Nicht sehr oft findet so ein Spiel statt, bei dem beide Seiten etwas zu feiern haben – egal wie das Spiel selbst ausgeht. Aber als die australischen „Matildas“ am Donnerstag im zweiten Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen auf die irischen „Girls in Green“ trafen, war es für beide Seiten ein besonderer Moment. Für Australien war es das erste Spiel in dem Turnier, bei dem es sowohl Favorit als auch Gastgeber neben Neuseeland ist. Für die irischen Frauen war es ihr erstes Spiel in einem internationalen Fußballturnier überhaupt – noch dazu in einem wichtigen Jubiläumsjahr für den irischen Frauenfußball.
Das reichte als Anlass zu einem Public Viewing des Spiels, das die australische und die irische Botschaft im BRLO-Biergarten gemeinsam veranstalteten. Dabei waren Gäste der australischen und der irischen Community in Berlin – und auch aus der neuseeländischen, die bereits den Sieg ihrer Nationalelf über Norwegen im ersten Spiel des Turniers gefeiert hatte. Der Biergarten war mit unzähligen Fahnen der beiden Länder geschmückt – die Australier brachten auch ein paar aufblasbare Kängurus mit. Serviert wurde ein Mittagsmenü im australischen Grill-Stil.
Zu Hause in Australien sei die Vorfreude auf dieses Turnier groß, sagt Kate Luxford, Charge d’Affaires in der australischen Botschaft in Berlin – was ein wichtiges Zeichen für den Fortschritt im Frauenfußball sei. Das Accor-Stadion in Sydney wird Austragungsort der letzten drei K.o.-Spiele des Turniers und des Finales – aber auch das Spiel zwischen Australien und Irland wurde hierher verlegt, um der enormen Nachfrage gerecht zu werden. „Das ist ein tolles Zeichen, wie der Frauensport immer beliebter wird“, meint Luxford. „Langsam sieht man, dass es genauso viel hier zu feiern gibt wie im Männerfußball.“
Als Gastgeber des Turniers beginnt für Australien ein „Grün-Goldenes Jahrzehnt“ des Sports. Nach der Frauen-WM folgen die Netball-WM und die Rugby-WM der Männer 2027, dann die Rugby-WM der Frauen 2029 und die Olympischen und Paralympischen Spiele in Brisbane im Jahr 2032. Kate Luxford freut sich darauf, dabei das Engagement ihres Landes für den Sport hervorzuheben; sie betont, wie die Matildas die erste Frauenfußballmannschaft der Welt wurden, die das gleiche Gehalt wie das Männerteam erhält.
Auch für Irland war das Spiel aus unterschiedlichen Gründen ein ganz besonderes – denn die irische Frauenmannschaft spielt in diesem Jahr zum allerersten Mal in einem großen internationalen Fußballturnier. Sieben weitere Länder geben ebenfalls ihr Debüt bei dieser WM: Haiti, Marokko, Panama, die Philippinen, Portugal, Vietnam und Sambia. Damit wird die Zahl der Teilnehmerländer in dieser WM von 24 auf 32 vergrößert. Außerdem ist es genau 50 Jahre her, dass die irische Frauenmannschaft ein erstes internationales Match gespielt hat. Vor zwei Wochen hielten die Spielerinnen der allerersten irischen Frauenmannschaft von 1973 eine Ehrenwache für die aktuelle Mannschaft vor einem Freundschaftsspiel gegen Frankreich. Es war das letzte Spiel des Teams vor der WM.

Der Status des Frauenfußballs in Irland ist in dieser Zeit enorm gewachsen, sagt der irische Botschafter in Deutschland, Nicholas O’Brien. „Vor 50 Jahren war die Unterstützung für den Frauenfußball sehr gering“, erklärt er. „Jetzt feuert das ganze Land unsere Frauen an. Es ist eine Riesenerrungenschaft.“ Er lobt die beiden Teams für das „ausgeglichene“ Spiel und die Irinnen für ihre starke Verteidigung. Für Irland könnte es schwierig werden, die Gruppenphase des Turniers zu überstehen. Kanada und Nigeria sind die weiteren Gegner. Die Iren – zu Hause, zu Besuch oder zugezogen in Australien oder Neuseeland – werden nicht weniger stolz auf die Mannschaft sein, egal wie das Turnier ausgeht, meint Botschafter O’Brien.
Die Stimmung im Biergarten blieb freundlich und fröhlich, auch wenn das Spiel für beide Seiten von Bedeutung war. Es wurde gekichert über Bernd Schmelzer, dessen Aussprache des Nachnamens der irischen Spielerin Megan Connolly eher wie das italienische Dessert Cannoli klang. Und es wurde darüber gescherzt, dass jede Seite den Sieg der anderen theoretisch für sich in Anspruch nehmen könnte – denn Australien ist erheblich irisch. Heute sind etwa 2,5 Millionen Australier, rund zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, irischer Herkunft. Dazu gehört auch die australische Stürmerin Mary Fowler, deren Vater Ire ist.
Nach sechs Minuten Verlängerung endet das Spiel doch enttäuschend für Irland; Australien gewinnt nach einem Elfmeter von Vizekapitänin Stephanie Catley in der 52. Minute. Vor dem Spiel sagten viele Schlagzeilen in der Sportpresse ein schwieriges Spiel für die Irinnen voraus, sie seien der „Underdog“. Im Biergarten sind die irischen Fans allerdings positiv überrascht, wie ihre Landsfrauen sich gegen die Australierinnen behaupten konnten, trotz des großen Erfahrungsunterschieds.
Auch Doris Fitschen, Koordinatorin für Frauen im Fußball beim Deutschen Fußball-Bund, hat das Spiel im Biergarten miterlebt. Vor dem Turnier hätte man Angst gehabt, sagt sie, dass die Vergrößerung der Frauen-WM mit acht Länderdebüts zu ungleichen Spielen mit hohen Endständen führen könnte. So wie bei der vorausgegangenen WM, als die USA Thailand mit 13:0 Toren besiegten. „Aber wir haben heute gesehen, dass das nicht der Fall sein wird“, meint Fitschen. „Das war ein guter Schritt, der hoffentlich viele Menschen für den Frauenfußball begeistern wird.“ Es sei auch ein toller Moment für das Turnier gewesen, dass beide Gastgeberteams ihre ersten Spiele gewinnen konnten – vor allem für Australien, das auch als Favorit in diesem Turnier gilt. „Das haben wir aber eben auch gesehen heute – jeder Gegner ist ernst zu nehmen.“






