Berlin-Während des letzten Lockdowns sichtete Anselm Neft, freier Autor, Schriftsteller und Host des (wie die Redaktion der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung bekennt: kenntnisreichen und unterhaltsamen) Literatur-Podcasts Laxbrunch, 100 Horrorfilme in 100 Tagen. Für unsere „Halloween-Challenge“ hat er die 28 gruseligsten, krassesten und unterhaltsamsten herausgesucht. Wer ist hartgesotten genug und schafft es, alle 28 Filme zu gucken? Jede Woche präsentiert Anselm Neft sieben Horrorfilme. Diese Serie hat insgesamt vier Folgen. Heute: Die letzte Folge unserer Serie, Teil 4 von 4.

„The Evil Dead“ (USA 1981): Filmstudenten schufen mit geringem Budget diesen fast schon idealtypischen Horrorfilm: Fünf junge Menschen urlauben in Waldhütte und beschwören naseweis dämonische Kräfte, die bald in diesen bald in jenen (meist weiblichen) Wirtskörper rauschen. Da hilft nur noch zerstückeln. Richtig: Das ist kein Meilenstein des feministischen Arthouse-Films, aber dank ungezügelter Horrorlust der Macher sowie genialer Tonspur und irrwitziger Kameraführung ein Kultklassiker mit Charme. Ich habe den jahrelang indizierten Film mit 13 Jahren auf VHS gesehen und lange davon gezehrt. 2013 gab es ein Remake, das zwar nicht an die psychotische Wirkung des Originals herankommt, aber dank besserer Special Effects, erweiterter Story und hohem Blutzoll trotzdem fetzt.
„Frontier(s)“ (Frankreich, Schweiz 2007): Wer nach „The Evil Dead“ noch immer „hier“ schreit, kommt vielleicht mit „Frontier(s)“ zur Besinnung. Vier Kleinkriminelle, darunter die schwangere Yasemine, flüchten aus den Pariser Banlieues in ein Gasthaus nahe der belgischen Grenze, wo eine Sippe von Neonazis auf sie wartet. Die französische Version des Texas Chainsaw Massakers ist brutaler, aber auch etwas pathetischer (diese Musik!). Die Kunstbanausen von der Bundesprüfstelle haben gleich 7.30 Minuten entfernt! Eine weniger verstümmelte (!) Fassung, der nur 2.30 Minuten fehlen, findet sich bei CHILI. Aber nur in der Uncut Version (die man aus Österreich per DVD beziehen kann) wird ein Neonazi erst durch eine Axt und dann durch eine Kreissäge verändert. Weiteres siehe schnittberichte.com.
„Grotesque“ (Japan 2009): Verrückter Arzt entführt junges Liebespaar und foltert es im Keller seines Hauses zu Tode. Dazu läuft Vivaldi. Keine Pointe. Menschen, die Unterhaltungsprodukte wie „Frontier(s)“ nicht ertragen, sollten sich jetzt nicht unbedingt die DVD aus Holland oder Österreich bestellen. Hier sind wir in dem filmischen Abgrund, in den fast jeder Horrorfan einmal gerät, wenn ihn der Hafer sticht. So sah ich zum Beispiel beim Hamburger Filmfest den ungeschnittenen „A serbian film“ und fühlte mich danach missbraucht. Apropos missbraucht: An alle, die Horrorfilme pervers finden, aber Hardcore-Pornos schauen: Bei euren Bumsfilmchen ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher, dass ihr Zeuge von (Selbst-)Missbrauch und Gewalt gegen psychisch Kranke auf Drogen werdet.
„Halloween“ (USA 2007): Wer aus unerfindlichen Gründen von schlechter Laune nicht genug bekommen kann, der greife zu dieser „Halloween“-Verfilmung von Rob Zombie. Die erste halbe Stunde gehört zum Bedrückendsten, was ich je in einem Film habe. Stichwort: Geburtstag in der Jugendpsychiatrie. Der Rest ist humorlos-nihilistisches Gemetzel. Ein echter Partykiller!
„Juan of the Dead“ (Kuba, Spanien 2011): Zombiekomödie, die in Havanna spielt und mit einem rustikalen Sinn für Humor und saftigen Splattereffekten (bei mir) punktet. Ich hatte das große Glück, den Film in Havanna im Kino zu sehen. 2011 stand ich an einem Freitagabend mit Hunderten in einer Schlange, es wurden Rum und Nüsschen gereicht. Dann brach plötzlich Unruhe aus: Das Kino war voll! Die restlichen gut 150 Menschen sollten nach Hause gehen. So nicht! Die Leute wollten ihren kubanischen Zombiefilm! Und sie wollten ihn jetzt! Die einen skandierten laut, die anderen kletterten über Absperrungen. Dann kam die Polizei. Und wie man es in einer kommunistischen Diktatur erwartet, ging nun alles ganz schnell: Polizisten, Publikum in spe und Kinobetreiber vereinbarten eine zweite Vorstellung gleich im Anschluss an die ausverkaufte, und alle waren zufrieden. Im Kinosaal herrschte ausgelassene Partystimmung. Es wurde gejohlt, gelacht, zwischendrin geklatscht, aus der Loge flog ein Schlüpfer in die Reihe vor mir. Die Jugend feierte den Film vermutlich deshalb so ab, weil er sich sowohl über die kubanische Regierung (Fidel Castro lebte noch), typische Havanna-Probleme wie häufige Stromausfälle und selbstgerechte „Wir befreien euch!“-Amerikaner lustig macht und den einfachen Mann (Juan) und Street-Level-Solidarität ins Herz der Geschichte setzt. Nüchtern betrachtet kann der Film keineswegs an den britischen Humor von „Shaun of the Dead“ (2004) heranreichen, aber man muss ihn ja auch nicht nüchtern sehen!
Slither (USA 2006): Weltraumschnecken. Zu meiner Verblüffung konnte ich meine Frau zum gemeinsamen Gucken breitschlagen. Die schwarze Parasiten-Komödie macht sich gnadenlos über die Endgültigkeit des Eheversprechens lustig und dürfte dank saftigem Body-Horror Cronenberg-Fans ebenso gut reinlaufen, wie allen, die gerne Anspielungen auf alte Horrorfilme entdecken und Night of the Creeps (1986) abfeiern. Ich hatte viel Spaß und kann meiner Freundin nur beipflichten: „Die Schnecken haben es faustdick hinter den ... äh …Ohren.“
„Das Waisenhaus“ (Mexiko, Spanien 2007): Ein wunderbar stimmiger und ausgesprochen gruseliger Geisterfilm mit guter psychologischer Grundierung. Mehr will ich nicht sagen. Nur noch das: Der Begriff „Sackgesicht“ wird für euch nach dem Film eine neue Bedeutung haben.
Happy Halloween!



