The Wizard of Vintage

„Le Smoking“ von Yves Saint Laurent: Emanzipation in Schwarz

Erst vor zehn Jahren wurde in Paris ein Gesetz gekippt, das Frauen verbot, Hosen zu tragen. Anlass genug, um über die emanzipatorischen Qualitäten des Smokings zu sprechen.

Modemacher Anthony Vaccarello und Muse Betty Catroux nach der Berliner Saint-Laurent-Show im Kraftwerk. 
Modemacher Anthony Vaccarello und Muse Betty Catroux nach der Berliner Saint-Laurent-Show im Kraftwerk. Saint Laurent

Es gibt Dinge, die kann man kaum glauben, wenn man im Jahr 2023 in Mitteleuropa lebt. So eine kuriose Geschichte geht mit der Entstehung eines Kleidungsstückes einher, mit dem Yves Saint Laurent 1967 eine Moderevolution auslöste: dem Smoking für Damen.

Und jetzt kommt’s: Erst vor zehn Jahren, nämlich am 31. Januar 2013, wurde eine mehr als 200 Jahre alte Verordnung gekippt. Sie verbot es Frauen, in Paris Hosen zu tragen. Erst auf die Anfrage eines Abgeordneten hat das französische Ministerium für Frauenrechte damals offiziell erklärt, dass diese uralte Verordnung wegen der Unvereinbarkeit mit der Verfassung nicht mehr anwendbar sei. Sie sei damit „ohne jegliche juristische Wirkung“.

Doch kommen wir zurück auf Yves Saint Laurents Smoking, der, wie man diese Woche bei der Berliner Saint-Laurent-Männerschau in der Neuen Nationalgalerie sehen konnte, ein fulminantes Comeback feiert. Aber ganz gemäß der heutigen Zeit ist er nicht nur bei Männern angesagt, sondern auch bei Frauen! Und eine steht dafür in ganz besonderer Weise.

Fast unscheinbar unter den nach Berlin angereisten Gästen befand sich eine Legende aus dem Saint-Laurent-Clan: Betty Catroux. Ihr Singnature-Look: ganz in Schwarz gekleidet, platinblond gefärbte lange Haaren, breitschultrige Smokingjacke, gerade Hose und spitzen Stiefeletten. Die 1945 geborene Catroux war schon Mitte der 60er-Jahre eine emanzipierte Frau, die als Hausmodel bei Coco Chanel arbeitete. Eines Tages fiel sie im legendären Nachtclub „Jimmy’z“ in Paris dem jungen Yves Saint Laurent auf, weil sie sich einen Teufel um bürgerliche Konventionen scherte. Genau solche unkonventionellen Frauen wollte Yves einkleiden und mit seiner gerade erfundenen Prêt-à-porter-Linie „Rive Gauche“ bedienen.

Die beiden freundeten sich an, und Betty wurde neben Loulou de la Falaise zu Saint Laurents einflussreichster Muse. Das ist der Grund, warum sie auch dem jetzigen Saint-Laurent-Kreativdirektor Anthony Vaccarello als Inspiration dient. Denn auch das Anliegen dieses Designers ist es ja, mit seinen Kreationen auf die Codes des Hauses Saint Laurent aufzubauen.

Aftershow-Party in Berlin: Betty Catroux ruft Anthony Vaccarello etwas ins Ohr. Was wohl so lustig daran ist?
Aftershow-Party in Berlin: Betty Catroux ruft Anthony Vaccarello etwas ins Ohr. Was wohl so lustig daran ist?Saint Laurent

Betty war schon zu Saint Larents Lebzeiten ganz in Schwarz gekleidet. Sie brachte sich Herrensmokings aus den 40er-Jahren vom Flohmarkt mit, und gemeinsam schneiderten die beiden Freunde diese für Frauen um. Als Saint Laurent den Smoking auch in seiner Haute-Couture-Kollektion thematisierte, löste das in der Modepresse Diskussionen um eine völlig neue androgyne Ästhetik aus. Nicht ganz unbeteiligt war daran der aus Berlin stammende Fotograf Helmut Newton, der die Entwürfe in seinen legendären Fotostrecken wunderschön verrucht inszenierte. Das Trio verwandelte so ein vorher den Männern vorbehaltenes Kleidungsstück in ein hocherotisches Symbol und machte es zum Symbol der Emanzipation der Geschlechter. Newton kannte die erste emanzipatorische Bewegung, als Frauen Frack oder Smoking trugen, schon aus dem Berlin der Vorkriegszeit – bevor er wegen seiner jüdischen Herkunft nach Australien emigrierte.

Betty Catroux gilt heute als enge Vertraute auch von Vaccarello. Vielleicht gelingt es ihm auch deswegen so gut, die Saint-Laurent-Codes in den aktuellen Kollektionen so elegant ins Jetzt zu übersetzen. Der Smoking ist dabei eines der wichtigsten Elemente, der – inzwischen geschlechterübergreifend – einen Bogen spannt zwischen Erotik und Formalität. Seine scharf geschnittene Silhouette, die schwarze Dominanz, das glänzende Satin wird so zum Symbol von Unabhängigkeit und Freiheit. Die jüngeren Saint-Laurent-Schauen haben es gezeigt: der Smoking ist zurück und für uns Modemenschen jetzt ein Must-have.