Dies ist die neue Folge der humoristischen Kolumne „Finde den Fehler“ von Anselm Neft.
Ob in Deutschland, Frankreich oder Israel: Streiken liegt in diesem Frühling im Trend. Zunehmend kommen Gruppen auf den Geschmack, die sich benachteiligt fühlen. Während aber beispielsweise den Streik der „darbenden Schriftsteller*innen“ bisher niemand bemerkt hat, droht der Generalstreik der Mütter zu einem ernsten Problem für unsere Gesellschaft zu werden.
Lilith Schmidt aus Hellersdorf ist selbst kinderlos. Dennoch ging sie mit ihrem Hashtag „Rejecting Motherhood“ zunächst viral und hat dann auch ganz analog eine bisher unbekannte Streikwelle unter Müttern provoziert.
„Man muss nicht in der Mafia sein, um die Mafia zu kritisieren“, erklärt die 33-Jährige ihr Engagement. „Mir reichen zwei Stunden mit den Kindern meiner Schwester. Und jetzt reicht es einfach mal!“

Backen und Spielen gestrichen
So wie Schmidt sehen es Hunderttausende von Frauen, die seit vergangenem Montag ihre mütterlichen Pflichten vernachlässigen.
„Backe, backe Kuchen? Am Arsch die Räuber!“, gibt Verena Jelinek aus Innsbruck zu Protokoll. „Ich hab die längste Zeit unentgeltlich Dinkelkuchen für den Waldorfkindergarten gebacken.“
Auch Melanie Böhm aus Elmshorn backt Kuchen nur noch für sich selbst. Darüber hinaus weigert sie sich, mit ihren Kindern (5 und 8) zu spielen.
„Es gibt nichts Langweiligeres, als mit Minderjährigen zu spielen“, offenbart die gelernte Pferdewirtin der Berliner Zeitung. „Ihre mentalen Fähigkeiten halten leider so gar nicht mit ihrer Begeisterungsfähigkeit mit. Sie wollen immer denselben öden Scheiß. Ich bin da raus.“
„Sex and the City“ statt „Bibi und Tina“
Hoppe-hoppe-Reiter, Anziehen, Ausziehen, Waschen, Zähneputzen, Schuhe binden, Apfelschnitze schneiden, Babybrei füttern, Windeln wechseln, Nudeln mit Tomatensoße kochen, vollgekotzte T-Shirts waschen, 100 Mal das gleiche Kinderbuch vorlesen, basteln, malen, filzen, „Bibi und Tina“ singen, nicht mal fünf Minuten in Ruhe auf dem Klo sitzen können – immer mehr Mütter steigen aus. Manche per „Quiet Quitting“, andere ganz offiziell und im Streikmodus.
Statt sich zu Hause um ihre Kinder zu kümmern, treffen sich die Aktivistinnen von „Rejecting Motherhood“ in spontan eingerichteten „Rabenmütter“-Zentren. Zutritt ab 18 Jahren. Und nur für Frauen mit Gebärmutter. Hier wird ab dem frühen Morgen getrunken, geraucht, gekifft, gezockt, gelästert und „Sex and the City“ gebingt.
„Zufall, dass in der Serie kaum Kinder gezeigt werden?“, fragt Dilen Sucuk rhetorisch. Die 28-jährige Vollzeitmutter will ein festes Gehalt über Mindestlohn-Tarif und eine gesicherte Rente. „Sonst sehen mich Ali und die Rotzlöffel so schnell nicht wieder.“ Ihre These: „Ich habe die Blagen zur Welt gebracht. Schön und gut. Aber jetzt wird nachverhandelt!“
Papst ist alarmiert
Lilith Schmidt ist bereits bei einer größeren Vision angekommen: „Solange Kinderhaben für Frauen als Problem auf dem Arbeitsmarkt betrachtet wird, stimmt hier etwas ganz gewaltig nicht. Die Regierung soll sich ihr Ehegattensplitting sonst wohin stecken. Wir müssen stattdessen gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft wieder matrifokal ausgerichtet wird. Ja: matrifokal. Musste ich auch nachschlagen!“
Das Ausland blickt besorgt auf die Entwicklung in Deutschland. Höchst alarmiert zeigt sich vor allem Papst Franziskus der Viertelvorzwölfte: „Wenn Frauen jetzt anfangen, für ihre gottgegeben weiblichen Dienste Geld zu verlangen, kann die katholische Kirche den Laden dichtmachen.“
Eine Rädelsführerin wie Lilith Schmidt scheint das nicht zu bekümmern. Sie rät den Streikenden, hart zu bleiben. Arbeit, die schlecht oder gar nicht bezahlt wird, gilt laut Schmidt in unserer Gesellschaft nichts. „Wenn der Politik und den Herren der Schöpfung die Versorgung und Erziehung von Kindern egal ist – warum sollen wir das dann ausgleichen? Die Müttergehirnwäsche zieht nicht mehr, kommt klar!“
Auch Kinderlose streiken mit
Längst schließen sich auch kinderlose Frauen dem Streik an. Angeführt werden sie von Lola Radagast, einer 38-jährigen Aktivistin aus Sindelfingen. Gegenüber der Berliner Zeitung erklärt sie wenig zurückhaltend: „Wenn ich noch einmal von halbfremden Flachpfeifen höre: Wieso hast du eigentlich keine Kinder, dann schallert’s mal so richtig! Es geht sie einen Scheiß an, kapiert?“
Wohin sich der Streik entwickelt, ist noch nicht klar. Sicher ist bisher nur, dass die Kinder die Leidtragenden sind. Zurückgelassen singen sie allein „Bibi und Tina“, „backen“ kuchenähnliche Gebilde oder malen herzzerreißende Bilder von ihren streikenden Müttern. Vereinzelt wurden in den Streikfamilien auch Väter gesichtet. Deren „Kuchen“ und Bilder sind manchmal auch ganz putzig.






