Ultra-Trail du Mont-Blanc

Ultraläufer Felix Kuschmierz: „Der UTMB ist ein einmaliges emotionales Erlebnis“

Am Freitag startet der bekannteste Traillauf überhaupt in den französischen Alpen. Den 171 Kilometern im Hochgebirge stellt sich auch ein Berliner Läufer.

Der Berliner Ultra- und Marathonläufer Felix Kuschmierz startet am Freitag beim berühmtesten Trailrennen der Welt, dem Ultra-Trail du Mont-Blanc.
Der Berliner Ultra- und Marathonläufer Felix Kuschmierz startet am Freitag beim berühmtesten Trailrennen der Welt, dem Ultra-Trail du Mont-Blanc.Felix Kuschmierz/privat

Das berühmteste Trailrennen der Welt, der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB), beginnt am Freitagabend um 18 Uhr im Herzen der Alpen. Im französischen Chamonix, an der Grenze zu Italien und der Schweiz, startet das Rennen über 171 Kilometer. Fast 10.000 Höhenmeter müssen die mehr als 2000 Starterinnen und Starter dabei zurücklegen. Die schnellsten werden unter 20 Stunden dafür brauchen, viele sicher mindestens doppelt so lange.

Felix Kuschmierz aus Berlin peilt an, nach 24 bis 30 Stunden wieder auf dem „Place du Triangle de l’Amitié“, dem „Dreieck der Freundschaft“ einzulaufen – wenn alles gut geht. Dafür muss der 30-jährige Trailrunner auf den ersten acht Kilometern, die noch flach sind, seine Pace, also seine angepeilte Zeit pro Kilometer halten, bevor es dann in die lange, dunkle und kühle Nacht geht. Und sich die Höhenmeter immer weiter addieren, die Gipfel immer schroffer, die Landschaftsstriche immer faszinierender werden.

Die magischsten 100 Meilen in der Welt des Trailrunnings

Felix Kuschmierz stellt sich das erste Mal der Herausforderung, die magischen 100 Meilen rund um den Mont Blanc, den höchsten Berg der Alpen, Frankreichs, Italiens und der EU, zu rennen. Der Berliner Marathon- und Ultraläufer ist aber kein Neuling im Gebirge. In diesem Jahr zeigte er bereits sehr gute Leistungen bei verschiedenen Trailrennen, unter anderem beim Schlegeis 3000 Skyrace. Im vergangenen Jahr finishte er den Transvulcania-Ultramarathon über 72 Kilometer und stellte seine Bestzeit im Marathon auf der Straße in Hannover in zwei Stunden und 33 Minuten auf.

Felix Kuschmierz läuft über Stock und Stein, Berge hoch und runter – und das über lange Distanzen, wie zum Beispiel beim Transvulcania-Ultramarathon.
Felix Kuschmierz läuft über Stock und Stein, Berge hoch und runter – und das über lange Distanzen, wie zum Beispiel beim Transvulcania-Ultramarathon.Felix Kuschmierz/privat

Um diese Leistungen zu erzielen, trainiert Kuschmierz – neben seinem Vollzeitjob als Elektroingenieur – 20 bis 25 Stunden pro Woche. Die vertikalen Meter sammelt er im Grunewald, auf 25 Kilometer schafft man da auch mal 700 Höhenmeter – oder im Großraum München und Garmisch-Partenkirchen, wo er gerade in der Vorbereitung auf den UTMB in den zurückliegenden Wochen viel Zeit an den Wochenenden verbracht hat.

In Berlin wächst die Trailrunning-Community

Tatsächlich ist Felix Kuschmierz nicht der einzige Berliner, der in der Hauptstadt die höchsten Hügel sucht. „Die Trailcommunity in Berlin wächst von Tag zu Tag“, erzählt er. Mehrmals in der Woche organisieren die passionierten Bergsportlerinnen und -sportler Community-Läufe im Grunewald und Ende Oktober wird bereits das dritte Mal das „Berlin Trail Testival“, ein Festival rund um den Trailsport, stattfinden.

Im Traillauf kommen manche aus der Bahnleichtathletik, andere vom Wintersport und Felix Kuschmierz wiederum begann mit Straßen- und Crosslauf. Noch in der Grundschule lief er mehrmals in der Woche zehn Kilometer, stagnierte aber bei einer Zeit um die 40 Minuten. „Dann habe ich mit Intervalltraining angefangen und bin mit 18 oder 19 meinen ersten Marathon gelaufen“, erzählt Kuschmierz kurz vor seiner Anreise nach Chamonix. In den vergangenen Jahren kam dann die Leidenschaft für die Trails dazu.

Trailrunner Felix Kuschmierz bei einem Rennen in den Alpen, dem Schlegeis 3000 Vertical.
Trailrunner Felix Kuschmierz bei einem Rennen in den Alpen, dem Schlegeis 3000 Vertical.Felix Kuschmierz/privat

2018 stand er dann das erste Mal an der Startlinie eines Trailruns, beim Zugspitzlauf, „eine kleine Strecke zum Probieren“, sagt er heute. Er merkte, dass er im Uphill, also berghoch, stark war, „aber ich bin im Vergleich zu den anderen Trailläufern kaum den Berg heruntergekommen“. Man merke dann doch auch einen Unterschied, ob jemand im Grunewald oder in den Alpen trainiere – vor allem muskulär. Bei einem Rennen im vergangenen Jahr machten bei Kuschmierz Oberschenkel und Wade dicht: „Ich hatte massive muskuläre Probleme im Downhill.“ Das soll ihm beim UTMB diesmal nicht passieren.

