Nachtgesicher

Krieg im Feuilleton

Unsere Kolumnistin Hanna Lakomy beschäftigt sich mit der Frage der moralischen Werte in Kriegszeiten.

Unsere Kolumnistin Hanna Lakomy
Unsere Kolumnistin Hanna LakomyUwe Hauth

Seit kurzem wache ich morgens auf, und es ist Krieg. Nein, ich wache nicht im Krieg auf, ich habe Glück. Doch, ich wache im Krieg auf, weil wir alle im Krieg sind. Es ist auch unser Krieg. Nein, ich weiß nicht, was Krieg bedeutet. Nein, das ist nicht mein Krieg.  Doch, es ist ein Krieg gegen uns alle! Nein, wir sind ja nur Zuschauer. Wir dürfen nicht einfach zuschauen! Nein, wir sehen ja weg. Wir dürfen nicht wegsehen! Wir alle sind schuldig! Wir alle sind Opfer!

Ich will den Krieg vergessen. Ich möchte mein Leben genießen, als gäbe es kein Morgen. Aber vielleicht gibt es wirklich kein Morgen. Es gibt kein Glück des Augenblicks, wenn es keine glückliche Zukunft mehr gibt. Ich kann es auch nicht lassen, Nachrichten über Krieg und Politik einzusaugen. Das bin ich zu sehr gewohnt von der Corona-Pandemie. Nur dass es da zumindest objektive Wahrheiten gab, einen breiten Konsens der Wissenschaft. Jetzt gibt es keine Objektivität mehr. Unsere Welt hat sich verwandelt in eine Arena, in deren Zentrum ein blutiger Kampf um Leben und Tod, um Sein oder Nichtsein, um Wahrheit und Lüge tobt.

In der Arena

Wie ich auf die Tribüne geraten bin, und wo ich vorher war, wohin unterwegs, weiß ich nicht mehr. Es ist gelöscht aus meinem Gedächtnis. Wahrscheinlich war ich immer schon unterwegs zu diesem Stadion, auf die Tribüne hinauf, wo ich nun stehe, gemeinsam mit allen anderen, um mich mit ihnen zu vereinigen. Hier auf der Zuschauertribüne sind wir alle zusammen. Dabei sein ist alles, und alle sind dabei. Es gibt für uns nichts anderes mehr, als diesen wichtigen Kampf zu verfolgen, der über unser aller Zukunft entscheidet.

Der Feind war aufgetaucht aus dem Nichts, hatte zugeschlagen, das Stadion hatte sich über Nacht gebildet. Man rieb sich verwundert die Augen, die Welt war jetzt eine einzige große Arena. Mein Platz ist nur einer unter Hunderttausenden. Aufgeregt sah ich mich um, sah die schreienden Leute in der Fankurve, sah das Spielfeld, die Kämpfenden, die am Boden Liegenden, die Toten.

Das brutale Spiel besteht darin, sich gegenseitig zu töten. Das Spielfeld ist ein Käfig voller  Menschen, die aufeinander losgehen. Blut spritzt auf die Tribünen. Einen Schiedsrichter gibt es nicht. Das Publikum übernimmt seine Rolle. Die Punkte werden auf beiden Seiten unterschiedlich gezählt, denn es ist klar, dass der Gegner lügt – obwohl doch alle sehen können, was in dem Käfig geschieht! Es gib auch Reporter aus den Reihen der Zuschauer, die sich mit ihren Kameras bis an die Gitterstäbe heranwagen, um aus nächster Nähe Aufnahmen vom Spielverlauf zu machen. Auf großen Bildschirmen werden sie live übertragen. Schnell verbreitet sich der Schrecken über die Grausamkeit des Feindes, aber auch die Tapferkeit der Unsrigen, ihre Verluste, ihre Gefallenen.

