Geopolitik

Gipfel in Alaska: Überrumpeln Putin und Trump alle mit geheimem Coup?

Bringt der Gipfel ein überraschendes Angebot, das weder die Ukraine noch die EU ablehnen können? Es geht um die sagenumwobenen „frozen assets“ der Russen.

Wladimir Putin und Donald Trump auf dem  APEC Economic Leaders Meeting am 11.11.2017
Wladimir Putin und Donald Trump auf dem APEC Economic Leaders Meeting am 11.11.2017Mikhail Klimentyev / Sputnik Da Nang Vietnam

Der Tagungsort Alaska für das Treffen zwischen den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und Russland ist mit Bedacht gewählt. Es ist nicht nur die kurze Anreise für Wladimir Putin, der mit dem kurzen Flug in das Nachbarland das Risiko ausschließt, unterwegs bei Überfliegen eines Drittlands zum Internationalen Strafgerichtshof umgeleitet zu werden. Bis 1867 war Alaska russisch, noch heute gibt es eine russische Volksgruppe, die der Tradition verbunden ist. Alaska wurde schließlich von Russland für 7,2 Millionen Dollar verkauft, das wäre selbst auf heutige Verhältnisse gerechnet mit 160 Millionen Dollar ein Spottpreis. Der Ort soll jedoch nicht signalisieren, dass Russland neben dem Baltikum, Brandenburg und Berlin auch ein Auge auf sein ehemaliges Hoheitsgebiet geworfen hat – im Gegenteil: Die Botschaft lautet, dass alles auf der Welt käuflich ist. Donald Trump sagte erst vor wenigen Tagen, welch ein wunderbares Stück „real estate“ Russland sei. Während die EU-Anführer und Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj in den vergangenen Tagen vor allem über Territorien sprachen, hatte die Russen ein anderes Thema als Nummer 1 für die Verhandlungen aufgerufen. Seit längerem zeichnet sich ab, dass das Schicksal der 300 Milliarden Dollar an eingefrorenen Reserven der russischen Zentralbank zu einem zentralen Thema in den Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine werden würde. Der Guardian schreibt: „Putin will Trump beim Ukraine-Gipfel finanzielle Anreize bieten“.

Der in Brüssel tätige russische Analyst Gilbert Doctorow wies im Podcast von Andrew Napolitano darauf hin, dass alle Seiten tunlichst bemüht seien, das Thema unter der Decke zu halten. Für Doctorow sind die 300 Milliarden Dollar der Dreh- und Angelpunkt eines möglichen Deals. Das Szenario, das seit den ersten Verhandlungsrunden in Riad diskutiert wird, sieht aus wie ein Immobiliendeal – also jene Art Geschäft, wie Trump es sein Leben lang betreiben hat: Russland bekommt die vier Oblasten, die es militärisch erobert hat. Die 300 Milliarden Dollar hat Russland längst abgeschrieben, wie die Berliner Zeitung aus dem Umfeld der Verhandlungskreise erfuhr. Sie könnten dafür eingesetzt werden, die zerstörte Ukraine wiederaufzubauen – und zwar zu etwa zwei Dritteln für jenen Teil, der dann noch von der Ukraine übrig ist, und zu einem Drittel für den Donbass. Der Deal wäre für alle Seiten vorteilhaft: Selenskyj könnte sich als Wiederaufbau-Held feiern lassen und den Kriegswitwen und Hinterbliebenen der zehntausenden gefallenen ukrainischen Soldaten eine Rente gewähren. Russland wäre zwar nicht der strahlende Sieger, sondern müsste indirekt für seien Aggression einen Pries zahlen. Doch die Territorien könnten sogar unter Mitwirkung der UN offiziell Teil der russischen Föderation werden. Zugleich würden auch russische Unternehmen Aufträge für den Wiederaufbau erhalten. Die EU-Staaten würden ebenfalls massiv vom Wiederaufbau profitieren und müssten sich nicht als blanke Gesetzesbrecher fühlen, die die Russen einfach kalt enteignet hatten. Donald Trump könnte in bilaterale Geschäftsbeziehungen mit Russland eintreten, einen Trump-Tower in Moskau errichten und weitere Punkte auf dem Weg zum Friedensnobelpreis sammeln.

Die Debatte über die Verwendung eingefrorener russischer Staatsvermögen hat seit Riad mit unterschiedlichen Vorschlägen an Fahrt aufgenommen. Ein erster Plan sah vor, Teile der Gelder für den Wiederaufbau auch jener ukrainischen Gebiete einzusetzen, die derzeit von Russland besetzt sind. Dies würde faktisch eine Rückgabe der Vermögenswerte an Moskau bedeuten, was Kiew strikt ablehnt, da es den Interessen der Ukraine und der Opfer russischer Aggression widerspräche. Seit Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 fordern ukrainische Vertreter die vollständige Übertragung dieser Mittel zur Finanzierung der Kriegsanstrengungen und zum Ausgleich der Kriegsschäden, während die G7-Staaten betonen, dass die Gelder eingefroren bleiben, bis Russland für die angerichteten Schäden zahlt.

