Am vergangenen Wochenende verstarb die Sängerin, Schauspielerin und die vor allem als existenzialistische Ikone des Pariser Rive Gauche bekannte Jane Birkin. 1969 sang sie mit der Skandalballade „Je t’aime … moi non plus“, die sie gemeinsam mit ihrem damaligen Lebenspartner Serge Gainsbourg aufnahm, eine wahre Hymne. Das Lied stand für die sexuelle Befreiung und damit für das Lebensgefühl einer ganzen Generation. Jahrelang kursierte das Gerücht, bei den Aufnahmen des Albums hätten Birkin und Gainsbourg realen Geschlechtsverkehr gehabt.
Birkin, als Tochter eines Royal-Navy-Offiziers und einer Schauspielerin im englischen Chelsea geboren, ging bereits Mitte der 60er-Jahre nach Paris, wo sie auch auf Gainsbourg traf. Schnell avancierte sie zum Star, vor allem des französischen neuen Kinos. Mit ihrer Zahnlücke, dem stets wie unfrisiert wirkenden langen Haar und ihrem androgynen Gesicht war sie genau der Typ, der in die wilde 68er-Revolutionszeit passte. Sie gefiel der Jugend, die mit den in Frankreich herrschenden, sehr bürgerlichen Idealen radikal brechen wollte.
Sie war – und das bis zum Schluss – eine intellektuelle Influencerin, Jahrzehnte bevor der Begriff überhaupt existierte. Ihr Lebenslauf wird vielen gar nicht bekannt sein, aber eines wussten in den späteren Jahren ganz gewiss alle: dass die Luxusmarke Hermès eine Tasche für sie erschuf und nach ihr bekannte, die „Birkin Bag“. Das beförderte die schöne Künstlerin endgültig in den Olymp der Stils.
Wie entstand die Birkin Bag von Hermès?
Doch wie kam es dazu? Jane Birkin war 1983 bereits Kult, als sie bei Hermès eine Tasche kaufen wollte. Sie stellte sich etwas vor, das ihrem lässig-nachlässigen Korb glich, den sie aus der Provence mitgebracht hatte. Es sollte keine „Hand“-Tasche im eigentlichen Sinne sein, sondern etwas, was einer Weekendtasche glich, in die man alles für den Tag hineinwerfen konnte – inklusive Wechselschuhen und Kosmetiktasche. Eine Art Kumpan für ihr Nomadenleben.
Jane Birkin und Hermès, das passte eigentlich zu der Zeit gar nicht zusammen. Hermès war in Frankreich lange Zeit eher eine Marke des gehobenen Bürgertums und der arrivierten konservativen Oberschicht gewesen. Aber auch revolutionäre Mädchen wie die Birkin wollten während des Erklimmens der Karriereleiter in England und Frankreich gern ein wenig etabliert wirken, wenn es um Qualität und Style ging.

Hermès hatte den „Sac Haut à courroies“ (hohe Tasche mit Gurten) im Sortiment. Das Modell existierte praktisch seit der Zeit, als die Mitglieder der Hermès-Familie noch klassische Sattler waren und Reiseutensilien für Kutschen produzierten. Später wurde das geräumige Stück mit dem kleinen Sicherheitsschloss zur Reisetasche und in den 70er-Jahren zum Weekender. Besonders in der Kombination Leder mit Leinen sowie in strapazierfähigem Kalbs- und Rindsleder war die Tasche stets einer der Bestseller des Hauses. Die Garbo reiste ebenso damit wie Douglas Fairbanks oder Diana Vreeland. Dieses Modell wurde nun zur Grundlage für Birkins Wunschtasche.
Die Birkin Bag erfand Jane Birkin selbst
Die Wünsche der prominenten Interessentin wurden sodann in den Hermès-Ateliers für Spezialanfertigung in eine weiche, knautschige Version aus schwarzem, robustem Leder gegossen. Zu den veränderten Proportionen des „Sac Haut à courroies“ kam außen ein Knebelverschluss. Innen wurde eine Schnur installiert, an der die Sängerin und Schauspielerin ihre Kosmetiktasche und den Haustürschlüssel binden konnte. Bekannterweise sind ja solche großen Taschen wie Schwarze Löcher, in denen viel verschwindet. Was an der Schnur hing, war stets griffbereit. Doch nicht nur praktisch war die Tasche, sondern auch wunderschön. Sie war so elegant wie lässig und sah geschlossen genauso gut aus wie geöffnet.

1984, also im darauffolgenden Jahr, konnte Jane Birkin die Tasche abholen. Von da an führte der Star sie von morgens bis abends mit sich. Das Gepäck für Abenteurerinnen ward erfunden. Heute etwa könnte man sich vorstellen, dass Caroline de Maigret (Influencerin und Birkin-Nachfolgerin im Geiste) sich so etwas machen ließe.
Weil Jane Birkin so zufrieden mit der Tasche und sie überhaupt so gelungen war, fragte Hermès später bei ihr an, ob man das gute Stück ins Sortiment aufnehmen dürfe. Der Rest ist Geschichte: Die Birkin Bag existierte fortan in drei Größen und verkaufte sich von Sekunde null wie geschnitten Brot. Bald schon erreichte sie die Verkaufszahlen des ewigen Hermès-Klassikers, der Kelly Bag – 1956 nach Grace Kelly benannt, als die sie als frisch fürstlich Verlobte trug.



