Die ganz sicher vorhandene Notwendigkeit, Energie einzusparen, treibt höchst seltsame Blüten: Da werden olle Keimschleudern wie der Waschlappen plötzlich wieder hochgejubelt oder auf Bibberniveau abgesenkte Raumtemperaturen und verkürzte Duschzeiten trophäenartig vor sich her getragen. Wir finden: bäh!
Schon besser, weil weniger bevormundend, dafür mit hoher Symbolik und konkret messbarem Einsparpotential, kommt da eine Maßnahme des Berliner Senats daher. Rund 150 Wahrzeichen und öffentliche Gebäude in der Stadt sollen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr beleuchtet werden. Die ersten Bauwerke in Mitte sind schon betroffen. „Der Anschlusswert aller Anstrahlungen beträgt ca. 100.000 W, der Stromverbrauch liegt bei ca. 200.000 kWh/Jahr, die Stromkosten belaufen sich auf ca. 40.000 € pro Jahr“, heißt es in schönstem Behördendeutsch aus der Umweltverwaltung.
200.000 Kilowattstunden Strom – das ist in Krisenzeiten wie diesen kein Pappenstiel. Nicht auszudenken, was man sparte, knipste man die Wahrzeichen-Beleuchtung nie wieder an! Wir haben Vorschläge, welche Sehenswürdigkeiten für immer im Dunkeln stehen oder gleich ganz weg können.
Licht aus im Lustgarten
Es lässt mein Gärtnerinnenherz höher schlagen, wenn ich lese, was im Lustgarten auf der Museumsinsel einst alles gedieh. Kurfürst Johann Georg ließ ihn 1573 als Nutz- und Küchengarten des Berliner Schlosses anlegen, sein Hofgärtner pflanzte Kräuter und Obstbäume. Man stelle sich das nur mal vor, nach einem Besuch des Alten Museums könnte man heute im Schatten der Bäume ein Äpfelchen pflücken oder ein Sträußchen Estragon abschneiden.
Vielleicht geht an dieser Stelle die Fantasie mit mir durch. Warum ist das blöde Schloss in all seiner betongewordenen Leibhaftigkeit wieder da, aber die Idee des Gartens wurde nicht aufgegriffen? Es muss ja nicht die Versorgung der Hofküche als historisches Vorbild dienen, man hätte sich auch von jener Epoche inspirieren lassen können, in der im Lustgarten nach niederländischem Vorbild Blumen blühten, Wasserspiele sprudelten und Laubengänge sowie Orangerien angelegt wurden.

Stattdessen haben wir jetzt ein paar Rasenfelder, einen Springbrunnen und eine Granitschale. Auch dies nach historischem Vorbild, schon klar, aber weder von „Lust“ noch von „Garten“ kann hier die Rede sein. Strom sparen ergibt an dieser Stelle wirklich absolut Sinn. Anne Vorbringer
Das Brandenburger Tor ist eine unnötige Selfiekulisse
Herzliches Beileid an alle Berlin-Touris, die Brandenburger Tor, Alex und Checkpoint Charlie abfrühstücken und danach ernsthaft glauben, den Spirit von Berlin aufgesaugt zu haben. Oh wei! Deshalb: Lasst uns das Ding abreißen! Oder zumindest unbestrahlt in den Schleier der Nacht hüllen.
Dann bleiben uns hoffentlich auch all die absurden Selfiesticks auf dem Pariser Platz erspart, die mit ihrer Stabhochsprungstablänge wie lächerliche Schwanzverlängerungen wirken – was natürlich super zum Größenwahn Friedrich Wilhelm II. passt, der sich mit seinem preußisch-neoklassizistischen Triumph-Törchen in die Tradition von Perikles stellen wollte.

Nebenbei bemerkt: Wenn das Brandenburger Tor erst mal weg ist, könnte dort die französische Botschaft eine Seitenhütte anbauen. Bisher gibt es dort nämlich nicht mal ein Büro, um ein Visum zu beantragen; dafür muss man von Berlin nach Frankfurt am Main kurven, zum Generalkonsulat. Ach, das ist sowas von Bonner Provinzrepublik. Also: Tor weg und zurück in die Zukunft! Stefan Hochgesand
Niemand braucht so viel Bühne – Ade, Deutsche Oper!
Dass sich Berlin drei Opernhäuser leistet, ist seit vielen Jahren ein Streitpunkt. Das hässlichste davon ist die Deutsche Oper. Die wurde ursprünglich als Gegenentwurf zum als veraltet angesehenen Programm der Repräsentationsbühne der Hofoper Unter den Linden angedacht. Das ist über hundert Jahre her, Charlottenburg war damals noch eigenständig und die Deutsche Oper so eine Art flotter Entertainmentgedanke.
Das Originalgebäude fiel dem Krieg zum Opfer und 1961 bekam die Deutsche Oper einen Neubau. Damals war das zeitgemäß, der Architekt des Hauses an der Bismarckstraße war Fritz Bornemann, ein legendärer Baumeister der Nachkriegsmoderne.

