Ernährung & Fitness

Sportwissenschaftler: „Wer abnehmen will, muss essen!“

Warum nimmt man nicht gut ab, wenn man Diät hält und Sport treibt? Experte Ingo Froböse analysiert, was schiefläuft und wie man besser zum Ziel kommt.

Sport und Essen gehören zusammen; das richtige Maß zu finden, ist gar nicht so schwer.
Sport und Essen gehören zusammen; das richtige Maß zu finden, ist gar nicht so schwer.Fotoillustration: Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende. Bilder: Imago

Wie kann das sein? Man treibt Sport, achtet auf die Ernährung, zählt Kalorien – und trotzdem nimmt man nicht ab. Was läuft da schief? „Gar nichts“, sagt der Kölner Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse. Das sei völlig normal.

Als Otto Normalverbraucher nimmt man an, dass die Kombination aus Diät und Sportprogramm dazu führt, dass man umso schneller abnimmt, das Ganze total effektiv ist, man besser zu Wohlfühlgewicht und Traum-Body findet.

Doch das Gegenteil ist der Fall, wie der Experte weiß: „Sport ist auch eine Form der Diät, weshalb sich die Hungersnot für den Körper addiert. Zum einen gibt man dem Körper also wenig Energie, weil man wenig isst, und zum anderen raubt man ihm zusätzlich Energie, weil man Kalorien beim Sporttreiben verbrennt.“

Gewichtabnahme: Darum sollte man Sport und Diät nicht kombinieren

Wer zeitgleich hungere und Sport treibe, komme in einen „Teufelskreis der Unterversorgung“, wie Ingo Froböse es nennt. „Und deshalb lässt der Körper nichts mehr zu, will keine Energie mehr abgeben, keine Kalorien verbrennen. Denn er braucht die Energie ja, um alle Lebensfunktionen zu erhalten.“

Unser Körper ist bestrebt, die vitalen Vorgänge stabil zu halten, zum Beispiel: Dass das Herz schlägt, die Körpertemperatur konstant bleibt, Hormone und Verdauungssäfte produziert werden, aber auch dass die Haare wachsen, Zellen erneuert und ausgetauscht werden. All das braucht Energie.

„Und wenn es zu wenig Energie gibt, müssen Körperfunktionen reduziert werden“, sagt der Sportwissenschaftler. Nun könnte man ja sagen: Prima, ich habe ein paar Fettpölsterchen. Da kann der Körper ja ran, dann werde ich schlank.

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Natürlich macht der Körper das auch, allerdings nur zum Teil. Denn das gespeicherte Fett ist erst einmal primär Energie und zu einem kleinen Teil auch Baustoff. Zum tatsächlichen Funktionieren braucht der Körper dringend Eiweiße, denn er besteht zum Großteil aus Aminosäuren, den Bausteinen der Eiweiße. Diese stecken vor allem auch in unseren Muskeln.

In dem Moment also, wo wir hungern, muss der Körper sich unter anderem an den muskulären Reserven bedienen, was fatal ist, denn die Muskulatur hilft uns nicht nur, aufrecht zu gehen, sondern sie unterstützt beispielsweise auch beim Atmen, stimuliert die Lymphbahnen und somit den Abtransport von Giftstoffen.

Experte Ingo Froböse: Sport dient nicht dem Abnehmen

Generell sei es so, dass „Sport niemals dazu dient, Kalorien zu verbrennen“, stellt Ingo Froböse klar. „Sport verändert den Körper, die Körperzusammensetzung, seine Stärke und Festigkeit. Aber als Weg, um Gewicht zu reduzieren, ist er nicht geeignet.“ Das hat auch damit zu tun, dass Muskeln mehr wiegen als Fett.

Vor allem aber wird durch den Sport in der Regel auch der Muskelaufbau angeregt. Dafür benötigt der Körper viel mehr Energie als im Ruhezustand. Wer hungert und trainiert, setzt seinen Körper einem wahnsinnigen Stress aus. Um das zu vermeiden, sollte man bei der Ernährung insbesondere darauf achten, essenzielle Aminosäuren aufzunehmen, weil der Körper diese für die Muskulatur braucht.

Als Faustregel gilt: mindestens ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Das bedeutet, dass ein 80 Kilogramm schwerer Mensch rund 80 Gramm an Aminosäuren aufnehmen sollte, Frauen etwas weniger, Männer etwas mehr. Die Aminosäuren stecken hauptsächlich in Molkeprodukten und eiweißhaltigen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchte, Tofu, Fisch oder Fleisch etc.

Unabhängig davon ist Sport – in jedem Alter – wichtig, um Muskulatur zu erhalten und bestenfalls aufzubauen. Wer muskulär gut aufgestellt ist, im wahrsten Sinne des Wortes, wird zum Beispiel im Alter weniger Schwierigkeiten bekommen.

