Überall in Berlin klebt gerade das neue Vereinsemblem des BFC Dynamo, das eigentlich das alte ist, auf Plakaten neben der Hertha-Fahne: an der Jannowitzbrücke, am S-Bahnhof Charlottenburg, am Ende der Elsenbrücke Richtung Alt-Stralau, auf einer Werbetafel in Lichtenberg. Die Plakate, halb dynamorot, halb herthablau, weisen auf das Testspiel zwischen den BFC-Fußballern aus der Regionalliga Nordost und den Zweitligakickern von Hertha BSC am Freitagabend (19 Uhr) hin. Dynamo erwartet 8000 Zuschauer im Jahn-Sportpark.
An mehr als 1000 Stellen in Berlin ist also wieder das Logo zu sehen, das Dynamo vor der Wende kennzeichnete: ein weißes „D“ auf weinrotem Grund unter den rot-gelben Buchstaben „BFC“ , umrahmt von einem goldenen Ährenkranz. 1990 hatte sich der BFC Dynamo in FC Berlin umbenannt und die Rechte des alten Logos an einen Souvenirhändler verloren.
Das Logo erinnert auch an die zehn DDR-Meistertitel in Serie
Ab 1999 hieß der Klub wieder BFC Dynamo, lief später dann aber mit dem Ost-Berliner Bären im Logo und der Zahl 66 für das Gründungsjahr 1966 auf. Anfang des Jahres wurden die Markenrechte für eine sechsstellige Summe zurückgekauft. Demnach läuft die Mannschaft von Trainer Heiner Backhaus rund um ihren prominenten Rückkehrer Rufat Dadashov nun mit einem Vereinslogo auf, das an erfolgreiche Zeiten erinnert. An zehn DDR-Meistertitel hintereinander in den Jahren 1979 bis 1988 etwa – und Auftritte im Europapokal. Doch erfolgreich zu sein, bedeutete nicht, umfassend geliebt zu werden. Denn zunächst war der Klub als Schiebermeister von Stasi-Chef Erich Mielke verschrien. Später als Fixpunkt für gewaltbereite Glatzköpfe aus der rechten Szene.
Mitte der 1990er-Jahre, da war Kay Bernstein gerade 14, 15 Jahre alt, und ging noch in Marzahn zur Schule, da sei es so gewesen, erzählte der Präsident von Hertha BSC kürzlich im Podcast „Hörbar Rust“: „Die coolen Leute vom Schulhof haben alle die Bomberjacke und die BFC-Nadel getragen. Die, die ein bisschen dagegen waren, sind zu Union gegangen. Aber wenn man sich beide Sachen nicht hat vorstellen können, ist man dann auf etwas anderes ausgewichen.“ Bernstein fand seine Prägung bei Hertha BSC im Olympiastadion.
Dort ist er seit seiner Wahl zum Präsidenten im Juni 2022 dabei, aus den Jahren des Scheiterns, des Größenwahns und Geldverprassens eine Transformation anzustoßen. Hertha erfindet sich neu auf dem sogenannten Berliner Weg: mit Talenten aus der eigenen Akademie auf dem Platz und Herthanern mit blau-weißer Prägung in den Führungspositionen. Gleichzeitig muss der Klub nach dem Abstieg in Liga zwei eine dramatische Finanzlage moderieren, Personalausgaben senken, auf Transfergewinne pochen.
Der Test im Jahnstadion ist für Trainer Pal Dardai daher nur eine Momentaufnahme. Schließlich ist völlig unklar, wer den Kader noch bis zum Transferschluss am 1. September verlässt. Ein Viertel der Spieler? Ein Drittel? Zuletzt habe er mindestens 15 Namen in den Medien gelesen, die für einen Wechsel infrage kommen, sagte Dardai. Ob Jessic Ngankam Herthaner bleibt? Derry Scherhant in die Premier League wechselt? Lucas Tousart Millionen einbringt? Dodi Lukebakio bald in Saudi-Arabien schwitzt? Oder Tolga Cigerci in die Türkei zurückkehrt? Weiß nicht mal der Coach.
Während Hertha BSC gerade dabei ist, Demut statt Großmannssucht zu üben, haben sie beim BFC Dynamo seit mehr als zehn Jahren einen Wandel eingeläutet. War noch Anfang der 2000er-Jahre die Nähe zu Hells Angels, Hooliganismus und Geldgebern aus der rechten Szene unübersehbar, hat sich die Gegenbewegung immer mehr durchgesetzt. Mit Aktionen wie: „Braun ist nicht Weinrot“ etwa, oder verbaler Distanzierung der neuen Funktionsträger vom rechten Milieu.
BFC Dynamo und Hertha BSC kooperieren bei der Jugendarbeit
Wie früher wird heute aber Wert auf Qualitätsarbeit in der Jugend gelegt, auf das Nachwuchszentrum in Hohenschönhausen. Hier kooperiert der BFC mit Herthas Nachwuchsakademie. Der Austausch hat sich bewährt. Und die Community des Stadtteilvereins wächst: 2021 war Dynamo nach dem 1. FC Union Berlin und Hertha BSC der Berliner Verein mit dem größten Mitgliederzuwachs. Längst kicken auch Kinder und Jugendliche im weinroten Dress, deren Wurzeln nicht in Deutschland liegen. Auf Familienfreundlichkeit und Integration zu setzen, hat sich auch in Hohenschönhausen nachhaltiger erwiesen, als Abschottungsmechanismen.
Zur wachsenden Popularität trug die Vorsaison bei, in der das Männerteam des BFC als Meister der Regionalliga Nord erst in der Relegation am Drittliga-Aufstieg scheiterte. Und CDU-Politiker wie der Lichtenberger Abgeordnete Martin Pätzold oder gar Berlins Regierender Kai Wegner setzten sich dafür ein, dass im neuen Koalitionsvertrag die drittligataugliche Ertüchtigung des bestehenden Stadions im Sportforum festgeschrieben wurde.
Stadionwünsche von Dynamo und Hertha im Koalitionsvertrag
Ähnlich weit sind sie bei Hertha mit dem Wunsch nach einem potenziellen, privat finanzierten Neubau eines reinen Fußballstadions auf dem Olympiagelände gekommen: schon mal in den Koalitionsvertrag. Doch wie meistens im Fußball übertönt die Aktualität die Zukunftsmusik. Am Freitag spielt Weinrot-Weiß gegen Blau-Weiß, der Stadtteilverein gegen den Hauptstadtklub, für den es nach Aufeinandertreffen in den Jahren 1991, 1998, 2007 unter dem Motto: „Gegen Rassismus und Gewalt“ und 2010 nun 3:1 nach Testspielsiegen steht.




