Es wird auch gelacht in „Leander Haußmanns Stasikomödie“ (nur echt mit dem besitzanzeigenden Regisseursnamen im Titel). Und zwar schallend. In anschwellendem Chor. Aus höhnender, dröhnender Mannesbrust. Es wird gebrüllt vor Heiterkeit, mit dem Echo der Verzweiflung. Da lacht ein Apparat Tränen, dem die eigene tragische Monstrosität am Beispiel eines kleinen Helden klar wird.
Was hat jungsche Geheimdienstmitarbeiter Ludger so Komisches gesagt? Was will er machen? Kündigen? Ja, kündigen will er. Aber aus der Nummer kommt er nicht mehr raus. Keiner kommt da raus. Die Lüge hat sich schon längst unwiederbringlich von der Wirklichkeit gelöst; sie hat ihr folgenreiches Eigenleben entwickelt und alle wissenden und unwissenden Beteiligten zu ihren Gefangenen gemacht.
Wir befinden uns in den 1980er-Jahren in Ost-Berlin. Ludger (David Kross) hat sich – nach einer verdeckten behördlichen Charakterprüfung mithilfe einer manipulierten Ampel, einer Straßenkehrmaschine und eines furchtlosen Kätzchens – als geeignet für die Arbeit als Kundschafter erwiesen und für eine operative Maßnahme in der Künstlerszene von Prenzlauer Berg anwerben lassen. Er soll als falscher Bohemien in die Szene eintauchen, sie von innen aufmischen und zersetzen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit einer sehr komischen Brigade von Witz-Tschekisten in einem signalfarbenen Lada gelingt es ihm zu aller, auch zu seiner eigenen Überraschung besser als gedacht.
Die sonderbare Welt der Stasi
Obskure Partys, interessante Drogen, der Glamour der Subversivität und der Poesie lassen unter anderem Ludgers künstlerische Ader anschwellen und inspirieren ihn zu literarisch ambitionierten, geheimdienstlich allerdings wenig brauchbaren Berichten. Irgendwie kein Wunder, dass sich ausgerechnet hier die Stasi verwirklichte, in einer Welt aus Traum, Spiel und Rausch, in einer Welt jenseits der real existierenden sozialistischen Wirklichkeit. Wenn jemand Ludger fragt, was er tut, kann er mit der Wahrheit lügen: Menschen beobachten und darüber schreiben.
Seine Doppelexistenz verbirgt er noch in der kompromittierendsten Situation hinter einem sanften Blick grenzenloser Unschuld und Ahnungslosigkeit, sein Geheimnis umgibt ihn wie eine Aura und tut sicher noch etwas dazu, dass er schnell Anerkennung findet und nebenbei auch auf das Interesse von umwerfend selbstbestimmten Frauen stößt, die, wie das bei Leander-Haußmann-Filmen so üblich ist, von innen leuchten und in Zeitlupe durch die Szene schweben können. Eine von ihnen soll Ludger im patriotischen Auftrag heiraten und ausspionieren. Nicht dass er grundsätzliche moralische Bedenken mit einer solchen Mission gehabt hätte, aber im Konkreten ist er unwillig: weil man ihm als Zielobjekt nicht das seines Herzens ausgesucht hat.
Richtiges Leben mit der Falschen
Das eingangs erwähnte Lachen führt ihm die Ausweglosigkeit seiner Lage vor Augen und bringt ihn schnell zur Einsicht in die Notwendigkeit. Er führt hinfort sein richtiges Leben mit der Falschen. Sein Ruhm wächst, das Paar bekommt Nachwuchs, das System bricht zusammen, dem arrangierten Lebensglück tut das alles keinen Abbruch – nicht einmal als Ludgers Stasiakte auftaucht und darin ein expliziter Liebesbrief, in dem Ludgers Hintern als genuine Füllung einer Levi’s gelobt wird, aber nicht von seiner Frau.
Sogar der fiese Führungsoffizier mit den faulen Zähnen bekommt neben vielen guten Nummern seinen menschlichen Moment.
Er wird von Henry Hübchen so nahbar und übergriffig gespielt, dass das Zelluloid einen Hauch von Mundgeruch zu verströmen scheint, und man weiß nicht recht, ob es das Gas aus dem Herd ist oder dieser lebensfeindliche Hauch, der sich an seiner letzten Zigarette (ein Zitat aus dem Lied von Reinhard Mey) entzündet und ihn als Sternschnuppe über der Hochbahn auf der Schönhauser Allee verglühen lässt, wo kurz danach die sogenannte Revolution vom Oktober 89 als Singspiel aufgeführt wird.
Der Plot ist unwiderstehlich und haltbar, sodass Haußmann ihn mit Obstrusitäten und Spinnereien strapazieren und ausreizen kann, ohne ihn zu verletzen. Sein Blick sowohl auf die spießigen Missetäter als auch die verstrahlten Davonkommer ist voller knuddeligem Erbarmen, voller Kameradschaft für die Missverstandenen auf allen Seiten. Liebevoll sind Ausstattung und Soundtrack, beide brauchen sich für den Schmelz der Nostalgie nicht zu schämen, denn, wie schon Godard, Fassbinder, Haneke und unzählige Filmhochschuldozenten sagten: „Film ist Lüge, 24 mal pro Sekunde“ – aber trifft das auch zu, wenn er von Lüge erzählt?
Selbst wenn die Schenkelschläge des Komödienhandwerkers verlässlich krachen, dürfen sich sowohl Täter- als auch Opferseelen gestreichelt und verstanden fühlen: Es gibt einen Nackter-Liebhaber-im-Kleiderschrank-Slapstick, eine Scheinerschießung im Stasibunker, ein absurdes Rokoko-Geburtstagsfest für Erich Mielke (Bernd Stegemann), viele schöne Wiedersehen, zum Beispiel mit Alexander Scheer als Chanson-Transe und Detlev Buck als Volkspolizist, der seine bereits aus „Sonnenallee“ und „NVA“ bekannte und auch mit dem dritten Teil von Leander Haußmanns DDR-Trilogie nicht zu Ende beantwortete Frage stellt: „Was haben wir denn falsch gemacht?“





