Ob beim geplanten Heizungstausch oder der E-Mobilität: Erneuerbare Energien rücken in Deutschland verstärkt in den Vordergrund. Denn die Klimaneutralität ist bis 2045 angesagt.
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres machten grüne Energien einen Anteil von 55,8 Prozent am deutschen Strommix aus. Fast 32 Prozent entfielen auf die Windenergie und rund elf Prozent auf Photovoltaik. Die Deutschen wollen auch immer häufiger eigenen Strom produzieren und setzen auf Solaranlagen auf dem Dach oder Balkonkraftwerke. Mehrere Solar-Start-ups in Berlin träumen von einer Zukunft mit nur noch erneuerbaren Energien und werben neben den Solarmodulen auch für Stromspeicher im Keller. Wie kann man die Solarenergie aber darüber hinaus anwenden?
Photovoltaik: „Unerschöpflich, kostenlos und umweltfreundlich“
Auch ein Brandenburger Unternehmen macht sich die Sonnenenergie zu Nutze. „Solaranlagen sind der Schlüssel zur Energiewende“, sagt Dirk Wenzel, Geschäftsführer der in Potsdam ansässigen Visiolar GmbH, der Berliner Zeitung. Das Unternehmen entwickelt Projekte mit Freiflächen- und Agrikultur-Photovoltaik (Agri-PV) und produziert die entsprechenden Anlagen. Die Agri-PV steht für gleichzeitige Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion (Photosynthese) und die PV-Stromproduktion (Photovoltaik). Auf den gleichen Flächen erzielt man somit zwei Ziele. Der grüne Strom wird zwar ins Netz eigespeist, die Eigentümer der Flächen – Landwirte, Gemeinden oder Kommunen – profitieren jedoch von Zuschüssen der Bundesregierung.
Als Tochterunternehmen der Lindhorst Gruppe, eines der größten Landwirtschaftsunternehmen in Deutschland aus Niedersachsen mit circa 20.000 Hektar Flächenkontingent, will Visiolar auf diese Art die Energieversorgung Deutschlands vor allem in Brandenburg mittels großflächiger Solarparks Jahr für Jahr grüner machen.
„Um unseren gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energien zu decken, ist ein massiver Ausbau der installierten PV-Leistung notwendig“, sagt Dirk Wenzel. Die Energie der Sonne sei „unerschöpflich, kostenlos und umweltfreundlich“ – außer der Windkraft könne das keine andere Energiequelle von sich behaupten.
PV-Tracker: 360 Grad Solaranlagen für maximale Leistung
Visiolar besitzt nach eigenen Angaben über zehn Jahre Projekterfahrung im PV-Bereich und hat allein in Brandenburg bisher 15 Projekte mit einer Kapazität von 500 Megawatt Strom umgesetzt. Mit dem sogenannten „PV-Tracker“ – einer Technologie, mit der sich die Solarmodule automatisch nach dem Sonnenverlauf flexibel von Ost nach West ausrichten – erweitert das Unternehmen nicht nur seine Produktpalette, sondern verspricht sich Synergieeffekte aus der Expertise im eigenen Haus in den Bereichen erneuerbare Energien und Landwirtschaft.
Außerhalb von Deutschland ist die Tracker-Technologie bereits verbreitet. In Deutschland wird sie jedoch noch nicht in großem Umfang von Projektentwicklern angewandt, insbesondere nicht in der Kombination mit einer ackerbaulichen Nutzung, bemängelt ein Visiolar-Sprecher auf Anfrage der Berliner Zeitung. Visiolar sei einer der ersten Projektentwickler, der diese PV-Technologie in Deutschland einsetze – um die Energie der Sonne und die landwirtschaftliche Fläche effizient nutzen zu können, heißt es.

Die einachsigen Agri-PV-Tracker würden bis zu 60-mal so viel Grünstrom erzeugen, wie eine herkömmliche Biogasanlage – und durch die Ausrichtung zum Sonnenstand bis zu 20 Prozent mehr Strom, als eine konventionelle PV-Anlage. Die Technologie garantiere mit ihrer Beweglichkeit zu jeder Zeit eine optimale Stromerzeugung in Kombination mit einer landwirtschaftlichen Nutzung zwischen den aufgeständerten Modulen.
Durch die temporäre Verschiebung der Solarmodule werde zudem eine zeitweise Verschattung des Bodens gewährleistet: Ein Schutz für angebaute Pflanzen und die Bodenfeuchtigkeit. Auch Starkwind werde durch die Aufrichtung der Solarmodule gebrochen.
Höhere Anschaffungskosten bei der Agri-PV – Bonuszahlungen als Ausgleich?
Die hohe Aufständerung der Module und der Mindestabstand von etwa elf Metern würden gleichzeitig die Produktion grüner Energie und landwirtschaftlicher Produkte ermöglichen. „Etwa 90 Prozent der Gesamtfläche für eine landwirtschaftliche Nutzung bleiben damit erhalten“, teilt der Sprecher mit. Nun zehn Prozent der Fläche würden durch die Installation der Solarmodule verloren gehen.
Durch die Kombination von Solarstromerzeugung und Flächenbewirtschaftung profitiere der Landwirt so von einem Einkommen aus mehreren Quellen und sei weniger vom jeweiligen Ernteertrag abhängig, wirbt der Visiolar-Sprecher. Zudem müssten keinerlei Ausgleichsflächen durch die Landwirte bereitgestellt werden.
Dennoch sind hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlagen in ihrer Anschaffung deutlich teurer. Durch die höheren Installationskosten haben die Eigentümer der Flächen jedoch wie oben erwähnt einen Anspruch auf gestaffelte Bonuszahlungen. Um die Mehrkosten für die aufwendigere Unterkonstruktion zu berücksichtigen, besteht für hoch aufgeständerte Agri-PV-Systeme im Rahmen der Regelausschreibungen des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG 2023) zusätzlich ein Anspruch auf eine Prämie in Höhe von 1,2 Cent pro Kilowattstunde.
Erste Solarparks inklusive hochaufgeständerter PV-Tracker im Jahr 2025
Bislang sind die Tracker bei dem Brandenburger Unternehmen noch nicht im Einsatz. Visiolar habe sie aber in diversen Gemeinden vorgestellt und hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 zusätzlich zu den bisher realisierten 1400 Megawatt peak (MWp), noch weitere 5500 in Planung zu haben.
„Wir bekommen großen Zuspruch für den ressourcensparenden Einsatz unserer Acker- und Grünlandflächen“, schätzt der Firmenvertreter ein. Aber nicht nur auf eigenen Flächen will das Unternehmen agieren: Visiolar plant, deutschlandweit interessierte Dritte wie Gemeinden, Unternehmen oder private Flächeneigentümer mit dem Agri-PV-Tracker auszustatten. Aufgrund der immer noch zu langen Genehmigungsverfahren sollen die ersten Parks jedoch erst 2025 fertiggestellt sein. Für eine Pilotanlage sei die Fertigstellung bereits im kommenden Jahr angesetzt.





