal frei zugänglich sind oder umgekehrt. Sternchen zum Beispiel, die man in Worte fügt, lassen Grenztruppengroßalarmsirenen aufheulen, die ihrerseits überschrien werden müssen. Wohingegen Verkehrstotenstatistiken kaum mehr als Resignation auslösen.
Für diesen thematischen Übergang gibt es mindestens drei Punkte in Flensburg. Was haben Verkehrstote mit Porschefahrern zu tun? Diese kleine Kolumne sieht sich kaum im Stande und ist auch nicht willens, das Zusammenleben zu reglementieren. Zumal ihr – wir haben Rücksprache mit der Verlagsjustiziarin gehalten – gar nicht die nötige exekutive Befugnis anvertraut ist. Es werden hier also keine Gesetze erlassen, sondern lediglich Fragen des Stils und der Manier aufgeworfen.
Also, Porsche: Ein Freund teilte mir kürzlich mit, dass er sich niemals in dieses bestimmt erstklassige Auto setzen würde. Er würde es nicht geschenkt nehmen (außer, um es weiterzuverkaufen), weil er sich darin genieren würde. Was ist los mit ihm? Hat er ein Problem mit seinem Selbstwertgefühl? Und wenn ja, wäre er damit nicht als Porschefahrer prädestiniert? Zumal er auch äußerlich genau wie ein Porschefahrer aussieht: in den besten Jahren, dezenter Bauchansatz, Lichtung am Hinterkopf, eine Sonnenbrille mit Gleitsichtschliff, der man auf keinen Fall ansieht, wie teuer sie ist. Er könnte, sagt er, das ausgereifte Fahrgefühl, die Bequemlichkeit der Sitze, den potenten Motor und vor allem den stilsicheren Lutschbonbonschwung der Karosserie nicht genießen, weil er sofort die Perspektive wechselt, auf sich selbst blickt und sich fragt, was ein Typ wie er wohl zu kompensieren hat, dass er in eine solche Statuskarre steigt.
Die Rede ist natürlich vom 911er
Wenn es wenigstens ein alter Alfa Romeo wäre, bei dem jeder weiß, dass das Ding alle Nase lang kaputt geht und beim Besitzer nichts als Sorgen und Kosten verursacht. So einer blättert Geld und emotionale Kapazitäten für einen nachlässig zusammengeschraubten Sportwagen hin und verdient Anerkennung als jemand, der sich vom längst ausdiskutierten Konsens abheben möchte. Wer einen Alfa Romeo fährt, fährt mit Absicht keinen Porsche und hat sich also mehr und tiefere Gedanken über seine Individualität gemacht als alle Porschefahrer zusammen. Wir sprechen hier übrigens die ganze Zeit von DEM Porsche, also dem 911er.




