Halloween-Kolumne

Zombies, Geister, Psychopathen: Die Halloween-Horrorfilm-Challenge

Während des Lockdowns sichtete Anselm Neft 100 Horrorfilme in 100 Tagen. Für unsere Halloween-Challenge hat er die 28 gruseligsten herausgesucht. Folge 1 von 4.

Jeder und jede fürchtet sich vor ihm: dem Clown, Es, aus dem Stephen-King-Roman.
Jeder und jede fürchtet sich vor ihm: dem Clown, Es, aus dem Stephen-King-Roman.imago

Berlin-Während des letzten Lockdowns sichtete Anselm Neft, freier Autor, Schriftsteller und Host des (wie die Redaktion der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung bekennt: kenntnisreichen und unterhaltsamen) Literatur-Podcasts Laxbrunch, 100 Horrorfilme in 100 Tagen. Für unsere „Halloween-Challenge“ hat er die 28 gruseligsten, krassesten und unterhaltsamsten Streifen herausgesucht. Wer ist hartgesotten genug und schafft es, bis Halloween alle 28 Filme zu gucken? Jede Woche präsentiert Anselm Neft sieben Horrorfilme. Diese Serie hat insgesamt vier Folgen. Heute: der Auftakt! Folge 1.

„Braindead“ (Neuseeland 1992): Die muffigen 50er-Jahre. Als sich der bieder-verklemmte Lionel verliebt, wird seine besitzergreifende Mutter im wahren Wortsinn vom Affen gebissen. Sie mutiert zum Zombie und infiziert auch ihr Umfeld. Lionels Emanzipationskampf gerät alles andere als subtil. Bevor Peter Jackson Hobbits in farbenprächtigen Dreistündern auf der Leinwand herumtollen ließ, sorgte er in Fachkreisen für Furore mit dieser Splatterkomödie – Betonung auf Splatter. Das 1500 Liter Kunstblut verspritzende Rasenmäher-Massaker am Ende des Films ist bis heute unerreicht, und glücklich, wer die 99 Minute lange Uncut-Version erwischt.

„Cam“ (USA 2018): Camgirl „Lola_Lola“ hat nur ein Ziel: Sie will auf Platz 1 des „FreeGirlsLive“-Rankings. Dafür manipuliert sie ihr männliches Publikum genau so gnadenlos wie sich selbst. Als wären manche Typen nicht bereits creepy genug, übernimmt plötzlich jemand ihren Account. Ein schlechter Scherz oder tatsächlich eine Doppelgängerin? „Cam“ ist ein kluger und konsequent finsterer Einblick in die irrsinnige Selbstausbeutung im Kapitalismus im Allgemeinen und den Social Media im Besonderen. Das Drehbuch stammt von Isa Mazzei, die darin eigene Erfahrungen als Camgirl verarbeitet. Cool auch, dass das Ende den Film nicht mit einer doofen Erklärung ruiniert und „Tyler Down“ aus „Tote Mädchen lügen nicht“ eine Nebenrolle hat.

Infobox image
Maren Kaschner
Zum Autor
Anselm Neft, geboren 1973 bei Bonn, studierte abseitige Fächer, schrieb seine Magisterarbeit über zeitgenössischen Satanismus, verschliss Jobs vom Tellerwäscher bis zum Unternehmensberater und lebt heute als freier Autor und Schriftsteller in Hamburg. Dort betreibt er den Literaturpodcast „laxbrunch“ und schreibt Artikel und Bücher. Sein nächster Roman erscheint im Januar 2022 und heißt „Späte Kinder“. Neft veröffentlich im Rowohlt-Verlag.

„The Endless“ (USA 2017): Eigenwillige Mischung aus Mystery, Drama, Horror und SF, die mich durch die interessant-ambivalente Darstellung einer Sekte und die nachvollziehbare Geschichte zweier in unterschiedlichen Rollen gefangenen Brüder überzeugt hat. Der Schrecken ist in diesem Film unsichtbar und kosmisch. Angenehm abseits vom Mainstream und ambitioniert ohne prätentiös zu werden. Auch empfehlenswert für Menschen, die keine Horror-Fans sind.

„Funny Games“ (Österreich 1997) bzw. „Funny Games U.S.“ (USA 2007): Vater-Mutter-Kind machen Urlaub in einem Ferienhaus und werden von zwei jungen Schnöseln formvollendet zur Sau gemacht. Diese übersichtliche Geschichte drehte Michael Haneke („Cache“, „Das weiße Band“) gleich zweimal. Nicht als Horrorfilm, nein! Haneke ist ein ernsthafter Filmemacher, der uns belehren will: „Gewalt ist nicht „funny“, ihr mediengeilen Voyeure.“ Gutmütig, wie wir Horrorfans sind, sagen wir: „Danke, Michael, aber das wussten wir schon. Und auch, wenn du als Sadomaso nicht aus dem Schrank kommst, sondern deinen superfiesen Folterfilm intellektuell-moralisch verbrämst: Wir mögen ihn in beiden Versionen!“

„It follows“ (2014): Glaubwürdige, natürlich aussehende Teenager in einem US-Film? Jawohl, und was für einem! Bilder von spröder Poesie, Synth-Musik wie aus 80er-Horrorfilmen und eine ungewöhnliche Geschichte, die nur auf den ersten Blick hanebüchen wirkt. Wer nachvollziehen will, wie sich posttraumatische Alarmbereitschaft anfühlen kann, MUSS diesen Paranoia-Kracher sehen. Hammer!

„Suspiria“ (Italien, USA 2018): Aufwändig inszenierter 152-Minuten-Arthouse-Horror über eine von Hexen geleitete Tanzschule im Berlin der R.A.F.-Zeit. Tilda Swinton in einer wahnwitzigen Doppelrolle, ein authentisch tristes Berlin, Blutfontänen, Musik von Thom Yorke: What’s there not to like? Vielleicht ist das Themengeflecht etwas überambitioniert und sicher ist der Film auch ganz anders gelagert als Argentos gleichnamiger Klassiker von 1977, bietet aber auf jeden Fall viel Gesprächsstoff für die nächste Hornbrillen-Party.

Two staring eyes aka zwart water (Holland 2010): Eine holländische Familie zieht ins geerbte Mutterhaus nach Belgien. Für manche Lokalpatrioten ist das sicher schon Alptraum genug. Aber der Geisterfilm wird dann wirklich denkwürdig schattig. Genauso will ich meine Horrorfilme: nicht primär clever, artsy, blutig, pädagogisch wertvoll oder funny, sondern gru-se-lig. Der „Audience Score“ auf Rotten Tomatoes liegt allerdings bei schlappen 19 %, im Vergleich zu 62 % für „Insidious“. Das Gruseligste bleiben halt die lieben Mitmenschen.

Die nächsten sieben Filme werden auf den Onlineseiten der Berliner Zeitung vorgestellt. Kennen Sie Horrorfilme, die Sie mögen und gut finden und empfehlen möchten? Dann schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.