Der Frühling ist da – und damit auch die Lust darauf, Berlin den Rücken zu kehren und die Ferne zu suchen. Vor einem Jahr habe ich meine Polen-Serie begonnen mit den besten Tipps für mein Heimatland. Falls Sie sich erinnern: Los ging es damals mit meinem Tipp für den Ostseeort Kolberg (Kolobrzeg), nur drei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt. Der Text erreichte viele Leserinnen und Leser, und daher möchte ich dieses Jahr meine Polen-Reiseserie ebenfalls mit einem Ostseeort fortführen. Und zwar mit einem Tipp für Swinoujscie (Swinemünde).
Erst einmal zu den Daten und Fakten: Swinemünde ist ebenfalls drei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt (mit der Bahn dauert es dreieinhalb Stunden und man muss einmal umsteigen). Swinemünde liegt auf dem östlichen Teil der Insel Usedom und ist mit Polen über Land nicht unmittelbar verbunden. Der Swinetunnel, der die Insel Usedom mit der Insel Wollin verbinden soll, steht allerdings kurz vor der Fertigstellung. Noch muss man eine Fähre benutzen, wenn man auf das polnische Festland will. Wer nach Swinemünde fährt, sollte also auch Usedom einen Besuch abstatten und das touristische Angebot vergleichen.
Übernachten in Swinemünde
Und das ist auch ein bisschen der Knackpunkt. Denn wenn man ehrlich ist, ist das Angebot auf der polnischen Seite oft attraktiver als auf der deutschen, was die Preise und Standards betrifft. Der Vorteil ist, dass in allen Restaurants, Kneipen und Hotels auch Deutsch gesprochen wird. Mit Blick auf die Qualität fällt mir viel Positives an der polnischen Ostseeküste auf: Durch die Investitionen der vergangenen 30 Jahre hat Polen in seiner Touristik stark aufgeholt und bietet hohe Standards zu günstigen Preisen. Das ist im Fall von Swinemünde nicht anders.
Man muss nur das Beispiel Übernachtung nehmen: Ich habe ein Wochenende im „Radisson Blu Swinoujscie“ verbracht. Wer früh bucht, kann ein Doppelbettzimmer für 135 Euro inklusive fantastischem Frühstück ergattern und zugleich die Annehmlichkeiten eines Fünf-Sterne-Hotels genießen.
Das Hotel hat Saunen, eine Dachterrasse mit Jacuzzi und Becken, Indoor-Pools, Roomservice, Restaurants, einen Club und vieles mehr. Und das Beste: Wer richtig bucht, kann in dem Hochhaus in einem der höheren Stockwerke übernachten und den atemberaubenden Blick auf die Ostsee genießen. Wo bekommt man bitte schön diese Standards für diesen Preis? Das Frühstück bietet ein Büffet, aber zugleich auch eine Ecke mit Köchen, die den Gästen Gerichte auf Bestellung zubereiten. Fantastisch! Die Hotel-Mannschaft ist bestens organisiert und sehr international. Also: Volle Punktzahl!
Militärstützpunkt und touristische Hochburg
Das Hotel befindet sich direkt am Strand. Man kann sich also treiben lassen und den wunderbaren Blick aufs Meer und beim Spaziergang das Gefühl des goldgelben Sands unter den Füßen genießen. Wer lieber das urbane Gefühl mag, der schlendert auf der renovierten Promenade entlang und probiert die vielen polnischen Restaurants und Snack-Läden, die Herz und Magen begeistern. Etwas exklusiver (aber trotzdem billig) ist das Wena Restaurant (Uzdrowiskowa Straße 36). Es bietet polnische und internationale Küche und sehr guten Fisch. Meine Empfehlung.

