Mode

Vintage online shoppen: Die besten Adressen für gebrauchte Luxusmode

Leiden auch Sie unter Modemüdigkeit? Es gibt ein Rezept gegen das Phänomen „fashion fatigue“: Ein wohl kuratiertes Vintage-Angebot. Wir haben es für Sie gefunden.

Keine Lust mehr auf was Neues? Bei Loved by Chi gibt es gute Vintage-Ware, hier zweifarbige Slingback-Sandalen von Chanel.
Keine Lust mehr auf was Neues? Bei Loved by Chi gibt es gute Vintage-Ware, hier zweifarbige Slingback-Sandalen von Chanel.Chiara Kessler

Entschleunigung – das ist ein Begriff, der in den vergangenen Jahren auch von Modefirmen immer häufiger verwendet wurde. Befeuert durch Fragen der Nachhaltigkeit, aber auch der mentalen Gesundheit wolle man es künftig etwas ruhiger angehen lassen: weniger produzieren, mehr auf Reduktion und Langlebigkeit setzen.

Doch die Realität sieht nach wie vor anders aus. Der Modezyklus wird weiterhin von einer Schnelligkeit bestimmt, bei der kaum noch jemand mithalten kann; noch immer wird im selben Takt produziert, vermarktet und verkauft. Gleichzeitig hat das Paradigma des Immerneuen an Relevanz verloren; umfassende Trends oder Phänomene wie die It-Bag, die einfach alle haben wollen, gibt es nicht mehr. In der Mode ist heute irgendwie alles erlaubt – und wenn alles Trend ist, dann ist eigentlich gar nichts mehr Trend.

Die Diagnose? „Fashion fatigue“, die „Modemüdigkeit“, die zum Phänomen geworden ist. Die Mode und ihr System werden von mehr und mehr Menschen als nur noch anstrengend empfunden. Die konstante Flut an Neuem, auf dem Laufsteg, in den Geschäften und sozialen Medien inspiriert nicht mehr – sie erschöpft nur noch. Und wenn ein Teil in zwei bis drei Monaten sowieso seinen fashion appeal und somit seinen Reiz verliert – warum überhaupt noch investieren?

Doch es gibt ein Gegenmittel für diese maladie, diese kränkliche Skepsis allem Neuen gegenüber: Secondhand- und Vintage-Mode. Die Popularität von einschlägigen Plattformen wie Vestiaire Collective oder Vinted zeigt, wie groß die Lust von Konsumentinnen und Konsumenten nach besonderen Teilen aus zweiter Hand ist. Nach Ware, die eben nicht massenhaft im nächsten Store verfügbar ist. Gebrauchte Mode macht es möglich, sich individuell und modisch zu kleiden, ohne ständig den neuesten Produkten und Kollektionen hinterherzujagen. Und längst gibt es auch abseits der großen Platzhirsche wie Vestiaire und Vinted clevere Apps und Angebote, die sich ganz dem Handel mit schön-alter Kleidung verschrieben haben. Und: Dem strengen Kuratieren des eigenen Angebots.

Sourcewhere: Andere nach den Lieblingsteilen suchen lassen

Auch die App Sourcewhere aus London zum Beispiel funktioniert wie ein digitaler Marktplatz für alte, aber vor allem für vergriffene Modeartikel. Userinnen und User können über die App ein bestimmtes Teil, das es nicht mehr regulär zu kaufen gibt, anfragen, sozusagen eine Fahndung ausschreiben. Diese Anfrage wird dann an ein breites, internationales Netzwerk an sogenannten Sourcing-Expertinnen und -Experten weitergeleitet, deren Job es ist, den Artikel in Geschäften, bei Händlern oder aber privaten Verkäuferinnen und Verkäufern ausfindig zu machen.

