Geopolitik

Hat Diplomatie im Krieg noch einen Sinn?

Im AlliiertenMuseum in Dahlem diskutierten die Botschafter der USA, Großbritanniens und Frankreichs über Russland und eine neue multilaterale Ordnung.

Diplomatendebatte im AlliiertenMuseum (v. l.): die Botschafterinnen Jill Gallard und Amy Gutmann sowie Botschafter François Delattre.
Diplomatendebatte im AlliiertenMuseum (v. l.): die Botschafterinnen Jill Gallard und Amy Gutmann sowie Botschafter François Delattre.Alliiertenmuseum/Philipp Jester

Soll man mit Russland reden? Diese Frage hätte man hinter dem Titel einer Podiumsdiskussion erwartet, die „Diplomatie in Zeiten von Krisen und Kriegen“ lautete und am Montagabend im AlliiertenMuseum in Dahlem stattfand. Es zeigte sich allerdings, dass Diplomatie mitunter bedeutet, mit den eigenen Verbündeten zu reden. Das Alliiertenmuseum hatte die Botschafter der USA, Großbritanniens und Frankreichs zur Debatte gebeten – Russland war nicht dabei, weil Russland nicht dem Trägerverein des Museums angehört. Nach Ansicht der Moderation des Abends, Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung, ist es ohnehin fraglich, ob man „immer um jeden Preis reden“ müsse. Jill Gallard, Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland in Deutschland, sagte, es gäbe „einen Unterschied zwischen Dialog und Verhandlungen“. Man könne im Fall des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht davon sprechen, dass die Diplomatie gescheitert sei, ganz im Gegenteil: Es gäbe breite Sanktionen, in der UN-Vollversammlung hatten 143 Nationen für die Verurteilung Russlands gestimmt. Amy Gutmann, Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland und vormalige Präsidentin der University of Pennsylvania, sagte, der Westen sei bereit zu sprechen, wenn der russische Präsident Wladimir Putin bereit sei, seinen „brutalen und illegalen Krieg zu stoppen“. Es gäbe nicht viele Beispiele in der Weltpolitik, wo die Rollenverteilung zwischen Gut und Böse so klar sei wie in diesem Fall, sagte Gutmann.

Auf die Frage aus dem Publikum, ob der Westen im Vorfeld des Krieges auch Fehler gemacht, durch seinen Krieg gegen den Irak ein schlechtes Vorbild abgegeben habe und daher eine Mitschuld trage, sagte Gutmann: „Es gibt nur einen einzigen politischen Anführer, der für diesen Krieg verantwortlich ist: Putin.“ Der Westen habe mehrfach Warnungen an Moskau geschickt und den Russen signalisiert, ein Angriff auf die Ukraine werde schwerwiegende Konsequenzen haben. Putin habe getan, „was nur ein brutaler Diktator tun kann“. Er habe sich aber verrechnet, weil der Westen jetzt geeinter sei als je zuvor. Die westlichen Maßnahmen gegen Russland seien auch eine Warnung an China, sagte Gutmann und meinte, die Reaktion Chinas auf Covid sei sehr irritierend: Der Westen habe Peking „seine sehr effektiven Impfstoffe angeboten, aber sie haben das Angebot nicht angenommen“. Gutmann: „China ist das einzige Land der Welt, das offen als Ziel die Zerstörung der Nachkriegsordnung nach 1945 plant.“ Die US-Botschafterin sagte, der Westen dürfe nicht zulassen, „von zunehmend autoritären Staaten als Geisel gehalten zu werden“.

Wie viel die westliche Diplomatie allerdings noch zu tun hat, um alle Staaten im aktuellen Krieg gegen Russland bei der Stange zu halten, zeigt das Beispiel Frankreichs: Präsident Emmanuel Macron hatte vor einigen Tagen gesagt, man werde nach dem Krieg eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa diskutieren müssen und sehen, „wie man Russland Garantien gibt, wenn es eines Tages an den Verhandlungstisch zurückkehrt“.  Vor allem in den baltischen Staaten, Polen und der Slowakei war die Bemerkung mit Entrüstung aufgenommen worden. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft legte ein Non-Paper vor, in dem die Staaten den Franzosen zu erklären versuchen, dass Russland alle bisherigen Garantien nur ausgenutzt habe, um Europa zu schwächen und zu spalten. François Delattre, Botschafter der Französischen Republik in Deutschland, wiederholte die offizielle Linie Frankreichs, nämlich, dass Frankreich loyal in den Reihen des westlichen Bündnisses stehe und dass Macrons Aussagen aus dem Kontext gerissen worden seien: „Wir befinden uns im Krieg. Es gibt eine Zeit für den Kampf, und in einer zweiten Phase kommen Verhandlungen.“ Delattre wies jedoch darauf hin, dass bewährte diplomatische Formate wie etwa der UN-Sicherheitsrat „dysfunktional“ seien. Es brauche eine neue „effiziente Ordnung des Multilateralismus“, weil die „US-Rolle als Weltpolizist nicht für immer aufrechterhalten werden kann“. Delattre nannte den Wiener Kongress von 1815 als Vorbild, dem es gelungen sei, eine dauerhafte europäische Friedensordnung zu etablieren.