Die Bundesregierung plant angeblich die Ausweisung zahlreicher russischer Diplomaten aus Deutschland. Das berichtete das russische Außenministerium am Samstag. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Aufforderung zur Ausweisung nicht, dementierte sie aber auch nicht. „Wir haben die Aussagen der Sprecherin des russischen Außenministeriums zur Kenntnis genommen“, hieß es laut dpa.
Ein Sprecher der russischen Botschaft in Berlin wollte sich auf Anfrage der Berliner Zeitung nicht äußern, verwies jedoch auf eine Stellungnahme des russischen Außenministeriums, in der es heißt, „die deutschen Behörden haben eine weitere Massenausweisung von Mitarbeitern russischer Auslandsvertretungen in Deutschland beschlossen“. Weiter heißt es: „Wir verurteilen entschieden dieses Vorgehen Berlins, das weiterhin die gesamte Bandbreite der russisch-deutschen Beziehungen, einschließlich ihrer diplomatischen Dimension, demonstrativ zerstört.“ Moskau zeigt sich „empört“, dass die Information über die Ausweisung nicht zuerst an das russische Außenministerium geschickt wurde, wie es eigentlich diplomatisch üblich sei. Stattdessen hätte die deutsche Regierung mit „kontrollierten Leaks“ gearbeitet, so das Ministerium.
Als „Reaktion auf das feindselige Vorgehen Berlins“ habe die russische Seite beschlossen, ihrerseits eine vergleichbare Ausweisung deutscher Diplomaten aus Russland vorzunehmen. Außerdem solle die Zahl der Mitarbeiter in deutschen Auslandsvertretungen „deutlich“ begrenzt werden. Dies hätten Berlin und Moskau allerdings bereits Anfang April besprochen, schreibt das Ministerium. Die Bundesregierung bestätigt laut dpa diese Gespräche.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass verweist auf einen Artikel im Magazin Focus, in dem es Ende März geheißen habe, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock plane, mehr als 30 akkreditierte russische Diplomaten zu Personae non gratae zu erklären. Laut Focus hätten deutsche Sicherheitsbehörden behauptet, dass diese Diplomaten ihren Diplomatenstatus nutzen, um sich illegal politische, wirtschaftliche, militärische und wissenschaftliche Informationen zu beschaffen, die anschließend für Sabotageakte und die Verbreitung von Desinformationen verwendet werden, so die Tass.
Wegen der Gespräche zwischen Deutschland und Russland über den Abbau der Auslandsvertretungen herrscht im Hinblick auf die aktuelle Meldung aus Moskau eine gewisse Verwirrung: Bereits Anfang April hatten diese Gespräche stattgefunden. Das Magazin Focus hatte ebenfalls Anfang April berichtet. Wenn der Focus-Bericht der Leak ist, über den sich das Moskauer Außenministerium empört – warum empört man sich erst jetzt darüber? Kann es sein, dass Moskau jetzt die Meldung lanciert hat, um Deutschland in die Defensive zu bringen? Üblicherweise wird eine reziproke Antwort nicht in der ersten Mitteilung bekannt gegeben. Gibt es andere Gründe, warum der Vorgang in Moskau jetzt plötzlich als Eskalation dargestellt wird?
Es ist jedenfalls unklar, ob die aktuelle Ausreise auf Grundlage der länger laufenden Gespräche stattfindet oder ob es sich um eine neue, überraschende Maßnahme handelt.
Es ist auch unklar, ob die Mitteilung des russischen Außenministeriums im Zusammenhang mit der Berichterstattung der Washington Post steht, die erst in dieser Woche für Aufregung auch in Deutschland gesorgt hatte: Das Blatt hatte berichtet, anonyme Geheimdienstquellen würden den Verdacht hegen, dass Russland in Deutschland eine „Querfront“ von AfD und Sahra Wagenknecht etablieren wolle. Unabhängig nachprüfbare Belege legten die vertraulichen Informanten der Zeitung nicht vor. Den Anschuldigungen zufolge soll es eine rege Aktivität von Russen in Deutschland in der causa gegeben haben. Der Kreml, die AfD und Wagenknecht sagten der Post, dass es keinerlei Kontakte oder derartige Absichten gebe.
Ob wegen des Berichts jetzt russische Geheimdienstleute abgezogen wurden, ist unklar. Es ist auch unklar, ob die Aussage des russischen Außenministeriums zur „ganzen Bandbreite der russisch-deutschen Beziehungen“ Beziehungen einschließt, die russische Diplomaten mit deutschen Politikern gepflegt hatten. Solche Kontakte sind nicht nur nicht verboten, sondern gehören zum Kerngeschäft der Diplomatie – sofern sie nicht vom Gastgeberland als Einmischung von außen gesehen werden. Kremlsprecher Peskow sagte der Washington Post, Russland hätte sich bisher nicht in die inneren Angelegenheiten Deutschlands eingemischt und habe „jetzt wirklich keine Zeit dazu“.
Die dpa berichtet, die Bundesregierung habe am Samstag bestätigt, dass ein russischer Sonderflug im Zusammenhang mit den Gesprächen von Anfang April stattgefunden hätte. Am Morgen sei eine russische Regierungsmaschine mit Sondergenehmigung von Moskau nach Berlin geflogen. Das Flugzeug vom Typ Iljuschin Il 96-300 soll am Nachmittag in der russischen Hauptstadt auf dem Flughafen Wnukowo gelandet sein. Es ist nicht bekannt, wer sich an Bord dieser Maschine befunden hat.
Das Flugzeug habe eine sogenannte Diplomatic Clearance gehabt, sagte ein Sprecher der Luftwaffe am Samstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Zur Fracht oder zu Passagieren machte er keine Angaben. Nachdem die EU im Februar 2022 die Flughäfen und den Luftraum der EU für alle russischen Luftfahrtunternehmen gesperrt hat, hatte auch Russland seinen Luftraum für Flüge aus der EU gesperrt. Ausnahmen sind aber mit Sondergenehmigungen möglich.



