Rosa von Praunheim trägt einen türkisfarbenen Hut an diesem Nachmittag in der Tanzschule in Tempelhof, wo die Proben zum Musical „Die Bettwurst“ stattfinden. Die Adaption seines Films, der mittlerweile zu einem queeren Klassiker geworden ist wie „Nicht der Schwule ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ oder „Diese Zitrone hat noch viel Saft“ mit von Praunheims Lieblingsstar, der mittlerweile verstorbenen Lotti Huber, ist auf Wunsch der Bar jeder Vernunft entstanden, und von Praunheim konnte sich direkt begeistern für die Idee, die schräge Satire auf bundesdeutsches Spießertum aus den 70ern um seine Tante Luzi und den Stricher Dietmar als Musical zu produzieren. Das Musical hat am 8. September Premiere.
Rosa, Ihr Film „Die Bettwurst“ kommt im September als Musical auf die Bühne der Bar jeder Vernunft. Warum fiel die Wahl gerade auf „Die Bettwurst“?
Das kam auf Wunsch der Bar jeder Vernunft zustande, und da „Die Bettwurst“ einer meiner persönlichen Lieblingsfilme ist, war ich direkt Feuer und Flamme für die Idee. Ich habe ja bereits mehrere Stücke mit Musik auf die Bühne gebracht, wie zum Beispiel „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“ im Deutschen Theater vor rund fünf Jahren und „Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs“ im Jahr 2020. Ich habe also durchaus Erfahrung mit der „Vertonung“ meiner Filme und Texte. Die Musik kommt auch wieder von Heiner Bomhard, worauf ich mich sehr freue, und die Texte stammen natürlich aus meiner Feder.
Wie ist die Bühnenversion gestaltet?
Es ist natürlich nicht der komplette Film, den wir in der Bar auf die Bühne bringen, wir übernehmen die Struktur der Handlung und verknüpfen dafür 20 Songs, die Variationen der Handlung sind.

Ist es schwer, die Handlung in Songtexte umzuwandeln?
Nein, denn der Text schreibt mich, sozusagen. Der kreative Prozess besteht darin, dass ich das Medium für Texte bin und die Musik kommt von Heiner Bomhard, mit dem ich dann gemeinsam die Songs entwickle.
Es geht also wieder um Ihre Tante Luzi …
… die am Kai im Hafen von Kiel den Dietmar Kracht kennenlernt, einen arbeitslosen Stricher aus Berlin. Sie gehen ins Tanzcafé, er hilft ihr im Garten und im Haushalt und sie verlieben sich, was in der mittlerweile zum Kult gewordenen Liebesszene gipfelt. Und zu Weihnachten schenkt Luzi ihm die berühmte Bettwurst.
Würden Sie „Die Bettwurst“ als Ihren ersten Liebesfilm bezeichnen?
Nein, „Die Bettwurst“ ist natürlich ein Liebesfilm, aber in erster Linie als Parodie auf heterosexuelle Beziehungen in all ihrer Piefigkeit gedacht. Als Parodie auf die wirklich spießigen westdeutschen 70er und ihre ganze biedere Haltung gegenüber der Sexualität. Meine Tante Luzi und Dietmar Kracht spielten ihre Vorstellung dieser heterosexuellen Beziehungen einfach nach, was seinen Witz und Charme auch daraus bezieht, dass sie beide so besondere Typen waren.
Der Film ist eine Absage an deutsche Spießigkeit, und beide haben das mit unheimlich viel Spaß und Spielfreude gemacht. Meine Tante Luzi war eine sehr offene und zugewandte Frau und hat sich mit Dietmar, der ja aus dem Stricher-Milieu kam, sofort verstanden, hat sich sofort auf ihn eingelassen ohne Vorurteile. Sie war ja auch eine narzisstische Selbstdarstellerin, die die Arbeit vor der Kamera sichtlich genossen hat.

Er gilt als wichtiger Vertreter des Neuen Deutschen Films und wird auch den Autoren- und Avantgardefilmern zugerechnet.
Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Die Bettwurst“ (1971), „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971), „Ich bin meine eigene Frau“ (1992) und „Männer, Helden, schwule Nazis“ (2005). Von Praunheim lebt und arbeitet in Berlin.
Wer wird Luzi und Dietmar im Musical spielen?
Die von mir sehr verehrte Anna Mateur wird die Luzi spielen und Heiner Bomhard spielt Dietmar.
Sie werden im November 80 Jahre alt und sagten mal vor ein paar Jahren, dass Sie auch aus finanziellen Gründen jedes Jahr noch einen Film drehen müssen. Ist das noch so?
Ja, ich mache jedes Jahr einen Film. Ende September erscheint mein Film „Rex Gildo“, der auf eine Idee des RBB zurückgeht. Das fand ich sofort interessant, einen Film über einen verklemmten Schwulen zu machen. Zudem erscheint auch noch mein Roman „Hasenpupsiloch“. Es geht um einen jungen Mann, der in eine Wohngemeinschaft mit drei älteren Damen zieht, die er dann hinaus in die Welt schickt, um die Diktatoren dieser Erde zu entsorgen.
Der Schlagersänger Rex Gildo hat sich nie öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt, Sie haben damals Alfred Biolek und Hape Kerkeling im Fernsehen „zwangsgeoutet“. Würden Sie das heute noch einmal tun? Es gibt ja bestimmt eine Menge Schwule im deutschen Showbusiness, die nicht geoutet sind.
Nein, aber das war auch eine andere Zeit. Aber ich würde gerne mal die versteckten Schwulen in der katholischen Kirche outen, da hätte ich einiges zu tun. Ein furchtbar bigotter Verein, der von der Kanzel herab gegen Schwule wettert und in den eigenen Reihen wohl mehr Homosexuelle hat, als man sich vorstellen kann. Da wäre dringend mehr Liberalität angesagt.
„Die Bettwurst - Das Musical“ hat am 8. September, 20 Uhr, Premiere in der Bar jeder Vernunft und wird bis zum 2. Oktober aufgeführt.
Tickets für die „Die Bettwurst - Das Musical“ gibt hier es im Ticketshop der Berliner Zeitung.