Ist die Suche erfolgreich, bekommen die Userinnen und User eine Nachricht und können den Kauf direkt über die App abwickeln. „Unsere Kundschaft besteht vorwiegend aus Sammlern, die es auf ganz spezielle Produkte einer Marke abgesehen haben“, erklärt Erica Wright, die Sourcewhere 2022 lancierte. „Sie haben vorher nach diesem Produkt recherchiert, können es aber selbst nicht finden und wenden sich dann an uns.“ Wright selbst arbeitete vorher für große E-Commerce-Plattformen wie Net-a-Porter und Mytheresa.

Bei Sourcewhere lassen sich zwar auch Teile der aktuellen Saison anfragen, die App ist aber insbesondere für diejenigen spannend, die auf der Jagd nach ganz bestimmten Teilen aus vergangenen Designer-Kollektionen sind. Als Beispiele nennt Wright „Old Céline“-Entwürfe – solche also, die noch aus der prägenden Ära stammen, in der Phoebe Philo die Kreativdirektorin des Labels war. Auch Vintage-Hermès liefe auf ihrer App besonders gut, zu den gefragtesten Brands gehörten außerdem The Row, Miu Miu, Jil Sander und Khaite.

Mehr als je zuvor würde heute Altes mit Neuem kombiniert, so Wright. Eine Entwicklung, die sie mit ihrer App begleiten wolle. Und: „Kunden achten immer mehr auf Qualität und begreifen, dass Vintage-Teile abgesehen von ihrer Langlebigkeit über Jahre hinweg auch an Wert nicht verlieren.“

Cop Me If You Can: Archive-Stücke direkt über Instagram kaufen

Das sieht auch Leon Teke so. „Mit keinem anderen Konsumgut hat man die Möglichkeit, es bei guter Pflege auch nach Jahren noch zum gleichen Preis zu verkaufen“, sagt der Berliner. Teke steht exemplarisch für ein weiteres Geschäftsmodell, das mehr und mehr Schule macht: der Verkauf eines sorgsam kuratierten Vintage-Sortiments direkt über Instagram.

Cop Me If You Can, kurz CMIYC, heißt sein Account, den er während seiner Zeit als Erasmus-Student im norditalienischen Bologna gründete. „Cop“ bedeutet so viel wie „schnappen“ oder „ergattern“ – eine Referenz an die insbesondere im Sneaker- und Streetwear-Segment oft verfolgte Strategie, Kollektionsteile in einzelnen Drops auf den Markt zu bringen, sie künstlich zu verknappen und somit die Nachfrage zu steigern.

Auf seinem Instagram-Account veröffentlicht Teke Bilder von Luxusmodeartikeln aus zweiter Hand, die ganz einfach per Direktnachricht erworben werden können. Sein digitaler Shopping-Katalog enthält gut erhaltene Vintage-Schätze von Marken wie Prada, Miu Miu, Dior oder Jean Paul Gaultier, vorwiegend aus den prägenden 90er- und 2000er-Jahren.

Darunter zum Beispiel ein minimalistischer, knielanger Rock aus grau-melierter Wolle mit versetztem Reißverschluss; er kommt aus der Herbst/Winter-Kollektion 1999 von Prada und kostet bei Teke 390 Euro. Auch eine enge schwarze Lederhose mit seitlichen Schnürdetails für 550 Euro gibt es bei CMIYC; sie stammt von Christian Dior – und zwar aus dem Jahr 2002, als noch der exaltierte John Galliano Kreativchef der Marke war. Wer bei CMIYC shoppt, kauft nicht nur Secondhand, sondern auch ein kleines Stück Modegeschichte.

Auch für Teke selbst ist das wichtig. Das zeigt sich daran, dass alle Produkte auf seinem Account mit detaillierten Informationen zu ihrer Herkunft und der Saison, in der sie vorgestellt wurden, versehen sind. „Archive Fashion“ nennt man so etwas – die Königsklasse der Vintage-Mode. Konkret handelt es sich um Laufsteg-Looks einer Marke, die exemplarisch für eine prägende Zeitperiode oder die Arbeit einer gefeierten Designerin oder Designers stehen.

