Adler Group

Adler im Sinkflug? Ein Blick hinter die Kulissen eines undurchsichtigen Immobiliengeflechts

Die Adler-Group steht in den Schlagzeilen. Es herrscht Stillstand am Bau, Scheingeschäfte sollen getätigt worden sein. Es gibt Parallele zum Wirecard-Skandal.

Am Steglitzer Kreisel wirbt die Adler Group mit dem Bauprojekt „Überlin“.
Am Steglitzer Kreisel wirbt die Adler Group mit dem Bauprojekt „Überlin“.Volkmar Otto

Die Berliner Adler Real Estate AG war kürzlich von Razzien betroffen. Droht ein Wirecard-Skandal mit Betongold? Zumindest gibt es beunruhigende Parallelen. Und wie bei Wirecard gibt es Verbindungen zur Politik, meint unser Kolumnist Fabio De Masi, der sich sowohl mit Wirecard wie der Adler Group als erster Abgeordneter im Deutschen Bundestag kritisch befasste.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt sowie das Bundeskriminalamt (BKA) durchkämmten kürzlich das Berliner Tochterunternehmen der Luxemburger Adler-Gruppe, die zu den größten Immobilienkonzernen auf dem deutschen Markt gehört. Dabei wurden europaweit 21 Objekte von etwa 175 Beamten durchsucht. Darunter befanden sich Geschäftsräume, Wohnungen und eine Rechtsanwaltskanzlei – in Berlin, Düsseldorf, Köln und Erftstadt sowie in Österreich, den Niederlanden, Portugal, Monaco, Luxemburg und Großbritannien.

Adler-Gruppe – Unternehmen mit Tradition

Adler hat eine traditionsreiche Vergangenheit. Die Adler-Werke in Frankfurt am Main wurden zunächst mit Fahrrädern und später mit Schreibmaschinen bekannt. Die Tasten einer solchen Adler-Schreibmaschine wurden etwa von dem verzweifelten Jack Nicholson im 1980er-Jahre Horror-Streifen „The Shining“ des US-Regisseurs Stanley Kubrick in einer ikonischen Szene bearbeitet, wie Der Spiegel vor einiger Zeit erinnerte.

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Berliner Zeitung/Paulus Ponizak
ZUM AUTOR
Fabio De Masi war Mitglied des Deutschen Bundestages für Die Linke sowie des Europäischen Parlaments und machte sich dort bei der Aufklärung von Finanzskandalen – etwa um den Zahlungsdienstleister Wirecard – einen Namen. Er ist Kolumnist bei der Berliner Zeitung.

Mittlerweile hat Adler nur noch Wohnungen statt Schreibmaschinen. Aber es droht ein Wirtschaftshorror aus Schulden und Bauruinen. Einst verfügte Adler über 70.000 Objekte mit Schwerpunkt Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Darunter etwa der Steglitzer Kreisel in Berlin, das Areal der ehemaligen Holsten Brauerei in Hamburg sowie Objekte im Düsseldorfer Glasmacherviertel. Nunmehr sind es laut Adler „nur“ noch rund 27.500 Einheiten.

Wirecard mit Betongold?

Es ging bei den Adler-Razzien laut Staatsanwaltschaft Frankfurt um den Verdacht der Falschbilanzierung, Marktmanipulation und Untreue. Die Beschuldigten sind deutsche, österreichische und britische Staatsangehörige. Ihnen wird vorgeworfen, „die Bilanzen des Unternehmens unrichtig dargestellt oder hierzu Beihilfe geleistet zu haben“.

Zudem seien im Namen der Gesellschaft Beraterverträge abgeschlossen und Zahlungen hierzu angewiesen worden, für die es laut aktuellem Ermittlungsstand keine nachvollziehbaren Gegenleistungen gebe. Darauf stützt sich der Vorwurf der Untreue, da dem Unternehmen ein Vermögensnachteil entstanden sei. Zudem bestehe der Verdacht, dass Scheingeschäfte getätigt wurden, um Preise für Projekte in die Höhe zu treiben. Hierdurch solle eine günstigere „Loan to Value“-Kennziffer (das Verhältnis zwischen Kreditbetrag und Wert einer Immobilie) bezweckt werden. Diese Kennziffer ist eine wichtige Information für Anleger und hierauf stützt die Staatsanwaltschaft unter anderem den Vorwurf der Marktmanipulation.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Konzern in den Schlagzeilen ist. Die Adler Group erlitt im Jahr 2022 einen Verlust von knapp 1,7 Milliarden Euro. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hatte 2021 das Testat für die Bilanzen der Adler Real Estate mit Verweis auf mangelnde Informationen über Geschäfte mit Adler nahestehenden Personen verweigert. Auch eine Bestellung durch das Amtsgericht Charlottenburg für die Bücher des Jahres 2022 lehnte KPMG ab. Sämtliche andere großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hatten das Mandat ebenfalls abgelehnt, bis sich die Wirtschaftsprüfer Rödl und Partner bereit erklärten wenigstens die Adler Real Estate zu prüfen.

