Die EU-Kommission will schon im Dezember einen Preisdeckel für russisches Öl einführen. Am 2. September einigten sich die G7-Staaten inklusive Deutschland darauf und werben nun um Mitstreiter in Asien wie Indien, das mit verarbeitetem russischem Öl lukrative Geschäfte macht. Der Höchstpreis wurde allerdings noch nicht festgelegt.
Doch das genügt der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nicht. Sie dringt nun auf eine Preisdeckelung für russisches Gas und begründete den Vorschlag am Mittwoch mit den explodierenden Gaspreisen. Die Einnahmen Russlands müssten reduziert werden, Präsident Wladimir Putin nutze das Geld, um den Angriffskrieg in der Ukraine zu finanzieren, so von der Leyen. Die EU-Kommission plant parallel eine Deckelung auf die Gewinne der europäischen Stromunternehmen, doch diese sieht keinen Eingriff in den Preismechanismus.
Putin: „Wir werden nichts liefern“
Ob der russische Energiekonzern Gazprom, von Präsident Putin inoffiziell gelenkt, im Fall einer Preisdeckelung überhaupt noch Gas nach Europa liefern wird? Präsident Putin kommentierte das Vorhaben von der Leyens am Mittwoch am Rande des Eastern Economic Forum. Das Forum findet jährlich in Wladiwostok statt und soll ausländische Investitionen im russischen Fernen Osten sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit im asiatisch-pazifischen Raum fördern.
Putins Ansage: Russland werde keine Energie mehr an die Länder liefern, falls diese „politische Entscheidungen“ treffen würden, die den Lieferverträgen für Öl und Gas widersprechen würden. „Es gibt vertragliche Verpflichtungen. Sollten Entscheidungen politischer Art getroffen werden, die den Verträgen widersprechen, tja, wir werden sie einfach nicht erfüllen“, so der 69-Jährige. „Generell werden wir nichts liefern, was unseren Interessen zuwiderläuft. In diesem Fall wirtschaftlich. Wir werden weder Gas noch Öl, Kohle noch Heizöl liefern, wir werden nichts liefern.“
Doch das ist noch nicht alles. „Wenn jemand versucht, uns etwas aufzuzwingen, möchte ich darauf hinweisen, dass diejenigen, die uns etwas aufzwingen, nicht in der Lage sind, uns ihren Willen aufzuzwingen“, sagte Putin weiter. Dabei zitierte der Kremlchef in einer ihm charakteristischen Manier aus dem russischen Märchen „Über einen Fuchs und einen Wolf“, das fast allen Russen sehr gut bekannt ist. Es bleibe „uns“ nur eines übrig, so Putin, nämlich wie im berühmten russischen Märchen zu sagen: ‚Friere, friere, du Wolfsschwanz‘“.
In dem Märchen geht es um einen listigen Fuchs, der einen naiven Wolf ständig überlistet und dieser darunter leidet. So kann der Fuchs dem Wolf einreden, dass er mit seinem Schwanz im Winter in einem Eisloch Fisch fangen kann. Als der Wolf seinen Schwanz in das Eisloch senkt, zischelt der Fuchs: „Friere, friere, du Wolfsschwanz“. Als der Schwanz des Wolfs einfriert, läuft der Fuchs davon.
Putins Worte richten sich vor allem an die russische Bevölkerung
Man muss sich allerdings bewusst sein, das solche „Kampfansagen“ Putins an den Westen in der Tat dem Zweck der inneren Propaganda dienen. Es wird der Eindruck gepflegt, dass Russland stark genug ist und nichts durch die westlichen Sanktionen zu befürchten hat. Gazprom kassiert aktuell wegen der Rekordpreise für Gas in der Tat Rekordgewinne, doch die Exporte sinken bedeutsam, und es braucht viele Jahre, bis der asiatische Markt und vor allem China Europa als Kunden ersetzen können.
Auch die Kausalitäten werden von Putin auf den Kopf gestellt und falsch an die russische Bevölkerung kommuniziert. Einerseits haben die EU-Länder zu Beginn des Ukraine-Krieges selbst das Ziel gesetzt, langfristig auf russisches Gas zu verzichten. Das Projekt Nord Stream 2 wurde mit sofortiger Wirkung gestoppt. Andererseits reduzierte Gazprom immer wieder die Gaslieferungen nach Europa aus Gründen, die deutsche Politiker und Gazproms Geschäftspartner wie Siemens Energy nicht nachvollziehen können. Die Bundesregierung spricht in dieser Hinsicht von Erpressung.
Dazu fließt mit dem Stopp von Nord Stream 1 durch Gazprom wegen der vermeintlichen Ölleckagen bei den Turbinen sowieso kein russisches Gas mehr über die Ostseepipeline nach Europa. Es bleibt allerdings noch der ukrainische Transit: Täglich liefert Gazprom mit rund 42 Millionen Kubikmetern (Stand Donnerstag) rund 40 Prozent der vertraglich maximal zugesicherten Mengen über die Ukraine nach Europa. Die Slowakei, Österreich und sogar Deutschland erhalten dieses Gas, Deutschland zuletzt zwischen vier und neun Millionen Kubikmetern Gas täglich. Ein Teil davon bleibt auch in der Ukraine, bezahlt wird jedoch die Slowakei als Zwischenhändler und nicht Russland.
Der österreichische Russland-Experte Gerhard Mangott sieht einen weiteren Grund, warum es Russland lieber wäre, die Gaslieferungen als Reaktion auf den Preisdeckel einzustellen: Rechtliche Vorteile bei einem möglichen Rechtsstreit (vor dem Stockholmer Schiedsgericht). Allerdings bleibt es unklar, ob solch eine Initiative der EU-Kommission überhaupt durchgesetzt wird. Schon der Öl-Preisdeckel ergibt ohne Unterstützung großer Schwellenländer wie China und Indien nur wenig Sinn.



