Berlin-Mehr davon! Auch in der kommenden Saison soll es in der Bundesliga dieses Duell zwischen Blau-Weiß und Rot, zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union Berlin geben. Denn dieses Derby ist aufgrund der jeweiligen Historie beider Mannschaften, welche auch jeweils eng mit der Historie dieser Stadt verquickt ist, ja tatsächlich was ganz Besonderes. Das war auch am Sonnabendabend im mit 74.667 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion wieder mal zu erleben, wieder mal zu spüren. So ein fiebriges Spektakel ist selten in Deutschland, gibt es vielleicht gerade noch mal beim Revierderby zwischen Dortmund und Schalke.
Aber es gibt ein Problem: Nach der hoch verdienten 1:4-(0:1)-Niederlage gegen den Stadtrivalen ist es eher unwahrscheinlich denn wahrscheinlich, dass die Herthaner auch in der kommenden Saison am Spielbetrieb der höchsten deutschen Spielklasse teilnehmen dürfen. Ja, aufgrund der mangelhaften Darbietung, die auf ein Ausbleiben des Magath-Effekts schließen lässt, muss man in Charlottenburg tatsächlich vom Schlimmsten ausgehen.
Die Unioner hingegen feierten infolge einer beeindruckenden Mannschaftsleistung ihren dritten Sieg im dritten Stadtduell in Serie, haben nun 44 Punkte auf dem Kont0 und dürfen deshalb erneut auf eine Teilnahme am Europapokal hoffen. Ja, in dieser Form ist auch ein Sieg im Pokalhalbfinale bei RB Leipzig allemal möglich.
Coach Magath riskiert mit Eitschberger zu viel
‚Ist der Magath irre?‘, dachte sich wohl der eine oder andere Hertha-Fan bzw. Hertha-Beobachter, als die Startaufstellung bekannt gegeben wurde. Der Name eines gewissen Julian Eitschberger war da nämlich unter den ersten Elf zu finden, während die Namen von Suat Serdar, Ishak Belfodil, Jurgen Ekkelenkamp oder Maximilian Mittelstädt erst weiter unten, also unter Namen der Ersatzspieler gelistet waren. Doch irre ist Felix Magath natürlich nicht.
Eitschberger, 18 Jahre alt, seit 2017 im Verein und erst seit vergangener Woche im Training der Profis mit eingebunden, sollte dem Spiel der Herthaner einen Schuss Leben, einen Schuss Unbeschwertheit geben. Und so viel darf an dieser Stelle schon verraten werden: Eitschberger, der an sich auf der rechten Seite spielt, hatte als Linksverteidiger gegen den unablässig anlaufenden Christopher Trimmel größte Probleme, war des Öfteren falsch positioniert und schlussendlich von der Aufgabe total überfordert. Folglich war sein Bundesliga-Debüt nach 45 Minuten beendet.

Urs Fischer wiederum, der Trainer der Unioner, ist bekanntermaßen kein Freund des Experimentierens. Im letzten Viertel der Saison ist es beim Schweizer vielmehr so, dass er kaum noch rotiert. Im Endeffekt hat sich sogar eine Stammelf gefunden. Gewechselt wird nur noch bei einer Sperre oder eben im Verletzungsfall. So ersetzte Frederik Rönnow einmal mehr den verletzten Andreas Luthe im Tor, so kam Dominique Heintz in der Abwehr-Dreierkette für den gelbgesperrten Paul Jaeckel zum Einsatz. Und es stimmt schon: Warum etwas ändern, wenn sich da etwas gesucht und gefunden hat?
Keeper Lotka ist auffälligster Herthaner
Im Rauch, das die Feuerwerker unter den Hertha-Fans in der Ostkurve mit dem Anpfiff verursacht hatten, legten die Eisernen dann auch einen beeindruckenden Start hin. Zu zwei Eckstößen kamen sie sogleich, wobei der zweite in der vierten Spielminute die erste Großchance der Partie mit sich brachte. Trimmel flankte gefühlvoll mit links, Timo Baumgartl köpfte aus sechs, sieben Metern mit Wucht aufs Tor, doch da war Hertha-Keeper Marcel Lotka, der irgendwie dann doch noch die rechte Hand an den Ball brachte.