In der Fankurve wird es lauter und lauter. Sie haben dort Megafone! Sie heizen das Stadion an mit ihren Sprechchören. Von dort kommen die Losungen. Ich erkenne bekannte Gesichter. Alle meine Freunde stehen dort. Sie setzen ein Zeichen. Ich will auch ein Zeichen setzen. Man darf nicht einfach nur zuschauen! Immer mehr Menschen drängen in die Fankurve, und ich, ich auch. Wer hier steht, steht richtig. Ich entfalte also mein Transparent. „Halt!“, steht darauf. Ich schrieb es hastig, aus tiefster Überzeugung. Was sonst sollte man wollen? Lasst die Menschen aus diesem Käfig heraus! Aber es ist die falsche Losung. Man wird aufmerksam auf mich, zeigt wütend mit Fingern. Wie geschieht mir? Sind nicht alle dafür, dass das aufhört? Dass dieser Käfig verschwindet? Und dass wir alle wieder etwas anderes tun können, das, was wir im Leben getan hatten, bevor wir hier im Stadion saßen, den Blick auf das Spielfeld gebannt? Ich erinnere mich vage, ich hatte doch irgendetwas vor, bevor ich in diesem Stadion war, mit seinem Spielfeld, seinen Zuschauertribünen und Bildschirmen. So kannst du nur denken, weil du sicher hier im Publikum sitzt!

Ich sehe jetzt, was die Losungen der anderen sind: Tod dem Feind! Bis zum letzten Blutstropfen! Die Tribüne hat ihre eigenen Helden und Stars. Ihre Transparente und Schilder sind besonders groß. Frieden oder Freiheit, ihr habt die Wahl! Sieg oder Tod! Nein, so könnt ihr nur denken, weil ihr sicher hier im Publikum sitzt, denke ich kleinlaut. Man belehrt mich: Der Gegner ist gefährlich. Er versteht nur die Sprache der Gewalt, jede Deeskalation sieht er als Schwäche. Er lügt, er hält sich nicht an Verträge. Und er wird nicht aufhören. Selbst wenn es danach aussieht, kann er jederzeit wieder anfangen. Frieden mit diesem Feind ist unmöglich.

Ich bemerke betroffen: Ich hatte das Spiel nicht verstanden. Ich bin ein Fremdkörper im Fanblock, ohne Fan-Trikot. Ich komme nicht mit, verstehe nicht, was auf dem Spielfeld geschieht. Wenn alle aufspringen, bin ich die, die sitzen bleibt und sich verwundert umschaut. Und drüben, der Gegner, bleibt ebenso sitzen wie ich. Was hat das wohl zu bedeuten? Ich bin wohl auf der Gegenseite? Statt die Unsrigen zu unterstützen, störe ich; statt zu juchzen, versagt mir die Stimme. Aber der Kampf ist zu schrecklich. Ich bin gegen diesen Kampf! Ich sei wohl für die Kapitulation? In der Fankurve gegenüber läuft es spiegelgleich ab, wenn jemand so wenig Begeisterung zeigt wie ich. Aber dort ergeht es solchen Fremdkörpern weit schlechter, nach allem, was man so hört. Dann lauf doch über zu denen, wenn du meinst, du gehörst dahin!

Einige – und darunter die mit den prächtigsten Transparenten – gehen davon aus, dass die Bösen, sobald sie gesiegt haben, als nächstes die Gitter niederreißen und die Menschen im Publikum anfallen. Um jeden einzelnen zu töten oder zu unterjochen. Sie wollen dieses Stadion zum Amphitheater ihres blutigen Triumphes machen. Niemand, niemand ist sicher vor diesem Feind, den die Unseren unten auf dem Kampfplatz gerade so in Schach halten! Darum muss der Käfig eher noch verstärkt werden, besser verschlossen. Man muss dankbar sein, dass es den Käfig gibt. Und auch, dass die Unsrigen mit im Käfig sind. Denn sonst würden sie ja fliehen, statt für uns den Feind zu bekämpfen. Wir müssen den Unseren alles geben, damit sie durchalten! Wir müssen ihnen die Waffen geben, mit denen sie den Feind vernichten können. Dieser Feind muss vernichtet werden. Pazifismus ist Selbstzerstörung. Niemand hat das Recht, Pazifist zu sein. Niemand kann wegsehen, als ginge es ihn nichts an.

