Umwelt

Ein Gesetz für die Mülltonne: Berlins Mehrweg-Angebotspflicht

Gastronomen können aufatmen. Das neue Mehrweggesetz kann wegen Personalmangels bei den Bezirksämtern nicht kontrolliert werden. Es bleibt also alles beim Alten?

Die Mülleimer in Mitte sind überfüllt. Jetzt muss ein Einkaufswagen herhalten. 
Die Mülleimer in Mitte sind überfüllt. Jetzt muss ein Einkaufswagen herhalten. www.imago-images.de

In Berlin werden täglich mehr als 770 Tonnen Verpackungsmüll durch die Mitnahme von Speisen und Getränken produziert. Pro Tag sind mehr als 170.000 To-go-Becher in Umlauf. Aus diesem Grund wurden bereits im Juli 2021 bestimmte Produkte aus Einwegkunststoff verboten. Plastikteller, Strohhalme und andere Einwegprodukte dürften nicht mehr aus Kunststoff angeboten werden. Ein komplettes Verbot von Einwegverpackungen ist nicht möglich, da hierzu eine Änderung im EU-Recht notwendig ist. Während der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Take-away-Mitnahmen jedoch sprunghaft an und die Bundesregierung sah sich gezwungen zu handeln. Ein neues Gesetz wurde auf den Weg gebracht: die Mehrwegangebotspflicht.

Für den Konsumenten ändert sich nichts: Er hat die Macht

Seit Anfang des Jahres sind Gastronomen verpflichtet, ihren Kunden Mehrwegbehältnisse zur Mitnahme von Speisen und Getränken anzubieten. Doch das gilt nicht für jedes Restaurant. Tatsächlich gibt es viele Ausnahmen und Sonderregelungen. Ausgenommen sind kleinere Geschäfte wie Imbisse, Spätis und Kioske, die eine Ladenfläche von weniger als 80 Quadratmetern haben. Zudem handelt es sich nur um eine Angebotspflicht. Die Betriebe dürfen also weiterhin Einwegverpackungen anbieten, sofern sie zusätzlich Mehrwegbehältnisse zur Verfügung stellen. Der Konsument hat weiterhin die Entscheidungshoheit – Einweg oder Mehrweg.

Im Vorfeld wurde die Einführung der Angebotspflicht von vielen Gastronomen stark kritisiert. Nach der Pandemie sahen sich vor allem kleine Betriebe mit hohen Kosten konfrontiert und die Beschaffung neuer Behälter war mit zusätzlichen Investitionen verbunden. Um sicherzustellen, dass sich die Gastronomen auch wirklich an die neuen Regelungen halten, sieht das Gesetz vor, dass eine Nichteinhaltung der Vorschrift mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann. Aber wer kontrolliert das überhaupt?

Das Gesetz belastet vor allem die Ordnungsämter der Bezirke

Bereits im November vergangenen Jahres wurde im Ausschuss für Umwelt, Verbraucher- und Klimaschutz darüber diskutiert. Das Gesetz war zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossene Sache. Joachim Wenz vom Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg äußerte damals große Bedenken und machte deutlich, dass vor allem die Regelungen zur Einhaltung der Pflicht bisher nicht durchdacht worden sind. „Die Frage lautet, ob die Gastronomie vorbereitet ist, aber sie sollte auch lauten, ob die Verwaltung vorbereitet ist. Das ist sie nämlich nach unserer Auffassung nicht.“

Eine Zuständigkeitszuweisung sei nicht erfolgt und verteile sich dadurch auf den Senat und die Bezirksämter. Wer in den Bezirken am Ende tätig wird, die Kontrollen durchführt und mögliche Bußgelder verhängt, ist nicht geklärt. Wenz: „Der Vollzug ist aus unserer Sicht problematisch.“ Jörn Peter Brinkmann, Vizepräsident des Hotel- und Gastronomieverbandes Dehoga, pflichtet Herrn Wenz bei. Für ihn sei es „total unverständlich, dass die kleinen Betriebe ausgenommen sind“. Sein Wunsch: ein einheitliches Gesetz ohne Ausnahmeregelungen.

Kein Personal – keine Kontrollen

Die Dehoga startete nach dem Gesetzesbeschluss verschiedene Kampagnen, um die Mitglieder ihres Verbandes auf die Angebotspflicht vorzubereiten. Innerhalb der vergangenen zwei Wochen, seitdem das Gesetz in Kraft getreten ist, hat die Dehoga keine negativen Rückmeldungen vonseiten ihrer Mitglieder erhalten. Das Wissen darüber, dass die Einhaltung der Angebotspflicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend geklärt ist, nimmt bei vielen Gastronomen den Druck raus.

Die Lage bei den Bezirksämtern gestaltet sich anders, es muss schnellstmöglich entschiedenen werden, bei wem denn nun die Zuständigkeit liegt. Den Ordnungsämtern fehlt es aber an Personal und somit übersteigen „die Anforderungen die aktuellen Kapazitäten.“ Das Bezirksamt Mitte bestätigt auf Nachfrage, dass bislang keine Kontrollen durchgeführt wurden. Man stehe jedoch „in einem engen Austausch“ mit anderen Bezirken und der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verkehr und Klima. Weiter heißt es: „Wir arbeiten aktuell an einer Lösung.“

Fazit: Gut gemeint – schlecht umgesetzt

Das eigentliche Problem bleibt auch nach der Gesetzesänderung weiterhin bestehen – der hohe Verbrauch an To-go-Bechern. Aufgrund der Sonderregelungen sind die eigentlichen Verursacher wie Bäckereien, Kioske und kleine Cafés, auch in Zukunft nicht von Kontrollen betroffen. Aber unabhängig von den Gastronomen steht es jedem Konsumenten frei, einen eigenen Mehrwegbecher mitzubringen.