Kommentar

Queer-Beauftragter von Berlin: Er sollte aus der Community, nicht einer Partei kommen

Die Koalition aus CDU und SPD will für die queere Community einen eigenen Landesvertreter bestimmen. Doch die Wahl sollte transparent vollzogen werden. Ein Kommentar.

Die intersex-progressive Regenbogenfahne mit Aktivist und SPD-Mann Alfonso Pantisano.
Die intersex-progressive Regenbogenfahne mit Aktivist und SPD-Mann Alfonso Pantisano.Roshanak Amini für die Berliner Zeitung am Wochenende

Nun haben wir es schwarz auf weiß: Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD hat einen so umfangreichen queer-politischen Abschnitt, wie ihn eine mögliche Berliner Regierung schon lange nicht mehr gesehen hat. Die links-grüne Drohung, wonach unter einer CDU geführten Landesregierung die Regenbogen-Hauptstadt Berlin untergeht, tritt zumindest mit Blick auf das Papier nicht ein.

CDU und SPD haben liegengebliebene Baustellen aus der rot-grün-roten Regierung übernommen. Sie wollen eigene Projekte anstoßen und bestehende Probleme lösen. Im Koalitionspapier werden viele Fachthemen erwähnt, die man lang und breit diskutieren könnte. Und doch gibt es da einen Satz, der wohl die meiste Aufmerksamkeit erregt: So steht im Koalitionsvertrag auf Seite 20, dass die Koalition „eine:n Queer-Beauftragte:n der Landesregierung Berlin für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ schaffen will.

Die Tinte der Vereinbarung zwischen den beiden großen Volksparteien war noch nicht trocken, da kochte das erste Personal-Gerücht hoch. Ganz vorne auf der Personalliste für den Posten steht Alfonso Pantisano von der SPD: Ein Messe- und Event-Moderator, der sich seit einigen Jahren parteipolitisch engagiert.

Pantisano ist innerparteilich erfolgreich, sodass er fest im Sattel des berühmten SPD-Postenversorgungswerks sitzt. Nach der regulären Berliner Landtagswahl 2021 wurde Pantisano persönlicher Referent der Innensenatorin Iris Spranger, um diese in LGBTI-Angelegenheiten zu beraten. Dies ging nur ein Jahr gut, nachdem es im Verwaltungsapparat der Innensenatsverwaltung große Unzufriedenheit mit dieser Personalie gab. Seither ist er als persönlicher Referent bei der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken geparkt.

Als Landesvorsitzender der SPDqueer hat er es versemmelt, zum CSD Berlin 2022 einen SPD-Wagen auf die Straße zu bringen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten waren die Sozialdemokraten auf der größten Demo der Hauptstadt nicht wie gewohnt sichtbar. Die Parteiprominenz musste bei anderen Parteien mitfahren.

Da der Aktivist Pantisano regelmäßig mit einem lauten Auftreten auffällt und dabei auch SPD-Ikonen wie Gesine Schwan und Wolfgang Thierse in sein wortgewaltiges Kreuzfeuer geraten, hat er schon viel verbrannte Erde hinterlassen. Und somit hört man aus der SPD und SPDqueer, dass die Personalangelegenheit umstritten sei. Wenn man den SPD-Landesvorsitzenden Raed Saleh als Förderer hinter sich verbuchen kann, dann könne man sich mehr erlauben, so die Kritik in sozialdemokratischen Kreisen.

SPD-Mann Alfonso Pantisano
SPD-Mann Alfonso PantisanoAlfonso Patisano

Die CDU Berlin hält grundsätzlich die eigenen Leute für besser geeignet. Die Idee eines Berliner Queer-Beauftragten kam von den Christdemokraten. Nach ihren Vorstellungen sollte der Beauftragte beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt werden. Bei den Koalitionsverhandlungen hat sich insbesondere Pantisano dafür starkgemacht, dass der Posten an die Senatsinnenverwaltung angekoppelt wird. Dadurch hätte die SPD das Vorschlagsrecht für den Posten des Queer-Beauftragten der Landesregierung Berlin für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, so der offizielle Titel.

