Die US-Wahlen scheinen das politische Klima in den Vereinigten Staaten von Amerika wieder etwas mehr in Richtung Normalität gebracht zu haben. Obwohl auch diesmal der Wahlkampf wieder voller Untergriffe und Gehässigkeiten war, zeigen sowohl der Ablauf als auch das Ergebnis die Rückkehr einer gewissen Ernüchterung auf beiden Seiten.
Besonders erfreulich: Am Wahlabend und am Tag danach war kaum mehr die Rede von Unregelmäßigkeiten. Abgesehen von einigen Druckern, die sich bei bestimmten Wahlmaschinen in Maricopa County in Arizona als defekt erwiesen, gab es keine Vorfälle. Bemerkenswert: Die Wahlbeteiligung war sehr hoch. Offenbar ist die Bereitschaft zur Mitwirkung nachhaltig, was einer Demokratie ja immer zuträglich ist. Der Schwung von 2018 scheint also grundsätzlich anzuhalten.
Innenpolitisch scheint es eine Konzentration auf die Mitte zu geben. Radikale und korrupte Politiker waren nicht die Stars der Wahlen. Beispielhaft sei hier New York erwähnt. Nach dem Rücktritt des Gouverneurs Andrew Cuomo, einem demokratischen Urgewächs, der seine Nähe zu Verwandten im Dienste von CNN missbraucht hatte, schaffte die blasse Kandidatin Kathy Hochul einen knappen Sieg und wurde als erste Frau zur Gouverneurin gewählt.
Erfolg von Ron DeSantis
Ihr republikanischer Herausforderer Lee Zeldin erhielt allerdings erstaunliche 47,3 Prozent der Stimmen in der „linken“ Hochburg – und das, obwohl er ein extrem konservativer Kandidat war. Die New York Times schreibt, Hochul konnte ihre Niederlage erst abwenden, als sie auf den Kurs Zeldins einschwenkte und sich in Sachen Kriminalitätsbekämpfung den Argumenten der Rechten öffnete. Außerdem hätten die Wähler die Demokraten für den extrem harten Lockdown-Kurs abgestraft. Bundesweit waren darüber hinaus viele linke Wähler durch ein Gerichtsurteil mobilisiert worden, demzufolge ein strengeres Abtreibungsverbot im Raum stand. Die Amerikaner wollen keine grundsätzliche Veränderung ihrer liberalen Grundordnung.
Mit dem Erfolg von Ron DeSantis in Florida hoffen die Repulikaner nun, endlich eine salonfähige Alternative zu Donald Trump gefunden zu haben. Dieser hatte angekündigt, am 15. November eine „große Bekanntgabe“ vornehmen zu wollen. Doch für viele Konservative ist Trump ein Problem. Seine rüde Art und seine Rolle bei der berüchtigten Erstürmung des Kapitols passen nicht in die Erwartungen der bürgerlichen Klientel. Die meisten Amerikaner – links und rechts – sind die schleichende Militarisierung des zivilen Alltags leid. Das dauernde Geschrei in den sozialen Medien stößt viele Amerikaner ab. Mit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk könnte sich die Tonart verändern, vielleicht sogar weiter verschärfen.
Vielleicht verschwindet Twitter am Ende sogar vollständig, und es bleibt nur noch das Netzwerk von Trump - eine Echokammer für die Hardcore-Fans. Viele liberale Medien hatten bereits nach der Wahl von Joe Biden reagiert und fuhren ihre teilweise überdrehte Kampfposition zurück. Vor allem bei CNN gab es zentrale Personalrochaden. Fox News dagegen scheint sich weiter zu radikalisieren, was in der Natur eines die Opposition unterstützenden Senders liegt. Bei manchen Formaten sind die Grenzen des guten Geschmacks jedoch nicht einmal mehr aus der Ferne zu erkennen.
Hunter Biden ist in zahlreiche China-Skandale verstrickt
Die starke Präsenz der Republikaner im Repräsentantenhaus wird sich außenpolitisch deutlich auswirken – in einer verstärkten Konfrontation mit China, Russland und der EU. Das Magazin Foreign Policy ist überzeugt, dass die Republikaner auf eine härtere Gangart gegen China dringen und den Druck auf die Demokraten im Weißen Haus entsprechend erhöhen werden. Wie massiv der Druck ist, wird vom endgültigen Wahlergebnis abhängen. Es gibt allerdings als sehr wahrscheinlich, dass sich die Republikaner auf Joe Bidens Sohn Hunter einschießen werden.
Hunter Biden ist in zahlreiche China-Skandale verstrickt, und es dürfte den China-Hardlinern ein Leichtes sein, den greisen und immer unsicherer wirkenden Biden vor sich herzutreiben. In der Russland-Frage dürften sich die Falken um Lindsey Graham weiter durchsetzen – sie sehen Putin als Verbrecher und sind überzeugt, dass der Sturz des russischen Präsidenten im Interesse der nationalen Sicherheit der USA liegt. Die Demokraten haben sich dieser Sichtweise weitgehend angeschlossen. Der Handelskrieg gegen die EU, den Donald Trump vor einigen Jahren vom Zaun gebrochen hatte, wird fortgesetzt werden. Eben hat die Diskussion begonnen, dass nur in den USA produzierte Elektroautos gefördert werden sollen. Europäische und japanische Autohersteller werden nicht die Letzten sein, die feststellen, dass „America First“ ein Teil der alten und neuen Normalität des globalen Wirtschaftskreislaufs ist.
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