Immerhin: Der Gegner ist nervös. Er hatte es schnell und heimlich hinter sich bringen wollen und war überwältigt von der heldenhaften Gegenwehr und davon, wie laut wir unsere heldenhafte Mannschaft anfeuern. Es gibt natürlich Drohungen: Eine Bombe sei im Stadion. Wir sollten das Stadion verlassen, unsere Mannschaft im Sticht lassen! Aber das, heißt es, sei ein Bluff. Niemals würde der Feind die Bombe zünden, es wäre ja auch sein eigener Untergang. Aber, raunt jemand, was, wenn die Bombe trotzdem explodiert? Durch den Lärm, den Tumult im Stadion? Sollten wir nicht alle lieber ganz leise sein und vorsichtig hinausgehen, möglichst auf Zehenspitzen?

Doch dieser wird niedergeschrien. Er sei wohl auf die Feindpropaganda hereingefallen. Die Angst ist doch die wichtigste Waffe des Feindes! Und wer diese Angst zulässt, ist ebenso gefährlich, ebenso ein Feind wie der Feind! Wir müssen laut sein! Alle! Der lauteste Claqueur enthüllt sein neuestes Transparent. Rasender Applaus. Die Losung: „Hass, Hass, Hass!“ Leuchtfeuer werden gezündet, Pyrotechnik. Emotionen schießen hoch wie bengalische Feuer. Drohnen sprühen Nebel mit Adrenalin. Alle sind längst high. Die Stimmen werden schriller. Mein Transparent liegt am Boden, es muss mir aus der Hand geglitten sein. Es wird achtlos zertrampelt. Wenn du den Feind nicht genug hassen kannst, dann bist du selbst dein eigener Feind! Und dann – hassen wir dich! Hassen oder gehasst werden. Töten oder getötet werden. Heute geschieht, was gestern noch unmöglich schien, und was morgen möglich ist, ahnen wir heute noch nicht mal!

Ich schwanke. Ich muss hier raus. Ich halte den Lärm nicht mehr aus, das Geschrei in der Fankurve. Ich kann nicht schreien. Die Angst schnürt mir die Kehle zu. Aber ich kann dieses Stadion nicht verlassen. Niemand kann das. Die Ausgänge sind verschlossen. Alle wissen es. Und alle wissen von der Bombe.

Noli me tangere

Was tue ich hier? Ich versuche, Abstand zu gewinnen. Aus innerer Distanz zu betrachten, was in den letzten Wochen mit allen passiert ist, die nicht im Koma lagen oder am Strand auf einer Insel ohne Internet. Falls es solche Inseln überhaupt noch gibt. Doch sogar auf der friedlich über uns schwebenden Raumstation wissen sie, dass wir jetzt im Krieg sind, und müssen sich irgendwie medienwirksam verhalten – jenseits des Planeten! Vielleicht gibt es einfach gar keine Distanz mehr, nicht mal vom Weltall aus.

Vielleicht habe ich nur noch nie eins in die Fresse bekommen. Alle lieben den Frieden. Zumindest behaupten sie das: Alle wären gerne gut. Aber schau, Kleines, die Welt da draußen ist böse, und gegen die Bösen kann man sich nun mal nur wehren, wenn man selbst mal kurz ein bisschen böse wird. Wenn man sie schlägt, bevor sie uns schlagen. Wenn der eigene Stock der längere ist.

Aber vielleicht könnte es eine pragmatische Herangehensweise geben. Man könnte relativ zügig zu einem nüchternen Agreement kommen, dass atomare Großmächte die Einflusssphäre der jeweils anderen respektieren, die Vorhöfe der Macht des jeweils anderen. Man teilt sich die Welt halt auf, zu zweit. Nein, zu dritt. Oder sind wir nicht sogar schon vier atomare Großmächte? Ja, es wird eng! Und das bei knapper werdenden Ressourcen, das ist nicht gut. Und nein, natürlich hat unter diesem Gesichtspunkt nicht jeder kleine Nationalstaat das Recht auf Bündnisfreiheit. Oder auch nur zur Selbstverteidigung, wenn es einer Atommacht nicht passt. Und wehe, sie geraten über so eine Lappalie in Streit, wie jetzt gerade. Es gibt kein Welt-Schiedsgericht, jedenfalls keines, das seine Urteile auch wirksam vollstrecken könnte. Man muss sich schleunigst untereinander einigen. Vielleicht gibt es ja bald Fortschritte bei den Verhandlungen, die den großen Krieg der kleinen Ukraine ganz unheroisch beenden. Schnödes Ende eines heiligen Kampfes um Freiheit. Es war ein Traum!

