The Wizard of Vintage

Toller Koffer: Porsche und Rimowa launchen Luxusgepäck

Die neueste Porsche-Rimowa-Kooperation erzählt eine Geschichte weiter, die vor über 100 Jahren in Köln begann und bis heute andauert.

Der Handkoffer Pepita hat keine Räder und ist klein genug für den Kofferraum eines Porsche 911. In Berlin gibt es ihn zum Beispiel im Rimowa-Store auf dem Ku'damm 53. Kostenpunkt: 2250 Euro.
Der Handkoffer Pepita hat keine Räder und ist klein genug für den Kofferraum eines Porsche 911. In Berlin gibt es ihn zum Beispiel im Rimowa-Store auf dem Ku'damm 53. Kostenpunkt: 2250 Euro.RIMOWA

Saint-Rémy-de-Provence-Manchmal ist eine großartige Erfindung oder ein Design dem Zufall zu verdanken. Oder einer Notlage, wie im Fall Rimowa. Als im Zweiten Weltkrieg in der Aachener Straße in Köln die Fabrik von Richard Morszeck ausgebombt wurde, verbrannte alles, nur das Rohmaterial Aluminium überstand den Feuersturm. Die Richard Morszeck Warenzeichen GmbH oder kurz Rimowa genannte Firma fertigte fortan aus diesem Material seine berühmten Koffer, die „Made in Germany“ in aller Welt bekannt wurden.

Als Richard Morszeck die 1898 von seinem Vater gegründete Firma im Jahr 1931 übernahm, war er infiziert vom Geist des Bauhauses und dem technischen Fortschritt der Weimarer Republik. Er begann, mit Materialien zu experimentieren, die seine Koffer leichter und vor allem stoßfester machen sollten. Seine Idee, sich an der Außenhaut der leichten Junkers-Flugzeuge zu orientieren, hatten schon Marcel Breuer und Mies van der Rohe für ihre Möbelkonstruktionen des Bauhauses gehabt. Morszeck stabilisierte das dünne Aluminium später in der heute für Rimowa-Koffer charakteristischen Wellenstruktur und meldete 1950 das Patent an.

Kollaborationen mit Lufthansa und Porsche

Der Siegeszug der neuartigen Koffer begann mit dem Aufkommen des Massentourismus und der zunehmenden Überseereisen, denn das  Gepäck hielt sowohl Hitze als auch Feuchtigkeit stand. Der Praxisgedanke und die Innovation waren stets das, was für Rimowa bei allen Designs und technischen Verbesserungen im Vordergrund stand. Ob eine spezielle Verschlusstechnik, die sicher, aber leicht zu handhaben war, oder die Einführung des Polycarbonats im Jahr 2000 – Rimowa war stets ganz vorne dabei, wenn es darum ging, Innovationen marktfähig zu machen.

Rimowa Spezialkoffer sind beliebt in der Kreativbranche und werden gerne mit Aufklebern verziert.
Rimowa Spezialkoffer sind beliebt in der Kreativbranche und werden gerne mit Aufklebern verziert.Imago/Stefan M Prager

Schon bald wurde eine erste Kooperationen mit Lufthansa eingegangen, ein genialer Schachzug, denn niemand braucht strapazierfähiges Reisegepäck so sehr wie Piloten und Flugbegleiter. Tausende Lufthansa-Angestellte wurden mit Rimowa-Koffern ausgestattet und reisten damit um die Welt. Damit tauchten in sämtlichen Airports die prägnanten, silbernen Hartschalenkoffer aus Alu auf. Ein Werbefeldzug, der gleichzeitig die praktische Anwendung sowie das tolle Design international erfolgreich werden ließ. Nach Lufthansa folgten weitere Kooperationen im B2B-Bereich mit Porsche und später auch mit Porsche Design. Die Zusammenarbeit begann bereits 1998, damals konnten sich Geschäftskunden den Rimowa-Alu-Koffer passend zur Lackierung des eigenen Porsche bestellen.

