Wenn Sie regelmäßig auf Vintage-Plattformen nach gebrauchten Luxushandtaschen stöbern, dann ist Ihnen sicher schon einmal die Mombasa-Tasche untergekommen. Das Modell stammt aus der Tom-Ford-Ära bei Yves Saint Laurent. Ford entwarf die Tasche im Jahr 2002 für das Haus. Wer heute nach ihr sucht, wird das Modell in vielen Variationen finden. Selten ist es nun wirklich nicht – und die Preise für gut erhaltene Exemplare beginnen bei 250 Euro.
Vielleicht haben Sie sich auch genauso oft, wie Sie das schöne Modell mit dem Horngriff gesehen haben, gefragt, warum sie im Vergleich zu anderen Markentaschen so günstig angeboten wird. Hier kommt die Antwort: Zu Beginn des neuen Millenniums durchlebte die Luxusbranche eine unverhoffte Wende, an der eine Fernsehserie aus Amerika mitschuldig war. Auch Deutschland war betroffen: „Sex and the City“ wurde von 2001 bis 2004 auf ProSieben ausgestrahlt und erzählte von vier Frauen in New York, die sich ununterbrochen in teuren Kleidern und wechselnden Handtaschen präsentierten.
Die Serie löste den Trend der It-Bags aus. Die sogenannten It-Bags, also Taschen, die plötzlich alle haben wollten, gab es schon vorher. Doch der wirkliche Durchbruch des Phänomens wurde durch die vier TV-Fashionistas ausgelöst – und befeuert durch die populären Print-Modemagazine, die sich genau auf diesen Trend stürzten. In Deutschland war es vor allem die „InStyle“, die gefühlt in jeder Ausgabe eine Must-have-Tasche präsentierte. Der Haken für die Konsumentinnen: Die Modelle wurden saisonal immer wieder neu aufgelegt, was das Ganze für die Fashionistas natürlich enorm teuer machte.
It-Bags: Fendi machte es vor
Zu den ersten It-Bags gehörte die 1997 von Silvia Venturini Fendi entworfene Baguette-Bag, die so genannt wurde, weil sie wie ein Baguette unter den Arm geklemmt werden konnte. Das Modell ist heute ein Klassiker und boomte zu Sex-and-the-City-Zeiten in unglaublicher Weise. Nachdem Carrie und Co. sie in der Sendung ununterbrochen gezeigt hatten, stiegen nicht nur Nachfrage und Preise, sondern auch die Wartelisten für die Tasche wurden immer länger. Das in die Krise geratene Unternehmen Fendi sanierte sich komplett durch dieses Accessoire.
Andere Marken schauten sich das ab, und so boomte der It-Bag-Trend, weil alle plötzlich mit ständig wechselnden Rekord-Modellen antraten. John Gallianos Saddle-Bag für Dior gehörte ebenso dazu wie die Paddington von Chloé. Einem Designer kam der Trend besonders recht, und zwar Tom Ford. Der Texaner, der Gucci mit seinem revolutionären Studio-54-Stil zum wichtigsten Label der ausgehenden 90er-Jahre gemacht hatte, bekam ein Problem, als der damalige Gucci-Mutterkonzern Pinault das angestaubte, längst nicht mehr führende Haus Yves Saint Laurent übernahm.
François Pinault, der Chef des Unternehmens, bestimmte, dass Tom Ford neben Gucci auch die Kreativdirektion bei Saint Laurent übernehmen sollte. Das Angebot schlug er nicht aus, und so leiteten er und sein kongenialer CEO Domenico del Sole ein Unternehmen, das Pierre Bergé und Yves Saint Laurent zwar gegen viel Geld verkauft hatten, von dem sie sich mental aber nicht trennen konnten. Sie opponierten laufend aus dem Hintergrund gegen die neue Linie Fords und del Soles.
In der New York Times erklärte Yves Saint Laurent der Journalistin Anne-Marie Schiro:„Der arme Mann tut, was er kann.“ Saint Laurent war besessen von seiner eigenen Legende, es herrschte ständig ein offener Disput. Doch Tom Ford war wirtschaftlich durchaus erfolgreich, führte Saint Laurent in die Bedeutung zurück. Sein Parfum „Opium“ samt anzüglicher Kampagne mit Sophie Dahl sowie der Männerduft „M7“, für den der Boxer Samuel de Cubber in kompletter Frontalnacktheit posierte, knüpften an seine Gucci-Erfolge an.
Tom Ford fehlte bei Yves Saint Laurent ein Bestseller
Was Ford aber bisher fehlte, war ein Bestseller. Also schickte er mitten im It-Bag-Boom 2002 die Mombasa-Bag über den Laufsteg. Die Tasche war inspiriert von Yves Saint Laurents revolutionärer afrikanischer Kollektion 1967, die erstmalig den Einfluss und die Handwerkstechniken des ethnischen Afrikas in die Haute Couture brachte. Ford adaptierte den Griff aus einem natürlichen Büffelhorn und überführte ihn in eine moderne Form, kombiniert mit Metall. Die Tasche selbst war weich und geräumig und erinnerte in ihrer Erscheinung an Kalebassen, die zum Wassertransport genutzt wurden.
Was dann passierte, kam sicher auch für Ford überraschend. Die Mombasa löste einen derartigen Boom aus, dass die Produktion die enorme Nachfrage gar nicht befriedigen konnte. Schlangen bildeten sich vor den Boutiquen, im aufkommenden Internet wurden wilde, spekulative Preise von Wiederverkäufern aufgerufen. Tom Ford hatte mit der Tasche gesiegt, und die Saint-Laurent-Clique hatte das Nachsehen mit ihren Misserfolgsprognosen.
Warum hat die Mombasa-Bag keinen Wert auf dem Vintage-Markt?
Von ihrer Einführung bis Fords Abgang im Jahr 2004 kam die Mombasa-Tasche in immer neuen Varianten auf den Markt. Doch bei vielen Kundinnen landete sie schnell wieder im Schrank, weil die Tasche zwar schön aussah, mit ihrem harten Griff aber unpraktisch war und man sie nicht über die Schulter hängen konnte. Bald schon geriet die Tasche durch den Boom anderer It-Bags mit seinen ständig wechselnden Modellen in Vergessenheit, und die Nachfrage versiegte. Heute gibt es sie in unzähligen Versionen zu ausgesprochen günstigen Preisen von wenigen hundert Euro auf Portalen wie Vestiaire Collective zu kaufen.




