Saint-Rémy-de-Provence-Als Gaston Vuitton 1930 die „Keepall“ erfand, ahnte er nicht, das die Tasche einmal eine der erfolgreichsten Modelle des Hauses Louis Vuitton werden würde. Die praktische Reisetasche mit nur einem Fach und dem damals neuartigen Reißverschluss ist ein Raumwunder, das es heute in mehreren Größen gibt: 45 cm, 50 cm, 55 cm oder 60 cm lang als Weekender. Eine leichte Reisetasche zur damaligen Zeit auf den Markt zu bringen, als man noch mit Schrankkoffern oder sehr starren, meist schweren Koffern reiste, war eine Sensation. Gerade weil sich auch das Auto immer mehr verbreitete.
Das Modell Keepall gab es fünfzig Jahre lang nur in einer Ausführung, und zwar mit dem berühmten Louis-Vuitton-Monogramm. Das Material bestand zunächst aus mit Leim getränktem Leinen, 1962 erfand Vuitton dann das plastifizierte Baumwollmaterial, das bis heute verarbeitet wird. Die Tasche ist von so einer hervorragenden Qualität, dass sie einen das ganze Reiseleben begleiten kann. Mit meiner reise ich zufrieden seit mehr als dreißig Jahren.

Zur Qualität kommt hinzu, dass stets auf den ersten Blick erkennbar ist, dass es sich um Vuitton-Gepäck handelt. Einer der Meilensteine und erfolgreiches Fundament des Luxuskonzerns. Mit Einführung des „Damier“-Musters bekam die Tasche 1997 die erste weitere Variante, der erste Louis-Vuitton-Chefdesigner Marc Jacobs verhalf ihr in den folgenden Jahren durch Kooperationen mit Künstlern wie Stephen Sprouse, Takashi Murakami oder Yayoi Kusama zu Kultstatus. Plötzlich avancierte sie nicht nur auf Reisen zum Star, sondern wurde auch als Handtasche in die Streetwear integriert – und eroberte die junge Generation im Sturm. Limitierte Auflagen führten das erste Mal zu Warteschlangen vor den Vuitton-Geschäften. Virgil Abloh zeigte in jeder Schau mehrere Abwandlungen, ob mit Wolkenmotiv, in Supreme-Kooperation in knalligem Rot oder mit tief eingeprägtem Riesenmonogramm in Neonfarben.
Der Klassiker in seiner ursprünglichen Ausführung ist jedoch eine Anschaffung, die über jede Mode erhaben ist. Außerdem ist die Keepall eine durchaus lohnenswerte Investition, der Anschaffungspreis hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Als Vintage-Experte rate ich deshalb dazu, sich ein älteres Modell anzuschaffen, das sich bereits bewährt und ein bisschen Geschichte hat. Das Angebot ist groß, und auf Online-Portalen wie Vestiaire Collective, Rebelle oder auch eBay gibt es durchaus noch Schnäppchen. Fündig wird man auch bei speziellen Vuitton-Auktionen von Auktionshäusern (zum Beispiel Drouot, Paris). Natürlich muss man schon ein bisschen Geld in die Hand nehmen, aber dafür hat man dann ein Modell mit Patina auf dem Leder, der Montur und dem Griff. Als Besitzer eines solchen Exemplars wird man nicht als Newcomer entlarvt, sondern es wirkt, als hätte man sie immer schon besessen. Die Keepall ist eine der handwerklich am nachhaltigsten gearbeiteten Reisetaschen, die es gibt. In der Vintage-Version bleibt sie ein treuer und stilvoller Begleiter, an dem man viel Freude hat. Bon voyage!
PETER KEMPE führte ab 2000 mit seinem Partner Thomas Kuball den Hamburger Concept-Store Kuball & Kempe, der 2016 samt den Inhabern nach Südfrankreich umzog. Kempe kuratiert Ausstellungen, Publikationen und Auktionen mit Vintage-Design aus dem Luxusbereich. Modehäuser wie -museen beneiden ihn um sein Privatarchiv zu Stil, Stars und Looks der 70er- bis 90er-Jahre.