Ganz generell ist zum Beispiel die Gefahr, sich bei einem Sturz nicht abfangen zu können, weniger groß, weil die Körperspannung und auch die Reaktionsfähigkeit bei einem sportlichen Körper besser ist. Und das heißt in der Folge: weniger (schlimme) Verletzungen.

Außerdem haben Muskeln eine hormonregulative Wirkung. Die Wissenschaft hat zwar noch nicht alles bis ins letzte Detail verstanden – die Welt der Hormone ist hochkomplex –, aber klar ist, dass Muskeln mit der Wirkung von Hormonen in Zusammenhang stehen. Sportliche Frauen etwa haben in den Wechseljahren meist weniger Beschwerden als jene, die keinen Sport treiben.

Formel zum Berechnen: Das ist Ihr tatsächlicher Kalorienbedarf

Gegen eine Diät in Kombination mit Sport wehrt sich der Körper also, indem er nicht mehr abnimmt. Was aber soll man tun, wenn man dünner werden möchte?

Um den Grundbedarf zu decken, müsse ein gesunder Mensch etwa 60 bis 70 Prozent der Gesamt-Energiemenge zu sich nehmen, so der Experte. „Das ist das, was man wirklich essen muss, um im Körper keine Unterversorgung zu provozieren.“

Diesen Bedarf kann man berechnen. Als Frau rechnet man: 0,9 mal 24 mal Normalgewicht. Das Normalgewicht ist die Körpergröße in Zentimetern minus 100. „Bei einer 80-Kilo-Frau wären also rund 1600 Kalorien der Minimalbedarf“, so Ingo Froböse. „Die meisten Menschen essen weniger, als sie benötigen und wundern sich, warum nichts passiert …“

Für übergewichtige Männer lautet die Formel 1,1 mal 24 mal Normalgewicht (= Körpergröße in cm minus 100). „Verzicht ist beim Abnehmen nicht der richtige Weg, sondern man muss die richtigen Maßnahmen ergreifen. Und dazu gehört eben auch, dass man essen muss, wenn man abnehmen will“, so der Experte.

Das sollten Sie essen, wenn Sie gesund abnehmen wollen

Froböse stellt immer wieder fest, dass die Menschen sich zwar gesund, aber nicht richtig ernähren: zum Frühstück Obst, mittags einen Salat mit Essig und Öl, abends Stulle mit Brot. Oder so ähnlich. Und natürlich sind Rohkost-Gemüse und Obst auch gesund, sehr sogar. Einzig: „Sie enthalten meistens kein Eiweiß. Und das führt zu einem schlechten Stoffwechsel“, warnt der Sportwissenschaftler.

Vor allem Veganer hätten Probleme, auf ihr Eiweiß-Soll zu kommen. So sei es nicht ungewöhnlich, „dass Schlanke aufgrund des nicht optimalen Stoffwechsels innerlich dick sind, man nennt sie skinny fat“, so Ingo Froböse.

Das im Bauchraum eingelagerte Fett ist von außen nicht zu sehen, doch die gesundheitlichen Risiken und Folgeschäden können trotzdem eintreten, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Deshalb rät Froböse jedem, über den Tag verteilt ausreichend Proteine zu essen. Zum Beispiel so: „Zum Frühstück ein Müsli oder Porridge mit Quinoa und Kürbiskernen, gern auch mit Skyr verfeinert. Mittags eine Linsensuppe; die besteht zu 25 Prozent aus Eiweißen und sättigt länger als Kohlenhydrate wie Nudeln“, zählt der Fachmann auf.

Beim Abendessen sollten Sie Eier, Käse, Fleisch oder Fisch integrieren; die Eiweißquelle sollte gut ein Drittel des Tellers einnehmen, ein weiteres Drittel können kohlenhydrathaltige Lebensmittel sein (Brot, Reis, Kartoffeln, Pasta), und die Hälfte des Tellers sollte mit Gemüse bedeckt sein.

Tipp: „Edamame sind eine richtig gute Eiweißquelle“, so Froböse. Die japanischen Sojabohnen eignen sich hervorragend als Snack, schmecken mild-würzig. In asiatischen Restaurants gibt es sie häufig als Vorspeise, gegart in der Hülse und bestreut mit Salz.

Sie dürfen also auch trotz Diät genießen, auch wenn das mit einiger Umstellung verbunden ist. Und versuchen Sie, nicht zu viel auf einmal zu wollen. Sport ist gut und wichtig, machen Sie das gern weiter. Achten Sie zugleich aber darauf, ausreichend – und in erster Linie – das Richtige zu essen. Dann geht’s mit der Traumfigur auch vorwärts.