Geopolitik

Baerbock verplappert sich: Nach der Wahl Milliarden für Ukraine

Eigentlich wollte die EU das Waffen-Projekt bis nach der Bundestagswahl geheim halten. Doch Annalena Baerbock ließ die Katze aus dem Sack.

12.02.2025, Paris: Annalena Baerbock spricht zur Presse, als sie vor den erweiterten Weimarer Gesprächen über die europäische Verteidigung und die Ukraine im Ministerium für Europa und Auswärtige Angelegenheiten (Quai d'Orsay) in Paris eintrifft.
12.02.2025, Paris: Annalena Baerbock spricht zur Presse, als sie vor den erweiterten Weimarer Gesprächen über die europäische Verteidigung und die Ukraine im Ministerium für Europa und Auswärtige Angelegenheiten (Quai d'Orsay) in Paris eintrifft.AFP

Die EU schnürt offenbar ein milliardenschweres Paket zum Ankauf für Kriegsgerät für die Ukraine. Bloomberg berichtet: „Europäische Regierungsvertreter arbeiten an einem neuen, umfangreichen Paket zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben und zur Unterstützung Kiews, während Präsident Donald Trump auf ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine drängt.“ Offenbar weiß man in EU-Kreisen, dass das ein heikler Plan ist. Bloomberg: „Die Ausgabenpläne werden erst nach der deutschen Wahl am 23. Februar bekannt gegeben, um Kontroversen vor der Abstimmung zu vermeiden, so über die Pläne informierte Regierungsvertreter.“ Einige ausgewählte EU-Staats- und Regierungschefs waren am Montag nach Paris eingeladen, um mit der Ausarbeitung ihrer Antwort zu beginnen, nachdem US-Regierungsvertreter in deutlichen Worten erklärt hatten, dass die USA von den Europäern Taten verlangen.

Doch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock preschte vor und gab schon mal einen Einblick auf die Größenordnung. Baerbock ließ durchblicken, dass es um etwa 700 Milliarden Euro gehen könnte: „Wir werden ein großes Paket auf den Weg bringen, das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat“, sagte Baerbock in einem Interview mit Bloomberg am Rande des Münchner Treffens. „Ähnlich wie beim Euro oder der Coronakrise gibt es jetzt ein Finanzpaket für die Sicherheit in Europa. Das wird in naher Zukunft kommen.“

In einer Rede auf Bloomberg Television am Montag sagte der litauische Verteidigungsminister Dovile Sakaliene, die „Erkenntnis, dass nicht die USA Europa verteidigen werden, sondern dass Europa sich selbst mit Hilfe der USA verteidigt“, werde die Sicherheitslage auf dem Kontinent dramatisch verändern. „Wir müssen schnell für die Verteidigung ausgeben, und zwar viel, Hunderte von Milliarden müssen sofort ausgegeben werden“, sagte sie. „Wir werden alle schnell handeln müssen, auch Deutschland.“

Nato-Generalsekretär Mark Rutte sagte, der europäische Vorschlag werde sich auf militärische Ausbildung, die Beschleunigung von Hilfsmaßnahmen, Waffenlieferungen und das konzentrieren, was Europa für Sicherheitsgarantien bieten könne.

Baerbock sagt in einem Statement zur Lage, Frieden werde es nur durch Stärke geben: „Dafür braucht es harte und langfristige Sicherheitsgarantien für die Ukraine, es braucht eine starke NATO sowie Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur Europäischen Union. Als Europäer, als Deutsche stehen wir fest an der Seite der Ukraine – mit militärischer, humanitärer, finanzieller Unterstützung. Seit der russischen Vollinvasion haben wir Europäer die Ukraine mit insgesamt über 134 Milliarden Euro unterstützt, Deutschland allein mit fast 44 Milliarden Euro.“ Die Stärke Europas „fußt, bei aller Unterschiedlichkeit, auf unserer Einheit. Ge- und entschlossen gehen wir gemeinsam von Paris nach München.“ Schließlich sagt Baerbock zu, mehr Geld in Rüstung und Militärgerät stecken zu wollen: „Als Europäer werden wir mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit tragen. Denn angesichts der existenziellen Bedrohung braucht es einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung, um unseren Frieden und Wohlstand zu sichern. Bei Corona haben wir gesehen, zu was Europa fähig ist. Es braucht erneut Investitionen, die der historischen Wegmarke, vor der wir stehen, angemessen sind. Nicht mehr - aber sicher nicht weniger.“ Bei Corona standen bei der Europäischen Union „724 Milliarden Euro verteilt über sechs Jahre als Corona-Wiederaufbauhilfe zur Verfügung, teils als Darlehen, teils als direkte Finanzhilfe“, wie die Tagesschau damals meldete.

