Es war ein Morgen danach mit körperlicher Katerstimmung für Dennis Schröder. Eine Mischung aus Müdigkeit und Muskelkater hätten sein Erwachen im Hotelbett am Montagmorgen geprägt, erzählte der deutsche Aufbauspieler ein paar Stunden nach ebendiesem. 35 Minuten Spielzeit gegen Australien am Vorabend, das Bewachen und Bearbeiten des flinken Patty Mills, unzählige Antritte, Richtungswechsel – der so wichtige 85:82-Sieg der deutschen Basketballer im zweiten WM-Spiel war für Schröder ein kraftraubender. „Die ganze Zeit Patty Mills hinterherzulaufen, über das ganze Feld verteidigt, ständig gedoppelt werden, das war nicht ohne“, erklärte Schröder der Berliner Zeitung ausnahmsweise entspannt schlendernd auf dem Weg von der Trainingshalle zum Teambus.
Dennis Schröder lässt Franz Wagners Ausfall in den Hintergrund rücken
Egal ob Muskelkater oder Müdigkeit, Schröders verschmitztes Grinsen verriet: Angesichts des Ertrags, den die Anstrengungen vom Sonntagabend mit sich gebracht hatten, war all das erträglich. 30 ausnahmslos wichtige Punkte hatte Deutschlands schmächtiger Guard und großer Ausnahmespieler gegen Australien schlussendlich hinter seinem Namen stehen. 30 Punkte, die den Ausfall von Co-Star Franz Wagner zwar nicht vergessen machten, aber doch in den Hintergrund rücken ließen. 30 Punkte, dank denen die deutsche Auswahl schon vor ihrem letzten Gruppenspiel am Dienstag gegen Finnland (9.30 Uhr, kostenlos auf Magenta Sport) sicher in der WM-Zwischenrunde steht.
Schröder hatte nicht weniger als brilliert gegen die als Medaillenkandidat geltenden Australier. Mit einem Korbleger, seiner ersten von insgesamt acht Vorlagen und dem ersten von vier Steals war er in das Spiel gestartet. Ein Auftakt, dem er eine Show mit Effizienz folgen ließ: Defensiv verteidigte Schröder leidenschaftlich gegen besagten Patty Mills, offensiv attackierte er, wann immer es sich anbot. Er nutzte es konsequent aus, wenn ihm ein größerer Gegenspieler gegenüberstand – mal mit einem tiefen Dreier in dessen Gesicht, mal indem er ihm mit seinen schnellen Antritten und Handwechseln Knoten in die Beine spielte. Was dabei auffiel: Schröder attackierte zwar, wann immer es sich anbot, ließ es aber eben auch bleiben, wenn es sich nicht anbot.
So wurde das Spiel gegen Australien zum Paradebeispiel für die Entwicklung des Dennis Schröder im Nationaltrikot. Der gebürtige Braunschweiger hat sein Spiel in den vergangenen Jahren austariert. Er ist von einem zwar hochklassigen, aber mitunter etwas kopflosen Führungsspieler zu einem Anführer geworden, der seinen Mitspielern mittlerweile auch in entscheidenden Momenten vertraut. So wie Maodo Lo, dem Schröder am Montag mal den Ballvortrag, mal wichtige Würfe überließ. „Ich lese einfach das Spiel und gucke, was das Team braucht“, sagte er am Dienstag. In Abwesenheit von Franz Wagner sei dies eben etwas mehr offensive Eigeninitiative gewesen. „Wir schätzen Dennis als Basketballdeutschland nicht genug, glaube ich“, hatte Franz’ Bruder Moritz bereits am Montag gesagt und angesichts zahlreicher wichtiger Schröder-Aktionen in der Schlussphase angefügt: „Am Ende gewinnt er uns das Spiel.“
Der Druck, der vor dem finalen Vorrundenspiel gegen Finnland auf Schröders Mannschaft lastet, ist so nun ungleich kleiner. Statt um das Weiterkommen geht es nun allein um eine bessere Ausgangslage für die Zwischenrunde. Und das Ziel der Finnen um NBA-Star Lauri Markkanen? Nach zwei Niederlagen gegen Australien und Japan: die Ehre retten. War Erstgenannte noch erwartbar, glich Letztere einer kleinen Sensation. Eine Sensation, die am Sonntagabend für eine denkwürdige Atmosphäre in Okinawa sorgte.

Schon zum WM-Start gegen Deutschland hatten die japanischen Anhänger in Okinawa eine ungeahnte Leidenschaft offenbart. Wirken diese sonst in und um den WM-Ort des Geschehens eher ruhig, teils fast schüchtern, übernimmt während der japanischen Spiele enthusiastische Emotionalität die Okinawa-Arena. Nicht nur Deutschlands Isaac Bonga sprach so von „einer großartigen Atmosphäre“ und lobte „großartige Fans, die ihrer Mannschaft nicht erlaubt haben, sich aufzugeben“. Ein charakteristisches Merkmal der sonst mitunter fast etwas zu höflichen, weil nahezu devoten Japaner, das die finnische Mannschaft am Sonntag mit voller Wucht zu spüren bekam.
Japanische Basketballfans unterstützen ihr Team enthusiastisch
Mit zehn Punkten führten sie vor dem Schlussviertel, als rund 7000 Japaner im Hallenrund endgültig erwachten. Egal ob in eines der unzähligen roten T-Shirts gekleidet, mit rot-weißer Plastikperücke auf dem Kopf oder mit selbstgebastelten Schildern und Fahnen in der Hand – die Japaner zelebrierten jeden Dreier, jeden Korbleger, jedes Hechten nach dem Ball ihrer Landsmänner auf dem Parkett. Einige Sprechchöre, zahlreiche Ohs und Ahs der Begeisterung und fast schrille Aufschreie der Enttäuschung bildeten die eindrucksvolle Bandbreite der Geräuschkulisse in Okinawa. Während die Finnen von dieser minutenlang wie gelähmt wirkten, wuchsen ihre japanischen Kontrahenten angeführt von ihrem nur 1,72 Meter kleinen und dennoch herausragenden Aufbauspieler Yuki Kawamura über sich hinaus.