In den vergangenen Jahren wurden zwar rechtliche Grundlagen für eine Beschlagnahme zugunsten der Ukraine erarbeitet, doch eine vollständige Umsetzung blieb aus. Stattdessen erhielt die Ukraine als Zwischenlösung Zinsen aus den Geldern und ein Darlehen von 50 Milliarden US-Dollar, das aus den Erträgen der Reserven zurückgezahlt werden soll. Beobachter vermuten, dass die eigentlichen Vermögenswerte dadurch womöglich für ein bis anderthalb Jahrzehnte unangetastet bleiben könnten. Mit den von den USA geführten Friedensgesprächen in Saudi-Arabien rückte nun jedoch die Möglichkeit in den Blick, Teile der Gelder auch in von Russland kontrollierten Gebieten einzusetzen – ein Ansatz, der als pragmatisch dargestellt, von vielen jedoch als gefährliches Zugeständnis an Moskau gewertet wird.

Ein zentraler Kritikpunkt an solchen Kompromissmodellen ist, dass sie die Prinzipien untergraben könnten, auf denen die internationale Reaktion auf Russlands Angriff basiert. Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Russland als Aggressor alle Kriegsschäden ersetzen muss – eine Position, die von der UN-Generalversammlung bestätigt wurde. Jeder Mechanismus, der Moskau direkten oder indirekten Zugriff auf seine eingefrorenen Reserven gewährt, würde den Druck auf Russland verringern und einen Präzedenzfall schaffen, der die Verantwortung für Kriegsschäden verwässert. Befürworter eines harten Kurses betonen, dass die Vermögenswerte ein wichtiges Druckmittel darstellen, um Reparationen durchzusetzen.

Internationale Experten und Institutionen haben hierzu unterschiedliche Warnungen und Empfehlungen ausgesprochen. Während manche, wie Laurence Tribe oder Bill Browder, eine ausschließliche Nutzung für ukrainische Bedürfnisse fordern, ohne territoriale Zugeständnisse, verweisen andere, wie Charles Lichfield, auf das Risiko für das Vertrauen in das internationale Finanzsystem. Vertreter wie Armin Steinbach und Gould-Davies sprechen sich für einen klaren Rechtsrahmen aus, der eine Rückgabe an Russland ausschließt, da dies sowohl rechtliche Normen als auch das Vertrauen in globale Finanzinstitutionen beschädigen würde.

Die Europäische Union, die den größten Teil der eingefrorenen russischen Zentralbankreserven verwaltet, unterstützt laut Berichten den Ansatz internationalen Entschädigungsfonds. Das kürzlich geschaffene Schadenregister für die Ukraine bildet die Grundlage für die Erfassung und Auszahlung berechtigter Ansprüche. Dieser Fonds könnte die EU zurück an den Tisch bringen und ihr einen Gesichtsverlust ersparen.

Wenn die EU und die Ukraine diesem Modus zustimmen, könnten schon bald wirtschaftliche Beziehungen zwischen den USA und Russland aufgenommen werden. Ein US-Konzern könnte dann die Pipeline Nord Stream 2 kaufen und den Europäern russisches Gas verkaufen. Wie ernst die Russen das Treffen nehmen, zeigt die Moskauer Delegation: Außenminister Sergey Lavrov, Finanzminister Anton Siluanov,  Verteidigungsminister Andrey Belousov, der Leiter des Russian Direct Investment Fund (RDIF) und Sonderbeauftragter für Investitions‑ sowie Wirtschaftszusammenarbeit Kirill Dmitriev und Präsidialberater Yury Ushakov werden Putin nach Alaska begleiten. Die hochkarätige Zusammensetzung dient dem Zweck, die Interessen Russlands aus unterschiedlichen politischen und ökonomischen Perspektiven umfassend zu vertreten. Die Delegationen werden sich im Anschluss an ein erstes bilaterales Gespräch zwischen Putin und Trump treffen, gefolgt von erweiterten Verhandlungsrunden im Rahmen eines Arbeitsfrühstücks, jeweils mit Dolmetschern.

Sollte der Grand Plan nicht aufgehen, dürfte der Krieg weitergehen. Die Amerikaner werden sich in diesem Fall jedoch zurückziehen. Die Verantwortung geht dann auf die Europäer über, die dann kämpfen und zahlen müssten, wie Jeffrey Sachs im Interview mit der Berliner Zeitung erläuterte.