Der Spott in der Finanzwelt über die Revolte in Russland ist groß. Benjamin Picton, Analyst der niederländischen Rabobank schreibt: „Wladimir Lenin sagte einmal, dass jeder Koch lernen muss, den Staat zu regieren. Das scheint eine treffende Feststellung zu sein, wenn man die Ereignisse des Wochenendes betrachtet, an dem ein ehemaliger Hotdog-Verkäufer, der umgangssprachlich als Putins Koch bekannt ist, eine Art Meuterei gegen die russische Regierung anzettelte.“
Bevölkerung kaufte panikartig Devisen – Notenbank muss Rubel stützen
Dass die Lage am Wochenende ernst war, verdeutlichen die ökonomischen Folgewirkungen. Am Mittwoch teilte die russische Zentralbank mit, den Rubel mit mehreren Devisenmarktinterventionen gestützt zu haben. Am Montag hatte sie auf dem Inlandsmarkt chinesische Yuan im Wert von 10,6 Milliarden Rubel (112 Millionen Euro) verkauft. Neben der Zinspolitik sind Devisenkäufe und -verkäufe das einzige direkt wirksame wirtschaftspolitische Instrument im Rahmen der Währungspolitik zur Beeinflussung des Wechselkurses. Doch der Abverkauf des Rubel war damit nicht zu stoppen. Am Dienstag verkaufte die russische Nationalbank weitere Yuan im Wert von 3,6 Milliarden Rubel. Am Mittwoch bekam man für einen US-Dollar mehr als 85 Rubel.
Die russische Währung war am Montag um bis zu drei Prozent gegenüber dem US-Dollar gefallen, nachdem der Vormarsch der Wagner-Gruppe auf Moskau viele Russen veranlasst hatte, sich mit alternativen Fremdwährungen einzudecken. Im Laufe des Wochenendes kam es in 15 Regionen zu einem erheblichen Anstieg der Nachfrage nach ausländischen Währungen, sagte der erste stellvertretende Ministerpräsident Russlands Andrej Belousow laut Reuters. „Im Durchschnitt waren es etwa 30 Prozent, aber der aktivste Anstieg der Bargeldnachfrage wurde in den südlichen Regionen verzeichnet – in Woronesch, Rostow und Lipezk sowie in den Großstädten“, sagte er. „Dort stieg die Nachfrage um etwa 70 bis 80 Prozent.“ Während des Aufstands der Wagner-Gruppe am Samstag hatten die russischen Banken den Kurs auf über 100 Rubel pro Dollar angehoben.
Nach Angaben des Wall Street Journal wurden auch Rubel in die Kryptowährung Tether getauscht, was zu einem Anstieg der Handelsumsätze um fast 15 Millionen US-Dollar (etwa 13,7 Millionen Euro) am Samstag geführt hatte.
Westliche Investoren müssen auf Aktien in Russland verzichten
Als Reaktion auf den Wagner-Aufstand gaben im Westen die Aktien von Rüstungsunternehmen nach. US-amerikanische und europäische Wertpapiere von Waffenschmieden fielen zum Wochenbeginn stark, da einige Anleger darauf wetteten, dass die politische Instabilität in Russland die Kriegsanstrengungen des Kremls behindern und den Konflikt in der Ukraine verkürzen könnte.
Auf ihr bereits angelegtes Geld in Russland werden die meisten Investoren verzichten müssen. Die meisten Aktien in Russland konnten nicht direkt, sondern nur über sogenannte Hinterlegungsscheine erworben werden, die bei einer Verwahrstelle hinterlegt wurden. Den Anlegern wurde im Gegenzug ein Zertifikat als Bestätigung ausgestellt. Nach Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine und den folgenden westlichen Finanzsanktionen sei das System in Schwierigkeiten geraten: Russland forderte den Umtausch der Scheine in die tatsächlichen Aktien. Da dafür persönlich vor Ort ein Depot bei einer russischen Bank eröffnet werden musste, scheiterte dieses Unterfangen zumindest am Aufwand, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die russische Regierung hat eine Frist zum Umtausch bis zum Ende des Monats gesetzt.
Laut Angaben der Deutschen Bank sind zahlreiche Titel bereits nicht mehr auffindbar. Aktien der Fluggesellschaft Aeroflot, der Baufirma LSR Group und der Bergbau- und Stahlunternehmen Mechel und Novolipetsk Steel, für die in Russland Bezugsscheine ausgestellt wurden, seien verschwunden. Und auch für die wenigen Glücklichen, die auf ihre Aktien zugreifen können, dürfte das Geschäft nicht sonderlich hoch sein. Der Verkaufserlös werde „substanziell geringer“ ausfallen als der derzeitige Marktpreis, berichtet die Deutsche Bank. Die russischen Behörden würden wohl einen Abschlag von mindestens 50 Prozent auf den Börsenwert verlangen.
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