So, das reicht nun aber auch schon, denn heute wirkt der Charlottenburger Klotz so abweisend wie unschön, die Fassade protzig maskulin und zugleich altbacken. Ähnlich also dem wirklich aus der Zeit gefallenen Unterhaltungskonzept der Oper. Dass der Bau nicht mehr angestrahlt wird, ist also kein Verlust für niemanden. Belassen wir es doch dabei, vielleicht gibt es auch nach der Energiekrise ein paar schöne Ideen für eine neue Nutzung? Wie wäre es mit einem Parkhaus? Marcus Weingärtner
Niemand braucht eine Siegesgöttin mit Schuhgröße 92
Man denkt an die Liebe, man erinnert sich an die Hoffnung. Aber Krieg, nee, der kommt den wenigsten in den Sinn, wenn sie die Siegessäule besteigen oder den ihr zu Füßen liegenden Stern mit dem Auto umkreisen. Fast vergessen die preußischen Siege über Dänemark, Österreich und Frankreich zwischen 1864 und 1871, verdrängt die deutsche Großmannssucht der nachfolgenden Jahrzehnte. Eine feuervergoldete Siegesgöttin mit Schuhgröße 92? Das konnte nicht gutgehen. Mark Twain wusste es 1891 besser: „Das ist einer der unangenehmsten Engel, den ich jemals getroffen habe.“
Dann lieber Liebe und die Technojünger der Love Parade, die ab 1996 den größten Phallus der Stadt als Partykulisse auslutschten. Oder eben der Präsidentschaftskandidat Barack „Hope“ Obama, der 2008 nach Berlin kam und mit der fotogenen Siegessäule im Rücken predigte: „Dies ist der Moment, um unseren Kindern die Zukunft zurückzugeben. Dies ist der Augenblick, um Hand in Hand zu stehen.“ Tja.

Mit Liebe und Hoffnung lassen sich Pupillen weiten und Wahlen gewinnen, aber ein Krieg endet dadurch nicht. Die Siegessäule mit ihren erbeuteten Kanonen, dem martialischen Bronzerelief, sie wäre mehrmals schon fast abgerissen worden. Jetzt wird sie immerhin nicht mehr beleuchtet. Und wenn der Krieg endlich vorbei ist, könnte hier ein neues Denkmal entstehen. Vorschläge, anyone? Paul Linke
Weg mit den patriarchalen Plastiken!
Eigentlich machen sich die Herren ja ganz gut im Tiergarten. Markige Typen aus Bronze und Stein, Bismarck, Moltke, Wagner, letzterer im großen drapierten Mantel, die anderen beiden in schneidiger Uniform: Sinnbilder der martialischen Männlichkeit. Stoisch und stahlhart blicken sie des Nächtens auf die anderen Männer hinab; auf jene nämlich, die sich im Tiergarten verlustieren. Schon vor der Zeit der Weimarer Republik war Berlins größter Park als Treffpunkt für kopulierende Kerle bekannt. Und auch mehr als 100 Jahre später hat sich daran nichts geändert. Insofern wirken die drei Statuen ein bisschen wie die Türsteher eines Freiluft-Berghains, in dem es genauso lüstern abgeht wie im düsteren Techno-Original – Otto von Bismarck ist der Sven Marquardt des Tiergartens.
Aber genau das ist es ja: Männer, Männer, Männer. Solche, die nachts im Park zueinanderfinden; solche, die als eine Art Voyeur-Skulptur dabei zusehen. Zumindest nach Einbruch der Dunkelheit scheint’s im Tiergarten nur um Typen zu gehen. Aber nicht nur dort: Es ist ein Ärgernis, dass der überragend größte Teil der Denkmäler und Statuen berühmte Männer der Geschichte zeigt, während bedeutenden Frauen allenfalls eine kleine Plakette zugestanden wird. Verlässliche Zahlen zum prozentualen Verhältnis in Deutschland gibt es nicht, wohl aber können entsprechende Erhebungen aus Großbritannien eine Ahnung davon geben: Ausgerechnet im Reich der imposanten Herrscherinnen nämlich, in einem Land, an dessen Spitze wieder und wieder große Königinnen standen, sind weniger als drei Prozent der öffentlichen Statuen weiblich. Weniger! Als drei Prozent!

Nachgezählt hatte die britische Journalistin und Feministin Caroline Criado-Perez für ihr Buch „Unsichtbare Frauen“; ziemlich wahrscheinlich, dass es mit der skulpturalen Gleichstellung in Deutschland und mithin in Berlin nicht viel besser aussieht. Oder fallen Ihnen – mal abgesehen von namenlosen Symbolfiguren wie barbusigen Nymphen oder leidenden Trümmerfrauen – viele wunderbar weibliche Denkmäler in Berlin ein? Königin Sophie Charlotte am Charlottenburger Tor und Käthe Kollwitz am Kollwitzplatz – und außerdem?


