Rezept der Woche

Wissen Sie schon, was Sie Weihnachten kochen? Nein? Gans oder gar nicht!

Nicht nur Rohstoffe und Mitarbeiter – jetzt ist alles knapp. Vor allem die Gänse. Wenn Sie findig sind, bekommen Sie noch einen Vogel. Unser Rezeptvorschlag.

Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her! 
Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her! Imago

Palma de Mallorca-Wegen des Rohstoffmangels und der Lieferengpässe ist derzeit alles knapp. Nicht nur gibt es kaum eine Playstation 5 zu ergattern, sondern alle Lebensmittel müssen in Deutschland jetzt unter erschwerten Bedingungen und viel teurer transportiert werden. RWE zum Beispiel blockiert gerade viele Binnenschiffstonnagen in Deutschland, weil Gas zu teuer ist und sie jetzt wie verrückt Kohle zu den Kraftwerken schippern müssen. Da bleibt kein Platz für Getreide, Gemüse oder Gänse im Frachtraum. Die Preise sind dementsprechend für Gänse 40 Prozent höher als im vergangenen Jahr oder es gibt sie (in zwei Wochen) gar nicht mehr zu kaufen.

Deswegen sollten Sie schnell welche besorgen und auch schon mal ans Rezept für Heiligabend denken. Dieses Jahr heißt es nämlich: Der frühe Vogel fängt den Vogel. Und wenn Sie jetzt noch die Wahl haben: Welche Gans sollten Sie kaufen? Am besten sollen, so sagte meine hanseatische Großmutter immer, die Gänse aus Dithmarschen sein. Ob das heute noch stimmt? Einigen wir uns doch darauf, dass die Gans für unseren Weihnachtsbraten eine schöne glückliche Hafermast-Gans von der Weide sein sollte, meinetwegen auch gerne bio. Auch wenn „bio“ erstens noch nicht mal ein Wort und zweitens nicht unbedingt ein Zeichen für Qualität ist. Viel Auslauf jedenfalls tut den Tieren gut, das Fleisch schmeckt einfach besser, glauben Sie mir das mal. Und wenn möglich: „trocken gerupft“. Dabei werden die Federn mit Wachs entfernt. Einfacher geht es, wenn man die Gans vorher überbrüht und rupft, aber dabei beschädigt man die Haut des Tiers und es verliert an Geschmack.

Wollen Sie so eine Gans haben, ja? Dann mal los, zum Glück schreiben wir jetzt schon darüber, denn es wird nicht viele Gänse dieser Qualität geben. Also, auf auf! Husch, husch! Heute gibt es ein Rezept von mir mit ein paar Tricks und Kniffen. Aber Sie alle werden das meistern, es ist ja Weihnachten und da strengt man sich etwas mehr an für die Lieben, besonders weil die Restaurants ja wohl dann nicht mehr geöffnet sein dürften.

Weihnachtsgans mit Knödelfüllung, Apfelrotkohl und glacierten Maronen

Zutaten für Gans und Füllung: eine schöne Hafermastgans (inkl. Knochen rechnet man 600g/Kopf, Garzeit 1 Stunde pro Kilo), altes Brot und Brezen für die Füllung, Speck, Schalotten, Eier, Milch, Beifuß, Muskat, Salz, Pfeffer, Butter, Mirepoix (Zwiebel, Karotte, Sellerie und Lauch in ca. 2–3cm großen Würfeln), Gänsefond, Rotwein.

Zutaten für den Rotkohl: 1 Rotkohl (reicht für ca. 5–6 Personen), 1 saurer Apfel (Boskop oder Holsteiner Cox), 1 Fläschchen Schwarzer Johannisbeersaft, 1 Zimtstange, Piment, Wacholder, Nelke, schwarzer Pfeffer, Lorbeer, Gänseschmalz.

Für die Maronen: Maronen, vorgegart und geschält, Zucker, Apfelsaft, Butter, Salz

Zubereitung:

22. Dezember (Tag 1): Schneiden oder hobeln Sie den Rotkohl in feine Streifen. Ich mag es gerne sehr fein, aber Sie entscheiden. Packen Sie den gehobelten Rotkohl in einen großen Topf. Raspeln Sie den Apfel dazu. Dann kippen Sie die Flasche Johannisbeersaft dazu. Nun machen Sie ein Gewürzsäckchen, dazu eignet sich alter Stoff oder ein Teebeutel. Hinein kommen alle Gewürze, die Lorbeerblätter können Sie dazu zerbröseln, wenn Sie frischen Lorbeer haben, schneiden Sie ihn klein. Geben Sie ruhig ordentlich Gewürze dazu, der Rotkohl soll Bums haben. Aber vorsichtig mit Zimt! Decken Sie den Topf ab und stellen Sie ihn zwei Tage in den Kühlschrank. Täglich etwas umrühren. An Heiligabend wird der Kohl dann am frühen Nachmittag gekocht.