Verpflegung, Pflichtausrüstung, akribische Planung

Die fast 200 Kilometer lange Strecke im Dreiländereck der Alpen liegt dem Ausdauersportler. „Der UTMB ist relativ laufbar“, sagt er. Kuschmierz hat trotzdem „so technisch wie möglich trainiert“, damit selbst der technische Teil des UTMB ihm noch weniger technisch vorkommen wird. So hofft er, dass er seine Stärke im Uphill spielen lassen kann. Auf ein Rennen mit einer solchen Distanz und einem so hohen Schwierigkeitsgrad müssen sich Felix Kuschmierz und seine Mitlaufenden aber nicht nur körperlich vorbereiten. „Der UTMB ist auch ein logistischer Aufwand“, erzählt Kuschmierz.

Um überhaupt starten und finishen zu dürfen, müssen die Athletinnen und Athleten eine Pflichtausrüstung bei sich tragen. In einem Laufrucksack muss sich neben einem Handy, Becher, mindestens einem Liter Wasser, zwei Stirnlampen, einer Wärmedecke, Trillerpfeife, Erste-Hilfe-Ausrüstung, mindestens 800 Kilokalorien an Nahrung und Ausweisdokumenten auch je nach den Wetterbedingungen bestimmte Kleidung befinden. Ohne diese Dinge kann es bei der Überprüfung zur Disqualifikation führen.

Als Bergläufer kraxelt Felix Kuschmierz auch bei Rennen auf schroffe Felsen.
Als Bergläufer kraxelt Felix Kuschmierz auch bei Rennen auf schroffe Felsen.Felix Kuschmierz/privat

Die Pflichtausrüstung von Kuschmierz ist bereits fertig gepackt und gecheckt. Und an Verpflegung hat er mehr als genug mit dabei: „Lieber zu viel als zu wenig“, ist sein Motto. Der Berliner Sportler hat schon lange im Voraus geschaut, dass er die Nahrung auch gut verträgt – im Rennen plant er, jede halbe Stunde ein Gel zu sich zu nehmen, welches ihn mit Kohlenhydraten und manchmal auch mit Koffein versorgt, schließlich muss er auch gegen die Müdigkeit anlaufen. Aber später im Rennen möchte Kuschmierz bei den Verpflegungspunkten auch zu Reis und Haferflocken greifen, „irgendwann schmeckt das 50. Gel dann nämlich auch nicht mehr so gut“.

Bei mehr als 170 Kilometern ist der Lauf ein mentaler Kampf

Und irgendwann wird es vor allem auch mental ein richtig harter Kampf auf den mehr als 170 zu bewältigenden Laufkilometern. Wenn dann auch noch die Schmerzen dazukommen, dann „denke ich an meine Familie und Freunde, dich mich bei Training und auch allgemein begleiten“. Und Kuschmierz werde an seine „Supersaison und den Zieleinlauf“ denken. „Ich glaube, dass das für mich sehr emotional sein wird“, sagt er. Kuschmierz wollte unbedingt vor seinem 30. Lebensjahr noch den ersten 100-Meilen-Lauf finishen. Ganz knapp ist er an diesem Ziel nun vorbeigeschrammt, aber dass er überhaupt beim UTMB an der Startlinie steht, sei für ihn ein einmaliges Erlebnis. Mit ihm werden seine Idole die Berge hinauf- und hinunterlaufen, „das ist der Wahnsinn, so ein Startfeld zu haben“, erzählt Kuschmierz.

Der Berliner Ausdauersportler Felix Kuschmierz während eines 100-Kilometer-Rennens in Österreich.
Der Berliner Ausdauersportler Felix Kuschmierz während eines 100-Kilometer-Rennens in Österreich.Felix Kuschmierz/privat

Bei den Frauen aus der DACH-Region steht beispielsweise mit Katharina Hartmuth die Zweitplatzierte im Trail Long bei der Trail-WM in Innsbruck an der Startlinie in Chamonix. Neben der starken Deutschen gibt Ida-Sophie Hegemann, die mit dem deutschen Team die Silbermedaille bei der WM im Trail Long holte, ihr UTMB-Debüt. Auch der Schweizerin Emma Pooley ist eine Top-10-Platzierung zuzutrauen. Bei den Männern steht der erfolgreiche deutsche Athlet Hannes Namberger mit am Start. Weitere Favoriten aus der Schweiz sind Jonas Russi und Jean-Philippe Tschumi.

Weitere ruhmreiche Rennen stehen noch auf seiner Wunschliste

Ganz egal wie das Rennen für den Berliner Felix Kuschmierz ausgehen wird, dass er den Trails dieser Welt treu bleiben möchte, ist ziemlich sicher. Er mag irgendwann gerne noch die „Diagonale des Fous“ auf der französischen Insel La Réunion laufen, ein prestigeträchtiges Rennen. Auch kürzere Sky Races oder Vertical Races, also Läufe, bei denen auf wenig Strecke möglichst viele Höhenmeter zurückgelegt werden, stehen noch auf seiner Wunschliste. Vorher aber läuft er im Dezember noch den Valencia-Marathon, ein Straßenrennen. Ob er aber so richtig noch mal auf die Straße zurückkommen wird, da ist sich Kuschmierz unsicher: „Im Trailsport sieht man so viel Zusammenhalt, in der Trailcommunity hilft jeder jedem, egal wo.“ Seiner Erfahrung nach sei das beim Straßenlauf und in der Leichtathletik nicht immer so.

Felix Kuschmierz ist in den letzten Tagen vor seinem Start voller Vorfreude – aber auch ein bisschen nervös. Seit Anfang des Jahres weiß er, dass er den Startplatz hat und trainiert auf sein Ziel hin. Wenn am Wochenende noch die Sonne scheint – Kuschmierz ist kein Schlechtwetterläufer – dann steht seiner Premiere auf dem berühmtesten Trail der Welt nichts mehr im Weg.