30 Jahre nach Woodstock haben die Macher um den Organisator Michael Lang das Festival Ende der 90er erneut aufgelegt. Es sollten drei tolle Tage werden in Rome im Bundesstaat New York mit den Tops Acts dieses Jahrzehnts, darunter Korn, Limp Bizkit, Red Hot Chili Peppers, Sheryl Crow, The Offspring und Fatboy Slim. Was es wurde: ein apokalyptisches Desaster mit Bränden, Vergewaltigungen und Plünderungen.
Am Ende kam die Bundespolizei
Die 250.000 Menschen, die auf dem Gelände einer Airbase zusammenkamen, sollten feiern und den Geist von Woodstock wieder aufleben lassen, so hatten es die Veranstalter sich erträumt. Doch Frieden und freier Liebe blieben eine Illusion, stattdessen musste die Bundespolizei das Gelände räumen. „Woodstock 99“ ging in die Geschichte ein als das schlimmste Festival aller Zeiten.
Netflix zeigt nun „Trainwreck Woodstock 99“ – und der Titel hätte es nicht besser treffen können: eine Mischung aus reiner Profitgier und Missmanagement brachte eine Viertelmillion Menschen auf nacktem Asphalt zusammen, versengt von einer brutalen Sommersonne und aufgeheizt von Drogen, Alkohol und dem Sound der Nu-Metal-Bands. Kein Schatten und zwölf Dollar für eine Flasche Wasser, eine explosivere Mischung ist kaum denkbar, und schon am ersten Tag des Festivals ist die Spannung zu spüren, die bedrohliche Stimmung einer wogenden, sich hochschaukelnden Menge.
Musiker werden mit Plastikflaschen beworfen, Bands flüchten nach ihren Auftritten direkt in den Tourbus und verlassen das Gelände, verunsicherte MTV-Moderatorinnen erzählen von der Feindseligkeit der Festivalbesucher, für die MTV alles darstellte, was sie hassten: Mainstreammusik für die Massen.
Schon beim Auftritt von The Offspring am ersten Tag wird klar, dass die Veranstalter bei der Wahl der Acts deren Krawallpotenzial unterschätzt hatten, als die Band auf der Bühne vor einem grölenden Publikum Puppen der Backstreet Boys verprügelt. Doch Schuldbewusstsein bei den Acts sucht man vergebens, allein Fatboy Slim und Korn-Sänger Jonathan Davis wirken reflektiert im Rückblick auf die Geschehnisse. Im Gegensatz zu Fred Durst von Limp Bizkit, der die Menge von der Bühne aus anstachelte und auch nach über 20 Jahren keine Mitschuld an den Vorkommnissen haben will, obwohl es während seines Auftritts zu Vergewaltigungen direkt vor der Bühne gekommen war.
Da war das Festival bereits aus dem Ruder gelaufen, ein fehlendes Sicherheitskonzept und ungeschulte Ordnungskräfte trafen nach Einbruch der Dunkelheit auf tobende und randalierende Gruppen, die alles in Schutt und Asche legten, plünderten, prügelten und am Ende nur von der Bundespolizei zu stoppen waren.
Was geblieben ist von „Woodstock 99“, ist ein auch heute noch bestürzendes Dokument, rückblickend von einem Festivalteilnehmer mit den Worten beschrieben: „Das ist hier wie bei ‚Herr der Fliegen‘“, in Anspielung auf William Goldings dystopischen Schulklassiker über den dünnen Firnis der Zivilisation und wie schnell dieser reißen kann.