„Je mehr ich über ein Teil herausfinden kann, desto aufregender ist es für mich“, sagt Teke. „Zu recherchieren, wie ein Kleidungsstück auf dem Laufsteg präsentiert wurde, an welchem Model es zu sehen war oder wie es in einer Kampagne oder einem Editorial gestyled wurde, kann mich stundenlang beschäftigen.“ Dafür stöbere er im Netz nach möglichen Videoaufnahmen der Show oder suche in alten Magazinen nach Referenzen.

Loved by Chi: Seltene Taschen, Schuhe und Lingerie finden

Eine Leidenschaft für ikonische Modeteile, die auch Chiara Kessler teilt. Die studierte Kommunikationsdesignerin lancierte 2018 einen Account auf Instagram – ein Jahr später wurde aus Loved by Chi ein eigener Onlineshop mit Sitz in Ludwigshafen. Anfangs bot Kessler vorwiegend Vintage-Jeans und -Bekleidung an, mittlerweile hat sie sich auf Schuhe und Handtaschen großer Modemarken sowie Lingerie, etwa romantische Négliés oder Spitzen-Bustiers spezialisiert.

Wie bei Teke wurde die Leidenschaft für gebrauchte Mode auch bei Kessler in Italien entfacht. Für ihre einzigartigen Fashion-Funde stöbert sie etwa auf Flohmärkten in Lecce oder Ostuni in der Region Apulien. Zu ihrem Fundus gehören etwa zweifarbige Slingback-Sandalen von Chanel für 465 Euro, schwarze Saddle Boots aus Leder von Dior für 650 Euro oder Kitten-Heel-Mules aus Denim von Miu Miu für 185 Euro.

„Zu Beginn habe ich nur für mich und Freunde Vintage-Teile geshoppt“, erzählt Kessler. „Mit der Zeit häufte sich aber so vieles an, dass mein Kleiderschrank aus allen Nähten platzte.“ So kam ihr die Idee, erstmal Platz zu schaffen, also Teile zu verkaufen, bevor sie neue alte Mode anschafft. Um unabhängig von Resell-Plattformen wie Ebay oder Vinted zu bleiben, entschied sich Kessler für den direkten Verkauf über Instagram. „So konnte ich meine eigenen Shop-Regeln aufstellen“, sagt Kessler.

Neue Produkte stellt sie nicht jeden Tag, sondern monatlich nach dem Drop-Prinzip online. Im Voraus – und für den Spannungseffekt mit einer Countdown-Funktion ausgestattet – wird auf dem Profil angekündigt, wann eine neue Ladung an Vintage-Schätzen verfügbar wird. So können Interessierte schon im Vorhinein das Angebot studieren, um im richtigen Moment schnell sein zu können. Das ist auch eine gute Idee, denn alle Pieces gibt es schließlich nur einmal – und meistens sind sie innerhalb von Minuten ausverkauft.

„Meine Kundinnen möchten sich abheben und besondere Teile ergattern, die nicht so leicht zu beschaffen sind“, sagt Kessler, mittlerweile gehörten auch bekannte Influencerinnen wie Matilda Djerf, Cindy Kimberly oder Negin Mirsalehi dazu. Frauen, denen jeweils mehrere Millionen Menschen in den sozialen Medien folgen. Auch das zeigt: Die Lust auf einzigartige Vintage-Teile ist groß – selbst bei erfolgreichen Influencerinnen, die sich auch einfach neue Ware von Luxusmarken schenken lassen könnten.

Aber heute wirkt eben nichts weniger authentisch, als die gleichen neuen Kollektionsteile zu tragen, wie etliche andere Influencerinnen oder Influencer es tun. Auch bei den Fans kommen einzigartige Outfits besser an – die immergleichen Looks, die den Insta-Feed dominieren, lösen jedenfalls keine Kauflust, sondern bloß noch „Fashion fatigue“ aus. Stattdessen wollen die Leute wieder mehr Individualität – das oft zitierte je ne sais quoi.