Verbrechen auf Mallorca

Tod am Ballermann: Wer brachte den Bierkönig um?

Auch 25 Jahre nach dem Dreifachmord am Bierkönig von Mallorca, Manfred Meisel, und seiner Familie bleibt der mysteriöse Fall ungelöst.

Publikumsmagnet: Das Lokal Bierkönig in der Schinkenstraße. Mittlerweile gilt die Gaststätte aber nur noch als schwacher Abglanz, am Ballermann ist längst anderer Tourismus gefragt.
Publikumsmagnet: Das Lokal Bierkönig in der Schinkenstraße. Mittlerweile gilt die Gaststätte aber nur noch als schwacher Abglanz, am Ballermann ist längst anderer Tourismus gefragt.Imago/Hanno Bode

Wer einmal im November auf Mallorca war, weiß, dass es dort ähnlich trist wie in Deutschland ist. Die Touristen sind weg, die Hotels und Restaurants fast alle geschlossen, und es regnet oft und viel. In solch einer Nacht, am 12. November 1997, wurden der Inhaber des Bierkönigs, Manfred Meisel, sein Sohn und eine Angestellte in ihrem Haus ermordet.

Die Tat ging damals in Deutschland durch alle Medien, dem Rummel auf dem Ballermann tat sie aber praktisch keinen Abbruch. Gerade weil die Szene auf Mallorca überschaubar ist und in El Arenal praktisch jeder jeden kennt, ist es umso erstaunlicher, dass der oder die Mörder bis heute nicht gefasst sind. Ja, es nicht einmal eine ernst zu nehmende heiße Spur gab. Wie Manfred Meisel den damals größten Unterhaltungsschuppen der Insel aufgebaut hat, ist fast filmreif. Im Gegensatz zu den vielen Glücksrittern, die auf Mallorca mit viel Geld landen, um dann später die Insel mit wenig Geld zu verlassen, hatte Meisel den richtigen Riecher. Der Geschäftsmann aus Frankfurt am Main wanderte 1989 nach El Arenal aus, das damals schon fest in deutscher Hand war.

Im Frankfurter Bahnhofsviertel hatte Meisel mit seinem Vater ein Geschäft für seltene Papageien, die zu relativ hohen Preisen über die Ladentheke gingen. Diese Papageienzucht führte er auch auf seiner Finca in S’Aranjassa fort, in wesentlich größerem Maßstab. Über 2000 Papageien, oft importiert auf bizarren Wegen aus Südamerika oder Asien, lebten dort in Volieren. Kenner taxierten den Marktwert der Vögel damals auf rund zehn Millionen D-Mark. Das Dörfchen S’Aranjassa liegt zwischen dem Flughafen von Palma de Mallorca und El Arenal, eine Gegend mit vielen alten Windmühlen, von Touristen aber kaum beachtet.

Trauerkränze vor dem Lokal Bierkönig im November 1997
Trauerkränze vor dem Lokal Bierkönig im November 1997Imago/Hanno Bode

Meisel hatte, als er auf die Insel kam, einen Koffer voll Geld dabei, eine halbe Million D-Mark in Scheinen, und plante, ein Lokal zu kaufen. Schon zu dieser Zeit waren Residenten auf Mallorca – da machten die Deutschen keine Ausnahme – eine Spezies, die bisweilen die krumme Tour bevorzugten. „Kunden werden zunächst einmal danach taxiert, ob man sie abzocken konnte“, sagte ein gewisser Baron Manfred von Richthofen dem Spiegel 1997 zum Thema Geschäftsgebaren auf Mallorca. Und dass sich viele Mallorquiner angewidert von den Deutschen abwenden würden.

Eine neue Art von Open-Air-Tagsüber-Disco

Eher zufällig geriet Meisel an den Bierkönig und machte aus dem Lokal, das bis dahin mehr schlecht als recht lief, eine Goldgrube. Die Diskotheken, die zu jener Zeit an der Playa mit viel Aufwand öffneten, liefen alle nicht richtig. Aus dem einfachen Grund, weil kaum jemand, der tagsüber die Hitze aushalten musste, die Nacht in stickigen, geschlossenen Räumen verbringen wollte. So machte Meisel aus der Not eine Tugend: Den Bierkönig verwandelte er in eine neue Art von Open-Air-Tagsüber-Disco.