Nun Achtung: Der Kohl sollte wenig Flüssigkeit haben, verkochen Sie diese also kontrolliert. Vor dem Servieren schmecken Sie mit Salz und ordentlich (ist ja Weihnachten!) Gänseschmalz ab. So weit, so gut, das ist ja alles noch ziemlich herkömmlich!

23. Dezember (Tag 2):  Heute bereiten wir schon mal die Maronen vor. Dann müssen Sie am Weihnachtsfest nur noch aufgewärmt werden. Und wir reduzieren den Rotwein für die Gans schon einmal um 50 Prozent. Machen Sie also ein helles Karamell in einem passenden Topf und löschen Sie es mit Apfelsaft ab. Gerne auch mit einem kräftigen Schluck Calvados, ich finde Alkohol beim Kochen ja gut. Reduzieren Sie alles ordentlich, bis es farblich langsam dunkler wird. Nun geben Sie ein gutes Stück Butter dazu, nicht sparsam sein, Sie erinnern sich: Viel Butter, viel lecker! Alles kurz köcheln und die Maronen dazu. Die lösen sich nun meistens gut voneinander. Alles einmal kurz aufkochen, dann kalt stellen. Am großen Tag, kurz vor dem Servieren, wärmen Sie die Maronen auf und verkochen die Flüssigkeit so lange, bis sie sich sanft und geschmeidig um die Maronen legt (das klingt toll, nicht wahr?).

Kurz noch der restliche Rotwein: Diesen kochen Sie einfach auf die Hälfte ein. Fertig.

24. Dezember (Tag 3): Heute ist der große Tag, fangen Sie früh an, die Gans wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Wo fangen wir also an? Schälen und waschen Sie das Gemüse für das Mirepoix. Schneiden Sie zusätzlich kleine Würfel Speck und Zwiebel. Schwitzen Sie die Zwiebel glasig an, geben Sie den Speck dazu. Stellen Sie die Mischung zur Seite.

Hacken Sie viel Beifuß, wir lieben Kräuter. Stellen Sie es zur Seite. Merken Sie was? Wir bereiten uns heute alles vor, wie so ein Fernsehkoch. Alfred Biolek wäre stolz auf Sie. Würfeln Sie das alte Brot und die alten Brezeln. Und nun geht es langsam los: Geben Sie das alte Brot und die Brezeln in eine Schüssel, geben Sie Salz, Pfeffer, ordentlich Muskat, den Speck und die Zwiebeln dazu. Kochen Sie die Milch auf – und nun rüber da. Am besten abdecken, dann entsteht langsam so etwas wie ein Teig, lassen sie dem „Teig“ Zeit zum Einweichen. Nach circa 10 bis 15 Minuten geben Sie die Eier und den gehackten Beifuß dazu. Alles gut durchrühren. Probieren Sie die Mischung, das ist wichtig! Der Knödelteig sollte schon kräftig nach den Aromata schmecken und nicht zu flüssig sein.

Weiter geht’s: Salzen Sie die Gans, braten Sie sie rundum schon einmal im Bräter an. Anschließend im selben Bräter das Mirepoix anbraten und mit dem (vom Vortag) reduzierten Rotwein ablöschen. Wer mag, kann noch Apfelspalten oder Pflaumen dazu geben. Ist die Gans etwas abgekühlt, füllen Sie sie mit dem Knödelteig. Verschließen sie das Tier mit Nadel und Faden oder Zahnstocher. Hierzu finden Sie unzählige Videos auf YouTube. Selbst ist der Koch. Dann ab in den Bräter, heißen Gänsefond angießen und in den Ofen. 160 Grad, etwa eine Stunde pro Kilo.

Nun kommt alles zusammen: Nähert sich das Ende der Garzeit, drehen Sie den Ofen hoch, ruhig 230 Grad für die letzten 15 bis 20 Minuten, damit die Haut richtig knusprig wird. Achtung, Temperaturmanagement: Immer im Auge behalten! Der Rotkohl steht ja schon auf dem Herd, den halten sie einfach warm und bereit, abgeschmeckt ist er ja schon. Die Maronen sind auch schon warm. Also, den Vogel raus, vorsichtig öffnen und dann die Füllung rausholen. Vorsicht, heiß!

Der Clou dabei ist, dass die Füllung gleichzeitig die Knödel sind. Das Gute daran: Die sind im Innern des Vogels richtige Geschmacksbomben geworden. Sie müssen die Füllung also nur noch in mundgerechte Stücke schneiden und in einer Schale anrichten. Fertig!

Den Bratensaft pürieren Sie einfach durch, das sollte schon eine schöne Sauce ergeben. Wer mag, schmeckt mit einem Gläschen guter Jus ab, bei Jens Rittmeyer kann man online wunderbare Soßen bestellen. Das lohnt sich. Anrichten und genießen! Viel Spaß beim Kochen. Und ärgern Sie sich nicht, dass ich keine Mengenangaben mehr mache, das brauchen nur Amateure.

Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann machte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung schreibt er regelmäßig über seine Lieblingsprodukte.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.