Man muss wissen, dass Swinemünde bis 1945 deutsch war. Der Ort war Festungs- und Garnisonsstadt, daran erinnern bis heute zahlreiche Gebäude wie etwa die vielen preußischen Festungen und Bunker. Die kaiserliche Marine war hier stationiert, auch die Nazis nutzten Swinemünde als Stützpunkt, teilweise kamen hier sogar U-Boote zum Einsatz. Vor dem Krieg war Swinemünde allerdings zugleich auch drittgrößtes deutsches Ostseebad, also eine touristische Hochburg. Die Spuren sieht man bis heute, eine bewegte Geschichte.
Der Tourismus in Swinemünde blüht wieder
Ich habe einen Vormittag genutzt, bin mit der Fähre und meinem Auto zum Fort Gerhard auf die andere Flussseite der Swine gefahren, um mir die Festungsanlage mal genauer anzuschauen. Dort kann man sehen, wie die preußischen Truppen gelebt , wie sie sich verteidigt haben, welche Waffen die Deutschen bis 1945 verwendeten und überhaupt: wie das Leben in einer Festungsanlage sich genau abspielte.
Ich habe dort Piotr Piwowarczyk getroffen. Er ist Leiter der Museumsanlage und zugleich Direktor der Tourismusorganisation in Swinoujscie. Der Pole kennt wie kein Zweiter die wechselhafte Geschichte des Ortes und ist zugleich ein Beobachter der deutsch-polnischen Beziehungen in der Region. Piwowarczyk erzählte mir, dass nun, nach der Pandemie, der Tourismus wieder aufblühen und Swinemünde davon enorm profitieren würde.
Öffnungszeiten von Fort Gerhard
Es werden viele Hotels am Strand gebaut, der Ort ist bei Polen wie Deutschen beliebt. Doch die wachsende Konkurrenz führt auch dazu, dass sich Spannungen ergeben in den Beziehungen zwischen Polen und Deutschen, sagt Piwowarczyk. „Und es liegt nicht an uns,“ sagt zumindest der Museumsdirektor. Mit Enttäuschung in der Stimme spricht er über die Lokalpolitik seiner Nachbarn, die sich mit den Polen nicht immer so arrangieren würden, wie er sich das wünschte. Man sei eben Konkurrenz. Ein Beispiel sei die verbesserungswürdige Zugverbindung nach Swinemünde, bei dem der politische Wille fehle, sie effizienter zu gestalten. Auch Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, könnte sich stärker engagieren, so die Kritik des Polen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die polnische Regierung ist an einer Verbesserung der deutsch-polnischen Infrastruktur auch nicht immer interessiert. Auf beiden Seiten muss mehr getan werden.

Wer die Festung Fort Gerhard besuchen und Piwowarczyk zuhören will, muss nur die Adresse „Ku Morzu 5, 72-602 Swinoujscie“ bei Google Maps eingeben. Öffnungszeiten: Samstags und sonntags von 10 bis 16 Uhr. Gleich in der Nähe befindet sich auch ein preußischer Leuchtturm von 1857, der ebenso besucht und bestiegen werden kann.
Sehr gute polnische Pierogi
In der Nähe wird übrigens ein polnisches LNG-Terminal gebaut, mit dem die lokalen Bewohner nicht ganz so zufrieden sind wie die Politiker der Wojewodschaft. Besucher von Swinemünde bekommen davon aber nicht sehr viel mit.
Nach dem Gespräch mit Piwowarczyk ging es für mich wieder zurück mit der Fähre auf den linken Teil von Swinemünde. Wem langweilig ist, der kann durch den wunderschönen Kurpark laufen und in der Innenstadt viele großartige Restaurants mit polnischer Küche finden. Sehr gute polnische Pierogi können Sie im Restaurant & Pub Neptun in der Innenstadt essen (Generala Jozefa Bema 1).

Auch zu empfehlen ist die Kurna Chata (Marszalka Jozefa Pilsudskiego 20), ein rustikales Restaurant, das klassische polnische Gerichte anbietet wie etwa den polnischen Zurek (Mehlsuppe). Machen Sie danach einen Verdauungsspaziergang, lassen Sie sich vom maritimen Ambiente am Swina-Fluss begeistern und spazieren Sie hoch an den Wellenbrecher zum Meer, wo sich die Mühlenbake befindet – ein historischer Leuchtturm in Windmühlenform. Besuchen Sie Swinemünde und entspannen Sie mal so richtig. Zu guten und fairen Preisen bei hoher Qualität und sehr guter Küche! Und wenn Sie schon mal da sind, besuchen Sie – na klar! – auch Usedom.
Transparenzhinweis: In einer vorherigen Version des Textes haben wir geschrieben, dass der Zug von Berlin nach Swinemünde fünfeinhalb Stunden braucht. Das ist nicht korrekt. Die schnellste Verbindung dauert 3:55 Stunden. Wir haben die Angaben korrigiert.










