Um es gleich am Beginn zu sagen: Ein generelles Mitbringverbot von zuckerhaltigen Lebensmitteln wäre gesund, hilfreich und lebenserleichternd. Ein Verstoß müsste allerdings streng geahndet werden, weil die subversive Kraft von Eltern, die ihren Kleinen Gutes tun wollen, immens ist. Und wenn sich auch nur ein Elternteil in der weiteren Bezugsgruppe folgenlos über ein solches Verbot hinwegsetzen und zum Beispiel eine Tüte vegane Gummibärchen springen lassen würde, wäre die Überbietungsmechanik schon wieder in Gang und die Geschichte endete, weil es um Wohl, Wehe, Beliebtheit, Karrierevorsprung und die Zukunft der vielleicht letzten Generation geht, schnell bei einer blutigen Tortenschlacht.
Weil der Verhaltenskolumnist in letzter Zeit von interessierten Leserinnen und Lesern ein bisschen sehr plump beim Wort genommen wurde, sei darauf hingewiesen, dass er das natürlich nur ein bisschen ernst meint und immer mal gern eine argumentative Gegenposition einnimmt – probehalber, mal sehen, wo wir diesmal herauskommen.
Es liegt doch eigentlich nah, dass es Menschen gibt, die ihren Kindern so lange wie möglich das ungesunde Zuckerzeug vorenthalten wollen und nicht gut damit klarkommen, auch nur ein wenig Kontrolle über die Ernährungsgewohnheiten ihrer Kinder abzugeben. Lieber würden sie sie immer weiter mit Muttermilch versorgen und so die dem Tod entgegeneilende Zeit anhalten. Das spricht nicht gerade für Weisheit und Reife, lässt sich aber nachvollziehen.
Was ist so schlimm an Gemüseschnitzen?
Interessanter scheint die Frage, warum es viele so dermaßen aufwühlt, wenn eine Mutter oder ein Vater bei einem Elternabend den vorsichtigen Wunsch äußert, ob es vielleicht möglich wäre, statt der Neiddebatten und Verteilungskämpfe auslösenden Zuckerbomben eine kleine Stiege Erdbeeren oder Gemüseschnitze zu spendieren.
Durchaus begründete hygienische, zahnmedizinische und ernährungsphysiologische Bedenken oder solche hinsichtlich der von Zuckerzeug ausgehenden latenten Suchtgefahr haben gegen die ideologische Wucht der Freiheitsliebe keine Chance. Nach dem Prinzip: Wehret den Anfängen! Wer Eltern daran hindert, die Kameraden ihres Kindes mit minderwertigen Lebensmitteln zu versorgen, schreckt auch nicht davor zurück, die junge Generation in Uniformen zu stecken und in den Krieg zu schicken.
Kann jemand, der sich von leicht überbesorgten Eltern dermaßen bedroht fühlt und in Rage versetzt wird, selbst reif und weise sein? Deutet die Reizbarkeit nicht auf einen wunden Punkt? Entbehrt das hassvolle Gerede von Verbotspolitik, Verbotspartei und Verbotsgesellschaft nicht der nötigen Gelassenheit, die man vielleicht erst dann erreicht, wenn man selbst die Rolle des Kindes abgestreift hat? Agieren da welche ihre ungelösten Konflikte mit den eigenen vielleicht zu strengen Eltern aus, die sie mit den besorgten Eltern des Kindergartenkindes identifizieren?




