Basketball-WM

Gordon Herbert: „Die europäische Region ist ohne Zweifel die beste der Welt“

Der Bundestrainer der deutschen Basketballer hat Viertelfinalgegner Lettland schon vor dem Turnier gelobt, sieht in Europa aber viele starke Nationen.

Deutschlands Bundestrainer Gordon Herbert hat schon vor der Basketball-Weltmeisterschaft auf die Stärke vieler Mannschaften aus Europa hingewiesen.
Deutschlands Bundestrainer Gordon Herbert hat schon vor der Basketball-Weltmeisterschaft auf die Stärke vieler Mannschaften aus Europa hingewiesen.Camera4+/Imago

Stück für Stück wurde das bunte basketballerische Treiben im Hotel Conrad am Montag größer. Nach und nach bezogen die Viertelfinalisten der Basketball-Weltmeisterschaft ihr Quartier für die nächsten Tage. So schlenderten in dem großen Hotel mit seinen hohen Decken, vielen Aufzügen und Kunstinstallationen in der Lobby am Dienstag erst der litauische Topspieler Jonas Valanciunas, dann der serbische NBA-Star Bogdan Bogdanovic vorbei, während der deutsche Bundestrainer Gordon Herbert sich den Fragen einer Presserunde stellte. Wenige Hundert Meter weiter trifft die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) am Mittwoch (10.45 Uhr, kostenlos bei Magenta Sport) in Manila auf Lettland – die bisher größte Überraschung der WM.

Lettland ist ein Paradebeispiel für die Entwicklung in Europa

Die Mannschaft aus dem Baltikum ist auch das Paradebeispiel für eine erstaunliche Entwicklung: Sechs der acht Mannschaften, die in Manila im am Dienstag gestarteten Viertelfinale standen beziehungsweise noch immer stehen, kommen aus Europa. Während in den USA und Kanada immerhin noch zwei nordamerikanische Nationen im Rennen um den Titel sind, sind keine Teams aus Asien, Afrika oder den in vergangenen Jahren stets starken südamerikanischen Ländern dabei. Dass in Spanien und Frankreich noch dazu die Finalisten der EM im Vorjahr fehlen, lässt es alles andere als übertrieben klingen, wenn Bundestrainer Herbert mit Nachdruck sagt: „Die europäische Region ist ohne Zweifel die beste der Welt.“

Ehe Fans des amerikanischen Basketballs nun aufschreien, sei gesagt: Daran, dass die USA sowohl in der Breite als auch in der Spitze die besten Basketballer des Planeten hervorbringen, besteht kein Zweifel. Das belegen nicht zuletzt die noch immer sehr regelmäßigen Erfolge der amerikanischen Mannschaften bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Dennoch ist ebenfalls klar: Der europäische Basketball hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt. Und richtet man den Blick einmal über die Grenzen einzelner Länder hinaus, wird deutlich, dass Gordon Herbert mit seiner Einschätzung durchaus recht hat.

Herbert, ein gebürtiger Kanadier, der auch die finnische Staatsbürgerschaft besitzt und seit 2021 die DBB-Auswahl betreut, spricht von „mittlerweile 14 bis 15 wirklich guten europäischen Teams“. Darunter sind zum einen seit Jahren auf höchstem internationalen Level etablierte Nationen wie Spanien, Frankreich, Serbien, Griechenland oder Litauen. Hinzu kommen Mannschaften wie die aus Slowenien und zuletzt auch Deutschland, die zu WM-Medaillenkandidaten werden, und viel Breite dahinter. Nicht nur den zwölf für die WM qualifizierten Teams, von denen zehn die Zwischenrunde erreichten, attestiert Gordon Herbert eine starke Entwicklung: „Mannschaften wie Kroatien, Schweden, Polen oder Belgien werden immer besser“, sagt er.

Eine Folge hiervon ist auch ein immer größer werdender Anteil an europäischen Spielern in der NBA. 58 europäische Akteure spielten zum Start der vergangenen Saison in den Teams der nordamerikanischen NBA. Darunter mit den Brüdern Moritz und Franz Wagner, Dennis Schröder, Daniel Theis, Maxi Kleber und Isiah Hartenstein gleich sechs aus Deutschland. Ihre Karrieren sind nicht zuletzt das Ergebnis einer in den vergangenen Jahren Stück für Stück verbesserten Nachwuchsarbeit in Deutschland. Eine Nachwuchsarbeit, die in diesen Tagen auch Bundestrainer Herbert zugutekommt, der allerdings mit Blick auf die anderen europäischen Nationen noch einen weiteren Entwicklungsfaktor ausmacht: „Die Auflösung der Sowjetunion und von Jugoslawien spielt natürlich eine Rolle.“

Tatsächlich gehörten einige der gegenwärtig starken europäischen Nationen einst erstgenannter, noch deutlich zahlreicher letztgenanntem an. Mit ihrer Unabhängigkeit wuchs nicht nur die Anzahl europäischer Staaten allgemein, sondern es entwickelten sich auch die Verbandsstrukturen, die talentierte Sportler hervorbringen können. Strukturen, die in den vergangenen Jahren in verschiedenen Teilen Europas zunehmend ausgebaut und professionalisiert wurden.

Vorsicht, Deutschland: Frankreich und Spanien sind bereits gescheitert

Womit wir wieder beim aktuellen Paradebeispiel Lettland sind. Die dortigen Verbandsstrukturen sind zwar sicherlich nicht die besten Europas, aber mittlerweile doch gut genug, um eine Reihe von Spielern hervorzubringen, die Nationen wie Frankreich und Spanien aus der WM werfen können. „Ich habe schon vor zwei Monaten gesagt: Sie sind das beste Team, über das keiner redet“, sagt Bundestrainer Herbert und erklärt: „Sie spielen seit zwei, drei Jahren zusammen, werfen sehr gut, passen sehr gut.“

Es sind Charakteristika, die Lettland auch am Mittwoch zu einem unangenehmen Gegner für die deutsche Mannschaft machen dürften. Die geht zwar nach fünf Siegen in fünf WM-Spielen klar als Favorit in ihr Viertelfinale, darf sich auf diesem Status allerdings nicht ausruhen. „Wir verstehen, dass alles, was wir in Okinawa geleistet haben, jetzt nichts mehr bedeutet. Wir fangen hier wieder von null an“, sagt Bundestrainer Herbert. Es ist eine Grundvoraussetzung, um so lange wie möglich Teil des multinationalen Treibens im Hotel Conrad zu bleiben.