Geopolitik

Baerbock verpasst um ein Haar Abfahrt von Shinkansen

Beim G7-Gipfel ging es um China und Russland. Zuvor mussten die Grünen beim Kohleausstieg einen herben Dämpfer hinnehmen.

Tokio: Uniformierte Mitarbeiter der Central Japan Railway Company stehen kurz vor der Abfahrt des Zuges nach Karuizawa neben dem Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug.
Tokio: Uniformierte Mitarbeiter der Central Japan Railway Company stehen kurz vor der Abfahrt des Zuges nach Karuizawa neben dem Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug.Soeren Stache/dpa

Außenministerin Annalena Baerbock ist am Sonntag zu Beratungen der G7-Runde wirtschaftsstarker Demokratien verspätet in Japan eingetroffen. Mit ihren Amtskollegen reiste die Grünen-Politikerin am Sonntagnachmittag (Ortszeit) mit dem Schnellzug Shinkansen von Tokio in den etwa 175 Kilometer entfernten Tagungsort Karuizawa in der Präfektur Nagano.

Die Teilnahme von Baerbock an der Runde wäre jedoch um ein Haar geplatzt, wie die dpa berichtet. Die Nachrichtenagentur schreibt: „Da Baerbock wegen Verzögerungen bei einem Termin in Seoul und dem Abflug aus der südkoreanischen Hauptstadt etwa eine Stunde später als geplant in der japanischen Hauptstadt Tokio gelandet war, kam sie nur wenige Minuten vor Abfahrt des Sonderzuges im Bahnhof Tokio an.“ Der G7-Runde gehören neben Deutschland auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien an. Japan hat aktuell die G7-Präsidentschaft inne. Die Fahrt im Shinkansen war wichtig, weil die Beratungen bereits auf der Zugfahrt aufgenommen wurden.

Schon im Vorfeld musste die von Deutschland unterstützte Grünen-Fraktion unter den G7-Umweltministern eine herbe Niederlage einstecken. Vor dem Außenministertreffen hatten nämlich die G7-Minister für Klimawandel, Energie und Umwelt ihr zweitägiges Treffen in Sapporo beendet und bei diesem Treffen keinen Zeitplan für den Kohleausstieg beschlossen. Großbritannien und Frankreich hatten als neue Frist vorgeschlagen, die „ungebremste“ Kohleverstromung – bei der keine Maßnahmen zum Emissionsausgleich erfolgen – in den G7-Staaten noch innerhalb dieses Jahrzehnts zu beenden. Dies wurde von anderen Mitgliedern, darunter Japan und den USA, jedoch abgelehnt. Begründung: Der Ukraine-Krieg habe eine Energiekrise ausgelöst. Die Japan Times schreibt, ohne einen Zeitplan werde es das Ziel, die globale Erwärmung bis Mitte des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten, nicht zu erreichen sein. Immerhin beschlossen die Minister einen drastischen Ausbau der Offshore-Windkraft bis 2030.

Nach ihrer Ankunft im Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen trafen sich die Delegationen der G7-Mitgliedsstaaten in Karuizawa zu einem Abendessen hinter verschlossenen Türen, bei dem es insbesondere um das Verhältnis zu China gehen sollte. Peking hatte vor einer Woche ein dreitägiges Militärmanöver mit dem Namen „Vereintes Schwert“ rund um Taiwan abgehalten und dabei unter anderem Angriffe auf „Schlüsselziele“ und eine Blockade der Insel geübt.

Der japanische Regierungschef Fumio Kishida hatte mit Blick auf die Ukraine und Chinas wachsende militärische Aggressivität in der Indopazifik-Region wiederholt davor gewarnt, dass „Asien die Ukraine von morgen sein könnte“. Die beiden Konflikte könnten „nicht losgelöst voneinander diskutiert werden“, sagte ein japanischer Regierungsvertreter vor Beginn des G7-Außenministertreffens in Karuizawa.

Japan beteiligt sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs an den westlichen Sanktionen gegen Moskau. Zudem hat Tokio die Truppen Kiews mit Verteidigungsausrüstung unterstützt sowie ukrainische Flüchtlinge aufgenommen.

Neben dem Taiwan-Konflikt und dem Ukraine-Krieg soll es bei dem Außenministertreffen auch um die Krisen in Afghanistan und Myanmar gehen sowie um die Gefahr durch Nuklearwaffen. Im Mai wird Japan, das derzeit den G7-Vorsitz innehat, ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Hiroshima abhalten, das 1945 durch den Abwurf einer Atombombe durch die USA dem Erdboden gleichgemacht worden war. Nach dem Willen von Japans Regierungschef sollen dort Anstrengungen für nukleare Abrüstung ein zentrales Thema sein.

Annalena Baerbock hatte im Vorfeld des Treffens angekündigt, die Staatengruppe werde ihr „Engagement“ gegen Russland nachschärfen. Es gehe nun darum, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die „Entschlossenheit“ der G7 zu zeigen und zu belegen, „dass er seine Ziele auch nicht durch Zermürbung und Ermüdung erreichen wird“, so die Ministerin laut dpa. 

Die G7 hätten Russlands Aggression bislang „als Krisenteam im Dauereinsatz“ eine Schranke nach der anderen entgegengesetzt: mit der Winterhilfe für die Menschen in der Ukraine, mit den Russlandsanktionen und dem Ölpreis-Deckel, sagte Baerbock. „Mit unserer Unterstützung hat die Ukraine Russlands Energiekrieg und der Winteroffensive standgehalten.“

Die G7 seien „gemeinsam stark, weil wir ganz genau wissen, wofür wir eintreten: Für eine internationale Ordnung, in der Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht Vorrang haben vor dem Recht des Stärkeren“, sagte Baerbock. Man engagiere sich für wirtschaftliche Beziehungen, die nicht auf Abhängigkeiten setzten, sondern auf Fairness und gemeinsame Regeln für den Wettbewerb, fügte sie wohl mit Blick auf China an. „Als Demokratien sind wir dann erfolgreich im Systemwettstreit mit autokratischen Kräften, wenn unsere Partner und Freunde auf der ganzen Welt Vertrauen in uns haben.“ Es müsse vermieden werden, „dass unsere Einigkeit von anderen als Abgrenzung missverstanden wird oder dass neue Gräben aufgerissen werden“. (mit AFP und dpa)