Zuvor hatte der Leerverkäufer Fraser Perring, der auch auf fallende Kurse der Aktien des insolventen deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard gewettet hatte, heftige Vorwürfe gegen das Unternehmen erhoben. Noch vor wenigen Wochen gestattete ein Londoner Gericht dem Konzern, unter Protest von Gläubigern Schulden in Höhe von sechs Milliarden Euro umzustrukturieren, um eine Pleite abzuwenden.

Berliner Immobilienpoker Steglitzer Kreisel

In der Hauptstadt tobt seit geraumer Zeit ein verworrener Immobilien-Poker von Projektentwickler Adler und Wohnungskäufern um den Steglitzer Kreisel („Überlin“). Wohnungskäufer fühlen sich geprellt.

Im Sommer 2017 kaufte der Immobilienunternehmer Christoph Gröner mit seiner CG-Gruppe zunächst das 120 Meter hohe Gebäude, um nach einer öffentlich finanzierten Asbestbeseitigung den Bau von 330 Eigentumswohnungen zu versprechen. Diese sollten Ende 2022 fertiggestellt sein. Zwischenzeitlich war sogar Altkanzler Gerhard Schröder als Berater für die Gröner-Gruppe aktiv.

Doch die CG-Gruppe wurde von der Consus Real Estate übernommen und in Consus RE AG umbenannt. Diese wiederum wurde kurze Zeit später von der ADO Properties kontrolliert, die in einer umstrittenen Fusion mit der Adler Real Estate verschmolz. So entstand die viertgrößte börsennotierte Wohnimmobiliengesellschaft in Europa mit einem Portfolio von zwischenzeitlich 14 Milliarden Euro und massiver Präsenz auf dem Immobilienmarkt in sieben deutschen Großstädten.

Gröner legte im März 2020 den Vorstandsposten nieder, bevor er sich im Gegenzug für 17 Projekte, die in das Eigentum der neuen Gröner Group GmbH übergingen, von seinen 25,1 Prozent Aktien an der CG-Gruppe trennte. Gröner hält laut der Homepage der CG-Gruppe weiterhin die Markenrechte an der Gesellschaft, betont seither jedoch „keinerlei gesellschaftsrechtliche und organschaftliche Verbindung von Christoph Gröner und seinen Gesellschaften zu der neuen Muttergesellschaft der Consus Real Estate AG, der Adler Group S. A., Luxembourg (vormals firmierend unter ADO Properties S. A.)“ zu unterhalten.

Auf der Baustelle am Steglitzer Kreisel tat sich seither nicht viel. Der Berliner Bürger André Gaufer hatte 2018 eine 68-Quadratmeter-Wohnung im 19. Stock des Kreisels erworben, die bis heute nicht fertiggestellt wurde: Zugesichert wurden ihm damals ein Südwestblick, ein Tiefgaragenplatz mit Elektro-Ladestation sowie ein Fahrrad-Aufzug. Der neue Eigentümer, die Adler Group, sah nun Vertragsänderungen vor: Es sollte keinen Tiefgaragenplatz mehr geben und keinen Fahrrad-Aufzug. Gaufer weigerte sich, der Vertragsänderung zuzustimmen und die Adler Group erklärte einseitig den Rücktritt vom Kaufvertrag. Gaufer klagte hiernach auf Erfüllung vor dem Berliner Landgericht und erzielte kürzlich einen Etappensieg.

Das jüngste Urteil ist wichtig. Denn Betroffene verdächtigen die Adler Group, eine Lücke im Bauträgerinsolvenzrecht systematisch auszunutzen, deren Schließung bereits die große Koalition versprochen hatte und deren Beseitigung vom FDP-Justizminister blockiert wird: Bauherren sichern sich hierbei Projekte, bzw. verkaufen Wohnungen vorab und borgen sich Geld für den Bau von Anlegern. Dann wird nicht zu Ende gebaut und Insolvenz angemeldet, um das Projekt in einer neuen Verwertungsstufe von einer neuen Firma billig aufzukaufen und dasselbe Spiel erneut zu beginnen. Darüber hinaus klagen Handwerker über unbezahlte Rechnungen von Adler-Töchtern, die sich zwischenzeitlich auf fast 80 Millionen Euro getürmt haben sollen.

Lesen Sie hier Teil 2 von „Adler im Sinkflug? Ein Blick hinter die Kulissen eines undurchsichtigen Immobiliengeflechts“ unseres Kolumnisten.

Transparenz-Hinweis: Fabio De Masi hat kürzlich auf einem Kongress der KPMG AG einen vergüteten Vortrag über Geldwäschebekämpfung gehalten. De Masi kritisiert davon unbenommen regelmäßig die Rolle und die Marktmacht der großen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzerne.