Eigentlich hat man mehr als genug zu tun im Job, doch dann bekommt man plötzlich noch eine Aufgabe zusätzlich zugewiesen. Und noch eine. Weil: Man ist ja so gut, quasi besser als alle anderen. „Fördern und fordern“ wird das gern genannt. Die Folge: „Ständige Überlastung und Zielkonflikte“, sagt Karriere-Coach und Buch-Autor Attila Albert. „Die Fehlzeiten wegen Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen steigen seit Jahren, bei der AOK um 56 Prozent seit 2010. Längst bilden sie die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen überhaupt. Mit 30 Tagen je Fall dauern sie auch mehr als doppelt so lang wie der Durchschnitt mit 14 Tagen.“
Gegen Arbeitsüberlastung helfe nur, klare Grenzen zu ziehen, Überstunden zu vermeiden und auch die Erreichbarkeit nach Dienstschluss einzuschränken, so der Experte. Ganz konkret kann das heißen: „Listen Sie alle Ihnen übertragenen Aufgaben auf, errechnen den realistischen Zeitbedarf und verhandeln dann mit dem Chef über Prioritäten und mehr Ressourcen.“ Noch sinnvoller wäre es jedoch, eine drohende Überlastung rechtzeitig zu erkennen und bereits im Vorfeld zu vermeiden – und zwar indem man „psychologische Tricks erkennt, mit denen Chefs heutzutage gern arbeiten“, rät Attila Albert.
Trick 1: Vorgegaukelte Gleichheit
Eines muss Ihnen zu jedem Zeitpunkt klar sein: „Sie und Ihr Chef haben gemeinsame, aber unterschiedliche Interessen“, sagt Attila Albert. „Beide wollen Sie, dass es dem Unternehmen gut geht, Gewinne erwirtschaftet werden. Wie der Weg dahin auszusehen hat, definieren Sie beide aber nicht in der gleichen Weise.“ Das gegenseitige Duzen kann schnell darüber hinwegtäuschen.
Um Sie nun aber dazu zu bekommen, mitzuziehen, auch wenn es nicht so ganz Ihren Interessen entspricht, setzen Chefs und Chefinnen gern Sätze ein wie: „Wir müssen da jetzt gemeinsam durch“ oder „Wir sitzen doch alle im gleichen Boot.“ So wird ein Teamgeist beschworen, der die Gleichheit aller in den Mittelpunkt stellt. Einzig: Das stimmt so nicht. „Achten Sie bei allem idealistischen Reden auf Ihre Interessen, etwa auf angemessene Bezahlung“, rät Attila Albert. „Ein gewinnorientiertes Unternehmen ist keine Solidargemeinschaft. Eigentümer, Führung und Belegschaft haben unterschiedliche Interessen. Sie dürfen Ihre vertreten.“
Trick 2: Berechtigtes Interesse in Egoismus umdeuten
Viele Firmen geben sich heutzutage nicht mehr damit zufrieden, ein normales Unternehmen mit Profitstreben zu sein. Meistens muss jetzt noch eine Mission her, ein sinnstiftendes Alleinstellungsmerkmal, etwas möglichst Weltbewegendes. Da sollen dann beispielsweise alle Angestellten zum Klimaschutz beitragen: Es müssen entsprechende Pläne geschrieben, Maßnahmen erdacht und die Umsetzung kontrolliert werden. Für den guten Zweck, heißt es. Und für Arbeitnehmende bedeutet das in aller Regel: mehr Arbeit. Aber natürlich nicht mehr Geld.
Die Krux bei der Sache ist, dass man sich einer guten Sache nur schwer erwehren kann, ohne gleich in die Ego-Ecke gedrängt zu werden. „Dabei haben Sie einen Arbeitsvertrag, in dem klar geregelt ist, wie lange Sie arbeiten und was Ihre Aufgaben sind. Alles, was nicht schriftlich zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber fixiert wurde, hat keine bindende Gültigkeit“, erklärt Attila Albert. „Deshalb sollten Sie unbeeindruckt für sich verhandeln. Es ist kein Egoismus, wenn Sie darauf bestehen, dass Ihre Rechte nicht umgangen werden, und es dient auch nicht dem Team, wenn Sie sich verausgaben.“
Trick 3: Verantwortung auf Sie abwälzen
„Hier erhalten Sie vom Chef die Verantwortung für etwas übertragen, aber ohne die dafür notwendigen Kompetenzen und Ressourcen wie etwa ausreichend viele Kollegen oder ein Budget“, weiß Attila Albert. „Junge Berufstätige merken oft erst, wenn sie schon fast gescheitert sind, dass sie eine unlösbare Aufgabe erhalten haben.“ Vielfach erleben auch Menschen das, die eine neue Stelle antreten. Man fühlt sich nicht in der Position, Nein zu sagen, weil man ja eben neu ist.
