Inflation

Russland führt eine Übergewinnsteuer ein: Warum verzichtet Deutschland auf die Inflationsbremse?

Die Bundesregierung hat auf die Übergewinnsteuer verzichtet und bekommt die Inflation nicht in den Griff. Russland scheint da weiter – oder nicht?

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Idee einer Übergewinnsteuer nicht konkretisiert.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Idee einer Übergewinnsteuer nicht konkretisiert.Thomas Trutschel/imago

Setzt Moskau die wirtschaftlichen Maßnahmen um, die in Deutschland dringend nötig wären? Die Bundesregierung bekommt die hohen Preise nicht in den Griff. Auch im Juni lag die Inflation in Deutschland mit 6,8 Prozent höher als im Durchschnitt der Euro-Mitgliedstaaten (5,5 Prozent).

Ein wesentlicher Preistreiber sind nach wie vor die hohen Energiekosten, die nach dem Einfuhrverbot für russisches Gas rasant gestiegen waren und mindestens bis zum Aufbau einer alternativen Infrastruktur in Deutschland auf hohem Niveau liegen dürften. Außerdem beklagt die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, eine „Gierflation“ von Unternehmen, die durch ungerechtfertigte Preissteigerungen die Inflation im Euroraum antreiben.

Darum fallen die Einnahmen durch die Übergewinnsteuer in Russland so gering aus

Um die hohen Preissteigerungen für die Bevölkerung abzufedern, hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sich eigentlich für die Einführung einer Übergewinnsteuer ausgesprochen. Energiekonzerne, die durch die erhöhte Nachfrage „Zufallsgewinne“ erzielt hatten, sollten mit einer Sonderabgabe belegt werden. Dadurch hatte sich der Bund Einnahmen von 30 Milliarden Euro versprochen. Nachdem die Beschaffungspreise im Sommer wieder gesunken waren, beerdigte Habeck das Vorhaben jedoch wieder.

In Russland wird die Übergewinnsteuer nun hingegen eingeführt. Dort hat die Staatsduma, das Unterhaus des Parlaments, am Freitag einen Gesetzentwurf verabschiedet, der Großunternehmen die Steuer auferlegt. Demnach werden Unternehmen, deren durchschnittlicher Gewinn in den Jahren 2021 und 2022 eine Milliarde Rubel (umgerechnet zehn Millionen Euro) überstieg, verpflichtet, eine einmalige Abgabe in Höhe von zehn Prozent von dem erzielten Übergewinn zu zahlen. Insgesamt verspricht sich die russische Regierung dadurch zusätzliche Einnahmen von rund 300 Milliarden Rubel (oder drei Milliarden Euro).

Kleine und mittlere Unternehmen sollen von der Regel ausgenommen werden. Die Unternehmen aus dem Öl-, Gas- und Kohlesektor ebenso – und das ist wohl der Grund dafür, dass die Summe so gering ausfällt. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte die Steuerlast für die Gas- und Ölindustrie für den Zeitraum 2023 bis 2025 bereits im November des letzten Jahres mit einem Sondererlass erhöht.

Übergewinnsteuer in Russland: Geld für Kinder und Familien?

Die russische Regierung behauptet, dass die Idee einer Übergewinnsteuer von den Unternehmen selbst stamme. Doch scheint es eher so, dass der Staat seinen Einfluss auf das russische Großkapital ausweitet. Wie die Financial Times (FT) berichtet, haben Russlands größte Metall-, Bergbau- und Chemieunternehmen Pläne für eine ähnliche ausgerichtete Steuer 2018 abgelehnt, die zusätzliche 7,5 Milliarden US-Dollar für Sozialausgaben eingebracht hätte.

Innerhalb der russischen Oligarchie sei die Maßnahme zumindest umstritten gewesen, so die britische Zeitung. Diese hätten sich monatelang dafür eingesetzt, die Steuer abzuschwächen. „Ich verstehe die Idee nicht. Wenn Sie Geld brauchen, erhöhen Sie einfach die Steuern“, zitierte die FT einen nicht namentlich genannten russischen Oligarchen.

Finanzminister Anton Siluanow sagte, Russland werde die zusätzlichen Einnahmen für Zahlungen an Familien mit Kindern ausgeben – Zuwendungen, die in Putins jüngster Rede zur Lage der Nation im Februar deutlich zurückgefahren wurden.

Steuerexperte kritisiert: Übergewinnsteuer scheiterte in Deutschland am politischen Willen

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac setzt sich in Deutschland seit langem für eine konsequente Besteuerung von Zufallsgewinnen ein. Alfred Eibl, Experte für Steuern und Finanzmärkte bei Attac, kritisierte im Gespräch mit der Berliner Zeitung, dass die Umsetzung einer Übergewinnsteuer einzig am politischen Willen der Bundesregierung gescheitert sei.

„Mit einer Übergewinnsteuer reduziert man für Unternehmen die Attraktivität von Preiserhöhungen, weil die Gewinne, die durch Preisaufschläge erzielt werden, nicht ausgezahlt werden“, erklärt Eibl. Außerdem könne der Staat diese Übergewinne verwenden, um ärmere Bevölkerungsgruppen finanziell zu entlasten.

Spanien sei ein gutes Beispiel dafür, wie ein Land mittels einer Übergewinnsteuer die Inflation in den Griff bekommen könne. Die Inflationsrate lag in Spanien im Juni bei nur 1,6 Prozent. Durch die Einnahmen finanzierte der spanische Staat mehrere Sozialprogramme, darunter ein kostenloses ÖPNV-Ticket. Eine Maßnahme, die die Bevölkerung konkret entlastete und volkswirtschaftlich für mehr Kaufkraft sorgte.

Attac werde sich auch weiterhin für die Einführung einer Übergewinnsteuer in Deutschland einsetzen. Am Donnerstag demonstriert das globalisierungskritische Netzwerk dafür vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main.

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