Die Berliner SPD-Mitglieder haben für die Koalition mit der Berliner CDU gestimmt. 54,3 Prozent der Teilnehmer sprachen sich dafür aus, 45,7 Prozent votierten dagegen. Damit steht die Mehrheit für Kai Wegner (CDU) bei seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister am kommenden Donnerstag.
Die SPD-Basis hat sich mit dem Votum auf den Koalitionsvertrag mit der CDU geeinigt. Bis 23.59 Uhr konnten am Freitag noch Stimmumschläge im Kurt-Schumacher-Haus, dem Sitz des SPD-Landesverbands im Stadtteil Wedding, abgegeben werden.
An der Mitgliederbefragung haben sich nach Auskunft von SPD-Chefin Franziska Giffey knapp 11.886 der etwa 18.500 Sozialdemokraten Berlins beteiligt. Das sind fast zwei Drittel. Für ein Ja zu einer Koalition mit der CDU votierten 6171 Stimmberechtigte. Das ist ein Vorsprung von etwa 1000 Stimmen gegenüber den Nein-Sagern.
Franziska Giffey und auch ihr Co-Parteivorsitzender Raed Saleh sprachen von einem deutlichen Ergebnis. 1000 Stimmen - „das sind genau so viele, wie die SPD in meinem Heimatbezirk Spandau Mitglieder hat“, so Saleh.

Seit der SPD-Landesvorstand am Ende der Sondierungsgespräche die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU empfohlen hatte, gab es in der SPD erhebliche Diskussionen darüber. Mehrere SPD-Kreisverbände hatten sich gegen eine schwarz-rote Landesregierung ausgesprochen. Die Jusos hatten eine Kampagne gegen Schwarz-Rot organisiert und dazu aufgerufen, beim Votum mit Nein zu stimmen. Raed Saleh und Franziska Giffey, derzeit noch Regierende Bürgermeisterin, hatten sich für das Bündnis mit der CDU starkgemacht.
Knapp oder nicht; am Ende hat sogar Post aus Übersee auf ihre Art zum Ergebnis beigetragen. Während der Auszählung am Sonntagvormittag präsentierte SPD-Landesgeschäftsführer Sven Heinemann nicht ohne Stolz einen Brief aus Martinique: Auch im Ausland lebende Mitglieder konnten mit abstimmen.
Ob es an solchen Unwägbarkeiten lag, dass die Auszählung am Sonntag länger dauerte als geplant, bleibt offen. In jedem Fall wurde das Endergebnis erst kurz vor 18 Uhr verkündet. Da war die Nachricht längst in der Welt.
Anschließend sprach Franziska Giffey von einem „klaren Ergebnis“, über das sie „sehr erleichtert“ sei und von einer guten Entscheidung, ja von „einer politischen Richtungsentscheidung“, die weit über die nächsten dreieinhalb Jahre bis zur nächsten Wahl hinausgehe. „Es geht darum, wie wir uns für die nächsten zehn Jahre aufstellen werden“, sagte sie. Und es sei auch eine gute Entscheidung für die Stadt.
Auf Nachfrage erklärte Giffey, dass sie damit keineswegs ein langfristiges Votum für die Große Koalition abgebe. Vielmehr gehe es darum, dass es nun „keine unklare Situation“ gebe. Ein Nein hätte monatelangen Stillstand bedeutet, „das hätte geschadet“, so Giffey. Das Pro sei „eine Richtungsentscheidung für Regierungsverantwortung und gegen Opposition“. In diesem Zusammenhang sprach von einer klaren Entscheidung „dafür, dass die SPD wieder stärker wird. Wir wollen gestärkt in den Wahlkampf 2026 gehen“. Das reiche über den mit der CDU vereinbarten Koalitionsvertrag hinaus.

Anschließend war Raed Saleh voll des Lobes über „meine Berliner SPD“, wie er sagte. Man habe eine sehr gute und faire Debatte geführt, die lebendige Diskussionskultur mache ihn „wirklich stolz“. Er habe Verständnis für die vielen Skeptiker in der Partei, von der eine Menge zu seinen Freunden zählen. Gleichzeitig gehe er davon aus, dass auch diejenigen SPD-Abgeordneten, die offen gegen eine Große Koalition waren - und sind -, am Donnerstag im Parlament dennoch mitstimmen. In der SPD debattiere man hart in der Sache, am Ende aber stehe man gemeinsam zu Beschlüssen. Das müsse nun für eine Wahl des CDU-Manns Wegner gelten.
Für den Koalitionspartner in spe hat „die SPD für Vernunft und Verantwortung gestimmt“, wie CDU-Generalsekretär und -Chefverhandler Stefan Evers sagte. Beide Parteien hätten jetzt „gemeinsam die Chance, gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden und Berlin aus einer neuen politischen Kultur des Respekts und der Verantwortung heraus zu führen“.
Das sind hehre Worte und klingen so ganz anders, als das, was von so manchem Sozialdemokraten zu lesen und zu hören war. So meldeten sich mit Hakan Demir und Franziska Drohsel, so etwas wie die Sprecher der vielen Widerspenstigen, zu Wort. „Die Kampagne gegen die Große Koalition war erfolgreich“, sagte Demir, der 2021 von Neukölln aus in den Bundestag gewählt wurde. Ein großer Teil der Partei habe einen anderen Weg jenseits der CDU gehen wollen. Für Demir ist klar: „Die Partei ist gespalten. Sie muss zusammengeführt werden.“

Für Franziska Drohsel ist noch etwas anderes klar: „Die historisch schlechten Wahlergebnisse 2021 und 2023 müssen aufgearbeitet werden. Wir brauchen einen personellen und programmatischen Neuanfang“, sagte die die frühere Juso-Chefin und jetzige Vize des Kreisverbands Steglitz-Zehlendorf.
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