Viele Puzzlestücke, die diese Besetzung nun in die mediale Öffentlichkeit rückt. So berichtet am vergangenen Sonntag der Tagesspiegel, dass Pantisano es sein wird. Die bekannte lesbische Aktivistin und Journalistin Stephanie Kuhnen sieht diesen Bericht als „Falschmeldung“, da der Tagesspiegel davon ausgeht, dass der Posten an die Landesstelle für Gleichstellung – gegen Diskriminierung (LADS) angebunden sein soll. Nach Informationen der Berliner Zeitung kann die LADS dies nicht bestätigen und war von der Berichterstattung überrascht. Bei einer Ansiedlung des Beauftragten an die LADS wäre zu befürchten, dass es ein schwacher Posten wird, der einem zahnlosen Tiger gleicht. 

Was soll ein Queer-Beauftragter machen?

Es ist unklar, welche Möglichkeiten und Mittel diesem Beauftragten zugesprochen werden sollen: Der Koalitionsvertrag gibt keinen Einblick in eine Stellenbeschreibung. Viele queer-politische Projekte können auch von der LADS bearbeitet werden. Im Bund, wo es einen Queer-Beauftragten auf Ebene eines Parlamentarischen Staatssekretärs gibt, ist erkennbar, dass es eher ein Ankündigungsbeauftragter ist, weil die Richtlinienkompetenzen bei verschiedenen Bundesministern liegen. Eine Situation, die auch auf Landesebene zutreffen würde.

Es ist nicht ersichtlich, ob der Queer-Beauftragte ausschließlich die Landesregierung gegenüber der Community vertreten soll oder ein Vertreter der Community von Berlin sein soll.

Bei einer Ernennung als Landesbeauftragter reicht ein Senatsbeschluss. Möglich wäre auch ein „Berliner Beauftragter “ – dieser müsste von den Parlamentariern des Abgeordnetenhauses gewählt werden. Eine fachlich qualifizierte Ausschreibung des Postens könnte damit umgangen werden, was wiederum dazu führen könnte, dass der Queer-Beauftragte ein lukrativer Versorgungsposten für Parteifreunde wird.

Queer-Beauftragter: ein Vertreter aus der Mitte der Community

Die LGBTI-Community ist stark, wenn sie gemeinsam auf der CSD-Demo und beim lesbisch-schwulen Stadtfest zusammenkommt. Die diversen Interessen und Befindlichkeiten werden den Queer-Beauftragten mehr Kraft abverlangen als die Befindlichkeiten innerhalb der Koalition. Daher wäre ein offenes Bewerbungsverfahren die sinnvollere Art, um Berlins ersten Queer-Beauftragen zu finden. Queer-Aktivisten denken darüber nach, eine entsprechende Petition zu starten. Der Instagramer und TikTok-Influencer Fabian Grischkat hat sich mit einer eigenen Petition für den Posten des Queer-Beauftragten bereits initiativ beworben.

Die Diskussion um die Personalie zeigt, dass der neue Queer-Beauftragte des Landes Berlin auch aus der Mitte der queeren Community kommen sollte und nicht aus dem parteiinternen Postenversorgungswerk.

Es gibt sie, die geeigneten Persönlichkeiten, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für die Community engagieren und praktische Erfahrungen und Erfolge vorweisen können. CDU und SPD haben in der Regenbogen-Hauptstadt Berlin die Wahl!

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Transparenzhinweis zum Autor
Sebastian Ahlefeld ist seit fünfzehn Jahren in der Berliner LGBTI-Community aktiv. Sei es als Aktivist, Journalist oder in früheren queer-politischen Positionen im Ehrenamt. Dadurch ist er gut vernetzt und kennt Alfonso Pantisano persönlich.