Auch der polnische Premier Donald Tusk und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lassen keinen Zweifel, dass die Antwort auf Donald Trump mehr Geld für Rüstung ist: „Wenn wir Europäer jetzt nicht viel Geld für die Verteidigung ausgeben, werden wir gezwungen sein, zehnmal mehr auszugeben, wenn wir einen größeren Krieg nicht verhindern können“, sagte Tusk auf X. Bei ihrer Ankunft in Paris schlug von der Leyen, einen ähnlichen Ton an und schrieb auf X, dass „wir eine Dringlichkeitsmentalität“ und eine „Verstärkung der Verteidigung“ brauchen und „wir beides jetzt brauchen“.

Von der Leyen stellte  am Dienstag dem US-Beauftragten Keith Kellogg „Europas Pläne zur Ausweitung der Rüstungsproduktion und -ausgaben vor, um sowohl die militärischen Fähigkeiten Europas als auch der Ukraine zu stärken“, wie es in einer Mitteilung der EU laut Politico heißt.

Bei Bodentruppen sind sich die EU-Staaten noch nicht ganz einig: Polen lehnt einen Einsatz eigener Soldaten ab, Großbritannien und Schweden haben dagegen Bereitschaft signalisiert, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte, deutsche Soldaten wären eine Option, wenn der Rahmen stimme.

Der britische Premier sagte am Montagabend nach dem Treffen in Paris laut Politico, dass „die Europäer sowohl in Bezug auf die Ausgaben als auch auf die Fähigkeiten, die wir der Ukraine zur Verfügung stellen, nachlegen müssen“. Tusk sagte, die Beziehungen zwischen den USA und der EU in Sachen Verteidigung träten in „eine neue Phase“, da die Europäer die Notwendigkeit höherer Verteidigungsausgaben und größerer Eigenständigkeit erkannten. „Europa hat die Botschaft der USA verstanden, dass es selbst mehr tun muss“, sagte der niederländische Premierminister Dick Schoof.

Nach dem Baerbock-Vorstoß gab auch der grüne Außenpolitiker Anton Hofreiter am Dienstag unmissverständlich zu verstehen, dass hunderte Milliarden Euro notwendig sein würden, um die Pläne zu verwirklichen. Er sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Was es jetzt von der europäischen Führung braucht, ist eine große Investitionsoffensive, mit der die Ukraine nochmal mehr unterstützt werden kann und die Verteidigungsfähigkeit der EU zeitnah und effizient verbessert wird. Dazu braucht es einen 500 Milliarden schweren Verteidigungsfonds für die Unterstützung der Ukraine sowie für gemeinsame Rüstungsbeschaffung in der EU. Nur so können wir weiteren Krieg in Europa verhindern.“ (Update 18.2. 20.00 Uhr)

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte seine Unterstützung für den EU-Vorschlag, eine Notfallklausel auszulösen, um die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen, den von der Leyen letzte Woche auf der Münchner Sicherheitskonferenz forcierte. Nach diesem Vorschlag werden Länder für Militärausgaben von den Schulden- und Defizitgrenzen der EU befreit. Bis jetzt waren solche grundlegende Veränderungen der EU-Strukturen nicht möglich.

Ein neues Milliarden-Paket könnte, wie bei Corona, durch gemeinsame Schulden finanziert werden. Auch gemeinsame Schulden sind gemäß der EU-Verträge eigentlich verboten. Entsprechende Ideen werden allerdings längst ventiliert. Das Problem: Zahlreiche EU-Staaten haben wegen der milliardenschweren Corona-Hilfen mittlerweile Zahlungsschwierigkeiten. Sie müssen ihre Haushalte sanieren, was in der Regel nur auf Kosten der Sozialleistungen geht.

Auf dem Bondmarkt stiegen die Renditen für europäische Staatsanleihen am Montag, inklusive jener der Bunds, der deutschen Staatsanleihen. Das bedeutet: Investoren sehen es als riskanter an, in europäische Staaten zu investieren.

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