Vielleicht ist so eine nüchterne Haltung aber veraltet. Mit solcher Amoral kann man es nicht rechtfertigen, als Atommacht eine andere Atommacht auszulöschen. Ungeachtet des leidigen Faktums, dass es halt nicht geht. Weil man Russland vielleicht gar nicht endgültig besiegen, also vernichten, von der Landkarte tilgen kann. Aber vielleicht ist das auch gerade ein bisschen egal. Vielleicht leben wir in postfaktischen Zeiten. In Zeiten der Emotionen und der Empörung der Gerechten, die das nicht mehr dulden wollen, was sie für Unrecht halten. Engagement der Massen. Große Gefühle: Das ist ein Angriff auf unsere Werte! Das ist auch unser Krieg! Die Bilder spielen die Hauptrolle. Eine Flut von Bildern. Es gibt kein Entrinnen. Wer die Emotionen beherrscht, beherrscht die Welt der Menschen. Die Algorithmen unserer sozialen Netzwerke tragen dieser Tatsache Rechnung, und die Rechnung geht auf.

Vielleicht bin ich bloß zynisch. Vielleicht wehre ich mich nur gegen den Ansturm der Gefühle, die mich überwältigen würden. Gegen die emotionale Nötigung. Vielleicht wächst mein Widerwillen nur immer mehr, je schrecklicher die Bilder sind, die sich mir aufdrängen. Es ist nackte Erpressung. Vielleicht liegt es an meinem Leben als Prostituierte, dass ich überempfindlich reagiere auf moralische Erpressung und psychische Manipulation. Wenn man mich zu etwas drängt, was ich eigentlich nicht will.

Unsere Art zu leben ist bedroht! – Wo habe ich das schon mal gehört? Ach ja: nach dem 11. September 2001. 9/11. Krieg gegen den Terror. Wo es auch plötzlich angeblich jeden treffen konnte, jederzeit ein Terroranschlag denkbar schien. Damals war ich auch so deconnected, und die pflichtschuldige Betroffenheit wollte sich nicht einstellen bei mir. Bei dieser letzten Zeitenwende, die den Übergang vom Frieden in einen Krieg einläutete, aus dem keiner sich raushalten durfte. Nebenprodukt, oder vielleicht sogar die Hauptsache: Hass auf Muslime. Ein neues Feindbild: So frei sind die eben doch nicht von dieser Ideologie des Islamismus. Warum tragen die denn freiwillig Kopftuch? Wir wissen alle nicht, was wirklich im Koran steht. Wenn sie könnten, würden sie uns alle umbringen.

Und heute: Alle Russen sind unsere Feinde. Putin macht an der Ukraine nicht halt. Und morgen die ganze Welt.

Was folgt daraus? Dieser Krieg ist kein Krieg zwischen korrupten Oligarchen. Es ist ein Krieg zwischen allen bösen und allen guten Menschen, und die guten Menschen sind wir. Wir? Bin ich da etwa mitgemeint? Das Mitgemeintsein, das habe ich mir doch abgewöhnt. Ich, eine von den Guten? Ich, die ich doch beständig eure Wertvorstellungen verletze? Unsere Werte, eure Werte – welche Werte?

Westliche Werte?

Die Freiheit! Die Freiheit, natürlich. Die Ukrainer kämpfen für unsere Freiheit. Es gibt Freiheit zu und Freiheit von, beide sind sehr gut. Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit. Freiheit und Individualismus, statt Frömmigkeit und Gottesfurcht, das sind westliche Werte! Seit knapp hundert Jahren zumindest. Es war ja auch mal anders. Es galten auch mal Gott und Vaterland. Nun ja.