Made in Germany

Rimowa sah sich damit zunehmend als Premium-Ausstatter für Vielflieger und Geschäftsreisende. Auch als Hersteller für Spezialkoffer, etwa Koffer für empfindliche Kameras und Objektive, macht sich die Firma einen Namen. Sämtliche Varianten wurden vollständig in Köln gefertigt, selbst die Spezial- und Einzelteile der Koffer wurden überwiegend in den eigenen Werkstätten vorgefertigt. Die Führung blieb in Familienhand, inzwischen hatte sie der Enkel Dieter Morszeck inne.

Dass Rimowa einmal zu einer Luxusmarke avancieren würde, haben sich die Kölner damals sicher nicht träumen lassen. Das Familienunternehmen war immer darauf bedacht gewesen, optimale Qualität anzubieten – zwar zu einem gehobenen, aber nicht abgehobenen Preis. Der Glamour der Luxuswelt interessierte die bürgerliche Familie Morszeck kaum. Doch irgendwann warf Bernard Arnault, der Chef des weltweit größten Luxusgüterkonzerns LVMH, ein Auge auf die Firma. Er hatte das Potential dieser wertbeständigen und einzigartigen deutschen Marke erkannt. 2017 erwarb die LVMH-Gruppe 80 Prozent der Firmenanteile, Arnaults jüngster Sohn Alexandre Arnault wurde zum CEO ernannt. Dieter Morszeck zog sich vollständig aus der Geschäftsführung zurück.

Vom Kölner Mittelklasse-Gepäck zum Luxuskoffer für die Fashion-Community

Danach wurden die Kernprodukte, Aluminiumkoffer und Polycarbonat-Koffer, zwar weiter angeboten, allerdings aus dem normalen Handel herausgenommen. Rimowa gibt es seitdem nur in eigenen Geschäften, im eigenen Online-Store sowie in ausgewählten Luxusboutiquen und Kaufhäusern oder Departmentstores. Die Preise sind seit der Übernahme deutlich gestiegen. Produziert wird weiterhin in Deutschland.

Früher das Gepäck des Mittelstands, heute der oberen Zehntausend: Rimowa-Koffer.
Früher das Gepäck des Mittelstands, heute der oberen Zehntausend: Rimowa-Koffer.RIMOWA

Zur Porsche-Zusammenarbeit, mit der Rimowa seit vielen Jahren erfolgreich ist und aus der heraus nun der erste Koffer für den Endverbrauchermarkt entstand, gesellten sich nach der Übernahme Marken-Kooperationen mit Supreme, Fendi und Christian Dior. Auch Virgil Abloh erkannte die technische Raffinesse des Polycarbonats und designte für Off-White durchsichtige Modelle, die den ganzen Kofferinhalt sehen lassen: Der Inhalt, also die Designerkleidung, für die gesamte Öffentlichkeit sichtbar – Understatement adieu.

Wer seine Reise lieber in Ruhe tätigt, das aber stilvoll, der wird wahrscheinlich einen Rimowa-Koffer bevorzugen, der blickdicht ist und schon ein wenig Patina hat. Exemplare lassen sich auf Vintage-Portalen wie zum Beispiel Vestiaire Collective erstehen. Denn: Nichts ist so toll wie ein Koffer, der schon viele Reisen hinter sich hat und wunderbare Geschichten erzählen kann. Und Rimowa-Koffer kennen viele Geschichten, weil sie so stabil sind.

PETER KEMPE führte ab 2000 mit seinem Partner Thomas Kuball den Hamburger Concept-Store Kuball & Kempe, der 2016 samt den Inhabern nach Südfrankreich umzog. Kempe kuratiert Ausstellungen, Publikationen und Auktionen mit Vintage-Design aus dem Luxusbereich. Modehäuser wie -museen beneiden ihn um sein Privatarchiv zu Stil, Stars und Looks der 70er- bis 90er-Jahre.