Die trinkfreudigen Gäste konnten schon vormittags einen zischen, dabei deutsche Schlager hören, mitsingen, feiern und Schlagerstars hautnah erleben. Der zum Lokal gehörende Biergarten fasst 10.000 Besucher, Dimensionen, die man in Deutschland kaum kennt. Die Lautstärke der Musik war oft am Limit, Meisel war sich bewusst, das die Beschallung eins der großen Lockmittel darstellte.

Der Laden war in der Saison jeden Tag brechend voll, und Meisel musste das Bargeld bildlich gesprochen in Säcken nach Hause tragen. Tagesumsätze von mehr als 60.000 D-Mark waren die Regel. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass dieses Geld nicht in seiner Gänze rechtmäßig bei den mallorquinischen Finanzbehörden versteuert wurde. Und dass Meisel nicht wenige Neider hatte. Natürlich rief der Erfolg des Bierkönig Nachahmer auf den Plan – 2000 eröffnete ein mallorquinisches Unternehmen den Megapark mit praktisch identischem Konzept in direkter Nachbarschaft.

Meisel wurde von seinem Umfeld als zurückhaltender, aber knallharter Geschäftsmann beschrieben, seinen Angestellten zahlte er eher geringe Löhne. Manche bescheinigten ihm aber auch eine aggressive Art, Freunde hatte er nur wenige. Es heißt auch, dass Meisel vor seinem Tod bedroht worden sei.

Raubmord ausgeschlossen

Trotzdem war es eine Überraschung, als die Angestellte Ilse Kaiser am Morgen des 12. November 1997 die drei Leichen in der Finca vorfand, liquidiert durch jeweils zwei Kopfschüsse durch Kopfkissen, wahrscheinlich um das Geräusch zu dämpfen. In Spanien sind die Morde schon verjährt, doch in Deutschland verjährt Mord nie.

Bleibt die Frage: Wer war es? Vermutungen reichen von der „Papageien-Mafia“ über private Beziehungen bis zu Schutzgelderpressern und Konkurrenten der Szene am Ballermann. Einer der Verdächtigen war ein gewisser Sven M., ein enger Vertrauter von Meisel und später der Freund von Daiana R., der Freundin Meisels. Doch der Verdacht konnte nie erhärtet werden.

Auf der Insel schossen die Vermutungen ins Kraut. Da die Polizei an mehreren Stellen der Finca Bargeld fand, angeblich mehr als 30 Millionen Peseten, schloss man Raubmord zunächst aus. Die Rede war dann von Schutzgelderpressern aus Deutschland, etwa aus der Frankfurter Unterwelt. Nach den Morden wurde im Bierkönig weitergefeiert, als ob nichts gewesen sei; nur ein paar Rosen am Eingang erinnerten an die grauenvolle Tat. Es sei pietätlos gewesen, erinnern sich ehemalige Angestellte wie Ute Schäfer-Tepper, die seit Anbeginn im Bierkönig am Tresen stand.

Nach Meisels Tod übernahmen mallorquinische Betreiber den Bierkönig und führten ihn gewinnbringend weiter, doch Insider meinen, damals wäre die „Ballermann-Mafia“ noch nicht sehr ausgeprägt. Heute gehört der Bierkönig Miguel Pascual Biblione, 77. Dem Geschäftsmann gehören auch das Oberbayern nebenan, die Hotelkette Pabisa und einige Tabledance-Läden auf der Insel. Biblione wurde 2015 festgenommen, der Vorwurf lautete Korruption.

Das geschah innerhalb einer Razzia gegen die Hells Angels, die auf Mallorca gut vertreten sind. Glaubt man den Bewertungen, hat das Niveau der Abfüllstätte beständig abgenommen. „Bedienungen absolut unfreundlich, behalten das Trinkgeld von sich aus ein, Toilette sieht aus wie Sau... und Wodka Lemon gibt’s nur noch in 500 ML und nicht mehr 1 L...“, schreibt ein Gast, der vor Kurzem dort war.