Apropos Lotka. Der 20-Jährige wird in der kommenden Saison die Farben von Borussia Dortmund tragen. Und inzwischen ist allen bewusst, warum der Großklub den Kerl unbedingt haben wollte. Lotka ist ein hervorragender Torhüter, kann Fußabwehr, wie sich in der 13. Minute nach einem weiteren Eckstoß für die Eisernen bei einem Schuss von Niko Gießelmann zeigte. Und Lotka weiß auch, wann er seinen Fünfmeterraum zu verlassen hat. So entschärfte er einen Angriff der Gäste, bei dem Sheraldo Becker als Vorlagengeber und Taiwo Awoniyi als etwas zu zögerlicher Zielspieler in Erscheinung traten.
Becker flankt gefühlvoll auf Haraguchi
Dass der Keeper der auffälligste Herthaner war, konnte Magath natürlich nicht gefallen. Der 68-Jährige wütete wiederholt auf der Ersatzbank, doch sein Wüten blieb ohne Wirkung. Lotka konnte in der 29. Minute nach einer weiteren guten Aktion von Trimmel und einem Kopfball von Awoniyi zwar per Glanztat noch einmal den Rückstand verhindern, zwei Minuten später allerdings verschätzte er sich selbst ein bisschen bei einer wunderbaren Flanke von Becker.
Von der linken Seite ließ der Niederländer den Ball quer durch den Strafraum der Herthaner segeln, Richtung zweiter Pfosten, wo Genki Haraguchi sich mit Verve in die Flanke stürzte. Eitschberger war nur Zuschauer, als der Japaner per Kopf die Führung für die Unioner erzielte und sich in der Kurve von den 12.000 Union-Fans am Marathon-Tor feiern ließ. Und Eitschberger war auch nicht zugegen, als Trimmel in der 42. Minute nach einer weiteren Flanke von Becker per Kopf nur um Zentimeter das 2:0 verpasste.
Und die Hertha-Offensive? Nun, von Offensive konnte eigentlich nicht die Rede sein. Letztlich hatten die Gastgeber in der ersten Hälfte nur eine Torchance, nämlich durch Myziane Maolida, der sich in der 38. Minute nach einer Flanke von Lucas Tousart aus freier Position und etwa dreizehn Metern an einem Volleyschuss versuchte. Irgendwie kam ihm dabei aber das Schienbein dazwischen, sodass der Ball am Tor vorbeiging.
Baumgartl schenkt Hertha ein wenig Hoffnung
Aufgrund der zahlreichen Probleme, die seine Mannschaft in Hälfte eins offenbarte, sah sich Magath natürlich zum Handeln gezwungen. Er erlöste, wie bereits weiter oben angedeutet, Eitschberger, brachte dafür Marton Dardai. Und er nahm Vladimir Darida vom Platz, um mit Mittelstädt einen weiteren Spieler zur Stabilisation der linken Seite zu bringen.
Und für ein paar Minuten sah das tatsächlich etwas forscher, etwas zwingender aus, was die Blau-Weißen ihren Fans boten. Und weil Timo Baumgartl vier Minuten nach Wiederanpfiff auch noch nach einer Hereingabe des für Stevan Jovetic früh eingewechselten Befoldil ein Eigentor unterlief, gab es sogar aufseiten der Herthaner plötzlich wieder Hoffnung auf eine Wende.
Aber nur für gerade vier Minuten. Denn in der 53. Minute setzte sich Gießelmann auf der linken Seite gekonnt in Szene, flankte präzise auf Grischa Prömel, der per Kopf das 2:1 für sein Team erzielte. In der Folge vergaben die Köpenicker die eine oder andere Konterchance leichtfertig, was Fischer ins Glühen brachte. Erlöst wurde der Fußballlehrer von Becker, der einmal mehr ein paar herausragende Momente hatte. 74 waren gespielt, als er nach einem Pass von Andras Schäfer (war für Haraguchi ins Spiel gekommen) ins Tempo ging. Zu schnell für Hertha-Abwehrchef Dedryck Boyata war Becker, zu platziert sein Schuss ins lange Eck für Lotka.