Freiheit des Individuums, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie – hieraus ergibt sich nicht nur die Voraussetzung für Forschung und Wissenschaft, sondern auch der Pluralismus, der Wert der Toleranz, die Grundlage der offenen Gesellschaft, in der so jemand wie ich ebenso einen Platz haben darf wie meine politischen Gegner aus dem rechtskonservativen Lager. Weil niemand recht hat – endgültig und allein –, haben alle die gleichen Rechte. Freude, schöner Götterfunken! Aber auch die Ukraine? Ist die denn schon soweit? In Sachen Rechtsstaatlichkeit? Egal, nobody is perfect, auch so mancher EU-Staat nicht. Im Westen glauben wir nämlich an das Recht auf Veränderung, auf persönliche Entwicklung, das Anerkenntnis der Veränderlichkeit, Wertvorstellungen in einer nicht abschließend definierbaren Welt.

Winzige Anmerkung: Letzteres gilt aber nur innerhalb unserer westlichen Gemeinschaft. Nur für uns. Nicht für unsere Feinde.

Der Feind hat nicht etwa andere Werte als wir. Keine, deren Wert wir anerkennen würden. Man spricht ihm überhaupt ab, Werte zu haben. Der Begriff westliche Werte ist irreführend, denn er impliziert, dass wir auch östliche, nördliche und südliche Werte kennen, mindestens. Aber wir kennen keine anderen Werte. Werte haben nur wir. Denn unsere Wert sind universelle Werte. Die Werte. Werte an sich.

Natürlich sind unsere Werte ständig im Wandel, weil unsere Gesellschaft sich ja moralisch immer weiter und höher entwickelt. Aber nach außen hin gilt immer der aktuelle Status Quo. Die Welt muss up to date sein mit unseren wechselhaften, aber stets universellen Werten. Wir im Westen dürfen Fehler machen und daraus lernen. Nur unser Irren ist menschlich und verständlich. Der Feind aber kann und soll auch nicht verstanden werden. Allein die Vorstellung wird nicht geduldet: Wer wollte ein Putinversteher sein? Es gibt nichts zu verstehen, außer, dass er das Böse ist. Und das Böse ist unergründlich.

Kriege, die der Westen führt, sind nicht der Kampf von gleichwertigen Wertesystemen gegeneinander, sondern immer der Krieg „der Menschheit“ gegen das Böse. Es gibt nur Verneinung und in der Konsequenz Vernichtung. Die Welt ist zu klein geworden, man kann einander nicht mehr ausweichen. Man ist ständig unmittelbar betroffen. Das Andere ist nicht mehr tolerierbar. Moralischer Relativismus ist nicht krisenfest, er ist die zarteste, neueste zivilisatorische Schicht, das reibt sich leicht ab bei geopolitischen Reibereien.

Niemals darf sich das Recht des Stärkeren durchsetzen gegen die Moral! Darum müssen wir Moralischen selber die Stärkeren sein! – Diesen Selbstwiderspruch kann nur aushalten, wer an universelle Werte glaubt. An das Gute an-sich. Und an das Böse an-sich.

Die Existenz des Bösen ist der Freibrief für den Westen, sich die Welt untertan zu machen. Wir haben ihn uns praktischerweise selbst ausgestellt, weil wir die einzigen sind, denen wir diese Autorität zugestehen. So und nicht anders macht man Imperialismus. Mit diesem Selbstverständnis.

Selbstverständlich ist es der Anspruch des Westens, die ganze Welt zum Guten zu bekehren, anstatt sich einfach nur ihre Ressourcen oder militärstrategisch günstige Inseln anzueignen. Letzteres tun wir nur so nebenbei.

Das Eigentum ist immerhin ein Wert, auf den sich alle einigen können. Wenn auch nicht darauf, was jetzt konkret wem gehört. Nicht die Freiheit, das Eigentums ist es, was ständig mit aller Gewalt verteidigt werden muss. Ohne Eigentum keine Freiheit, ohne Eigentum keine Sicherheit, ohne Eigentum keine Werte in einem Wertesystem, gestützt auf Waffenbesitz. Und alle wissen von der Bombe.