Halloween-Kolumne

Zombies, Geister, Psychopathen: Die Halloween-Horrorfilm-Challenge No. 2

Während des Lockdowns sichtete Anselm Neft 100 Horrorfilme in 100 Tagen. Für unsere Halloween-Challenge hat er die 28 gruseligsten herausgesucht. Folge 2 von 4.

Eine Szene aus dem Horrorfilm Videodrome
Eine Szene aus dem Horrorfilm Videodromeimago

Berlin-Während des letzten Lockdowns sichtete Anselm Neft, freier Autor, Schriftsteller und Host des (wie die Redaktion der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung bekennt: kenntnisreichen und unterhaltsamen) Literatur-Podcasts Laxbrunch, 100 Horrorfilme in 100 Tagen. Für unsere „Halloween-Challenge“ hat er die 28 gruseligsten, krassesten und unterhaltsamsten herausgesucht. Wer ist hartgesotten genug und schafft es, bis Halloween alle 28 Filme zu gucken? Jede Woche präsentiert Anselm Neft sieben Horrorfilme. Diese Serie hat insgesamt vier Folgen. Heute: Folge 2.

„Audition“ (Japan 1999): Ein paar Jahre nach dem Tod seiner Frau will der Geschäftsmann Aoyama wieder heiraten. Sein bester Freund fingiert deswegen ein Film-Casting („Audition“), bei dem sich Aoyama einfach die tollste Frau aussuchen soll. Die Wahl fällt auf die zurückhaltende Asami. Die ist jedoch ein etwas komplexerer Charakter. Wildfang Takashi Miike hat brutalere (z. B. „Itchi der Killer“) und schrägere (z. B. „Visitor Q“) Filme gedreht. Aber die Romanverfilmung „Audition“ ist sein subtilster und bester Film. Und ein nachhaltiger Tritt in die Weichteile aller (uneingestandenen) Sexisten. Mich zumindest hat der Film eiskalt erwischt und zur Selbstkritik angeregt.

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Maren Kaschner
Zum Autor
Anselm Neft, geboren 1973 bei Bonn, studierte abseitige Fächer, schrieb seine Magisterarbeit über zeitgenössischen Satanismus, verschliss Jobs vom Tellerwäscher bis zum Unternehmensberater und lebt heute als freier Autor und Schriftsteller in Hamburg. Dort betreibt er den Literaturpodcast „laxbrunch“ und schreibt Artikel und Bücher. Sein nächster Roman erscheint im Januar 2022 und heißt „Späte Kinder“. Neft veröffentlich im Rowohlt-Verlag.

„Ghostland“ (Kanada, Frankreich 2018): Mutter und zwei Töchter geraten in die Fänge zweier Tunichtgute. Es wird schlimm. Ist das „Torture Porn“? Ist’s Kritik daran? So oder so: Es ist interessant, dass Filme, die in meiner Jugend indiziert worden wären – die man sich also in türkischsprachigen Raubkopien auf VHS ansehen musste – heute ein FSK 16 erhalten können. Nachdem Pascal Laugier mit „Martyrs“ für offene Münder sorgte, präsentiert er auch mit „Ghostland“ keinen Film für die ganze Familie. Kotztüten und Telefonnummer einer Traumatherapeutin bereithalten.

„Mirrors“ (USA, Rumänien, Deutschland 2008): Will man Kiefer Sutherland als typischen traumatisierten Ex-Cop samt der typischen super-vernünftigen Normschönheit als Ehefrau erleben? Ich durchaus! Zumindest wenn er hauptberuflich in einem riesigen ausgebrannten Kaufhaus mit Spiegeldämonen ringt! Den Stereotypen zum Trotz ist das ein sehr effektiver Gruselschocker mit ein paar denkwürdigen Szenen, über die man sich das Maul zerreißen kann (bruhahaha!). Wer anschließend weiterhin an guter Laune leidet, zieht sich vom gleichen Regisseur noch „High Tension“ oder „Maniac“ rein.

„Die obskuren Erzählungen eines Zugreisenden“ (Spanien, Frankreich 2019): Diese Verfilmung des gleichnamigen Buches von Antonio Orejudo ist mehr Groteske als Horrorfilm, aber phasenweise so unheimlich, verstörend und intensiv, dass kein Horrorfilm-Fan enttäuscht sein dürfte. Die miteinander verzahnten Episodenhandlungen ranken sich mit schwärzestem Humor und viel Fantasie vor allem um psychosexuelle Themen, Formen von Wahn und die Frage nach dem Verhältnis von Fiktion und Realität. Sehr stark!

„Son“ (Irland, USA 2021): Der irische Regisseur Ivan Kavanagh hat schon mehrmals bewiesen, dass er mit etlichen Wassern gewaschen ist. Und so haut auch „Son“ souverän ins Mett. Junge Mutter flieht aus einer Satanistensekte und ist bereit, für die Liebe zu ihrem Sohn alles andere zu opfern. Intensiv, krass, clever, starker Subtext. Das wären 10 von 10 Punkten, aber die letzten zwei Minuten hätte Kavanagh streichen sollen, nein müssen. Hat der Mann keine Freunde, die ihm sagen, wann es gut ist?

„Videodrome“ (Kanada, USA 1983): Der Regisseur David Cronenberg („Die Fliege“) ließ in etlichen interessanten Filmen zwischen Trash und Arthouse seine persönliche Meise in ungeahnte Höhen flattern. Nirgends aber gehen die Pferde mit ihm derart durch wie in „Videodrome“. Plot in Kürze: Spezielle Gewaltpornos erzeugen Gehirntumore, die Halluzinationen erzeugen. Wir erleben das surreale, tiefsinnige und gut gealterte Spektakel aus der höchst subjektiven Sicht von Voyeur Max Renn (James Woods). Mit dabei: Deborah Harry („Blondie“). „Long live the new flesh.“

„When animals dream“ (Dänemark 2014): Ein Independent-Film aus Dänemark, der durch eine verträumt-melancholische Atmosphäre berückt und von den Wachstumsschmerzen einer jungen Frau erzählt, deren Mutter schon nicht mit dem Patriarchat klarkam. Sehenswert und auch weniger horroraffinen Menschen anzuraten. PS: Wer weitere intelligente Werwolffilme jenseits von sich kloppenden teddybärartigen Wolfs-Alphamännchen („Wolf“, „Wolfman“) sehen will, ist mit „Wer“ und „Ginger Snaps“ gut beraten.

Die nächsten sieben Filme werden auf den Onlineseiten der Berliner Zeitung vorgestellt. Kennen Sie Horrorfilme, die Sie mögen und gut finden und empfehlen möchten? Dann schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.