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„The Gray Man“: Barbies Ken in geheimer Mission

200 Millionen versenkt: Netflix' teuerste Eigenproduktion ist so aufwendig wie langweilig. Ein Thriller ohne jeden Charme und mit einem hölzernen Ryan Gosling.

Der Mann mit den zwei Gesichtern: Ryan Gosling ist der „Gray Man“.
Der Mann mit den zwei Gesichtern: Ryan Gosling ist der „Gray Man“.Netflix

Der Agententhriller „The Gray Man“ ist mit 200 Millionen Dollar Netflix' teuerste Eigenproduktion. Das Ergebnis lässt nur einen Schluss zu: Der Streaming-Dienst fürchtet, Kunden an Amazon Prime, Apple oder Disney Plus zu verlieren, erst kürzlich kündigten rund eine Million Netflix-Abonnenten. Nicht anders ist diese so uncharmante wie komplett durchschnittliche Produktion zu rechtfertigen.

Offenbar will man niemanden verschrecken und zugleich einem jüngeren Publikum die klassische Agenten-Soße servieren, die mit allen Zutaten der James-Bond-Reihe schon Dutzende Male aufgekocht wurde. Allerdings wesentlich schmackhafter.

Explodierende Postkartenmotive

Die Hauptrolle, den „Gray Man“, spielt Ryan Gosling, und damit fängt der Ärger an: Dem vollkommen zu Unrecht gelobten kanadischen Schauspieler, der passenderweise bald als Barbie-Lover Ken in die Kinos kommen wird, stehen genau zwei Gesichtsausdrücke zu Verfügung. Bei dem einen runzelt er ironisch-besorgt die Brauen, bei dem anderen kommen die Bewegungen beim Reden hinzu.

Nicht dass das von Bedeutung wäre. Die abgenudelte Geschichte käme auch komplett ohne Dialog aus: Agent Sierra Six (Gosling) ist ein ehemaliger Knacki, der im Gegenzug für seine Freilassung im Dienst des CIA Gangster meucheln muss und bei einer misslungenen Aktion den fiesen Machenschaften seines Dienstherren auf die Schliche kommt. Der CIA setzt daraufhin den so smarten wie fiesen Privatagenten Lloyd Hansen (einziger Lichtblick und mimisch begabt: Chris Evans) auf Sierra Six an. Was folgt, ist die übliche Jagd rund um den Globus, gedreht in Prag, Long Beach und auf Schloss Chantilly in Frankreich. Die Handlung spielt zudem in Hongkong und Wien, und da fiel den Machern wirklich nichts Lahmeres ein, als ihren hölzernen Agenten durch das kitschige Hundertwasser-Haus stolpern zu lassen, das natürlich in die Luft fliegt, so wie ständig irgendwas explodiert, abstürzt, einstürzt oder verbrennt. Dazu gibt es einen ordentlichen Bodycount und einen ständig sinistres Zeug plappernden Chris Evans, der dem Ganzen wenigstens einen Funken Glamour verleiht.

Der Rest ist pure Langeweile, untermalt von einem dröhnenden Score zu glatten Animationen, die wirken wie aus den 2000er-Jahren. Für eine Animation von Ryan Goslings Gesicht fehlte aber offenbar das Geld. So wünscht man sich inständig, dass diese fade Aneinanderreihung explodierender Postkarten-Motive, die man meist eh nur für Sekunden betrachten kann, endlich vorüber ist.

Aber es steht einem nach der Hälfte immer noch eine Stunde voll überdrehter Verfolgungsjagden, brennender Flugzeuge und explodierender Häuser bevor. Die übersteht Sierra Six natürlich alle glimpflich, um beim großen Showdown endlich seinem Gegenspieler und diesem müden Agenten-Thriller-Abklatsch ein Ende zu bereiten. Den vollständig betäubten Zuschauer peinigt während des Nachspanns indes schon die Furcht vor einer Fortsetzung von „The Gray Man“. Die literarische Vorlage von Mark Greaney hat immerhin eine ganze Reihe von Sequels. Und Netflix hat schon mit einer weiteren Folge gedroht.

The Gray Man, Netflix 2022, Spielfilm, ca. 120 Minuten

Wertung: 2 von 5