Der dahinterstehende Trick ist, Ihnen mit einer vermeintlichen Chance zu schmeicheln, die sich allerdings zu einer dauerhaften Bewährungsprobe auswächst. „An dieser Stelle muss man dann eine ehrliche Bestandsaufnahme machen: Welche Aufgaben habe ich? Welchen Zeitaufwand brauche ich jeweils? Wie ist meine vertragliche Arbeitszeit? Ist das wirklich schaffbar?“, empfiehlt der Coach. „Sollten Sie bei Ihrem Vorgesetzten auf taube Ohren stoßen, sollten Sie über einen internen Wechsel nachdenken oder sich wegbewerben.“
Trick 4: Nachteile in Vorteile umdeuten
Täglich frisches Obst, kostenlose Getränke, hervorragendes technisches Equipment. Bietet Ihr Arbeitgeber Ihnen solche Goodies an, sollten Sie vielleicht hellhörig werden. „Denn solche vermeintlich guten Gaben sollen oftmals über die Tatsache hinwegtäuschen, dass beispielsweise kein Tarifgehalt gezahlt wird oder Überstunden generell als abgegolten gelten“, warnt Attila Albert.
Bereits bei Stellenanzeigen gibt es solche Trick-Formulierungen, auf die Sie achten sollten. Ein „anspruchsvolles Arbeitsumfeld“ heißt viel Arbeit, „flache Hierarchien“ bedeuten meist ein unterbesetztes Team und „langfristige Perspektiven“ dürfen Sie mit einer langen, zumeist halbjährigen Probezeit gleichsetzen. „Wehren können Sie sich, indem Sie diese blumige Lyrik als solche behandeln und sich harte Fakten konzentrieren: Einkommen, Aufgaben, Arbeitsbedingungen, Urlaub, Extras“, so der Job-Experte.
Trick 5: Mit Unterstellungen einschüchtern
„Haben Sie etwa kein Interesse daran, dass das Unternehmen langfristig floriert?“ – „Haben Sie wirklich alles getan, um Ihre Aufgaben wie besprochen zu erledigen?“ Fragen dieser Art sollen Ihnen den Wind aus den Segeln nehmen. „Allerdings sollten Sie sich klarmachen, dass Ihr Urteil genau so viel zählt wie das eines jeden, und dass Ihr Vorgesetzter nicht automatisch recht hat, nur weil er Ihr Vorgesetzter ist“, sagt Attila Albert. „Selbst bei bekannter Faktenlage gibt es nicht nur einen gültigen Schluss, sondern verschiedene Blickrichtungen, Schlussfolgerungen und Lösungsansätze.“ Unterstellungen und Einschüchterungen sind ein beliebtes Mittel, um Einfluss zu nehmen und beispielsweise Widerworte zu unterbinden.
Deshalb gilt: Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Bleiben Sie aber gelassen. Versuchen Sie, klar und deutlich Ihre Position darzulegen. Sollten Sie keinen Kompromiss finden, wäre es unter Umständen ratsam, über einen Jobwechsel nachzudenken.
Trick 6: Emotional unter Druck setzen
„Ähnlich funktioniert der Trick, Sie mit Schuldgefühlen zu manipulieren. Sie bekommen dabei eine moralische Mitschuld an Problemen zugeschoben, obwohl Ihr praktischer Anteil daran verschwindend ist. Dennoch wird verlangt, dass Sie sich fügen“, erklärt der Karriere-Coach. „Gelegentlich hört man, dass man zur Hilfe immer verpflichtet wäre, und zwar ohne jedes Limit – abgeleitet oft aus einer konstruierten indirekten Mitschuld. Jeder Erwachsene ist aber zuerst für sich selbst verantwortlich. Das gilt für Einzelpersonen, Bevölkerungsgruppen oder Weltregionen. Hilfe im Notfall ist ein Zeichen gelebter Empathie, aber immer freiwillig. Der Welt helfen Sie bereits, wenn Sie Ihren Beruf gut erledigen, damit hilfreiche Produkte und Dienstleistungen schaffen, unternehmerische Einnahmen und Steuern erwirtschaften.“
Also: Achten Sie darauf, an welchen Stellen Relationen verwischt werden, um Sie emotional unter Druck zu setzen. Lassen Sie sich nicht von Unterstellungen manipulieren, sondern orientieren Sie sich an Ihrem eigenen emotionalen Kompass und besinnen Sie sich darauf, was Sie alles bereits leisten.
Trick 7: Auf Hierarchien verweisen
Mitunter, wenn es ihnen gut passt, führen Chefs auch gern wissenschaftliche Erkenntnisse an, um Aufgaben zu verteilen, das Team zu optimieren oder die Produktionsabläufe neu zu organisieren, zum Beispiel kommunikativere Großraumbüros, Selbst- und Fremdbewertungen für angeblich bessere Ergebnisse oder auch Shared Spaces, in denen niemand mehr einen eigenen Schreibtisch hat, sondern man sich einfach an einen freien Platz setzt.
„Man bezieht sich also auf eine höhere Autorität, gegen die man nicht ankommt“, resümiert Attila Albert. „Hier hilft es, wenn Sie Theorie und Praxis miteinander abgleichen. Was im Versuchsaufbau einer Universität oder Beratungsfirma vielleicht funktioniert hat, kann im Unternehmen komplett scheitern. Sprechen Sie das ruhig an. Versuchen Sie, für sich eine praktikable Lösung herauszuhandeln, indem Sie Ihre eigenen Erfahrungen darlegen und beweisen, dass Sie auf andere Weise produktiver sind.“






