Marine-Chef Kay-Achim Schönbach war Ende Januar zurückgetreten, nachdem seine Äußerungen zum damaligen Stadium des Ukraine-Konflikts bei einem Auftritt in Indien für einen Eklat gesorgt hatten. Nun ist er in den Ruhestand gegangen. Wir haben mit ihm gesprochen.
Herr Schönbach, Sie waren bis zu Ihrer Ablösung durch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am 22. Januar Inspekteur der Deutschen Marine. Aber Sie waren noch bis Ende Juni im Dienst?
Im Januar war ich zurückgetreten und wurde im Februar in den Einstweiligen Ruhestand versetzt. Die zeremonielle Verabschiedung aus der Bundeswehr hat am 23. Juni in Wilhelmshaven mit dem Großen Zapfenstreich stattgefunden.
Darf ich Ihnen gratulieren? War das ein kompletter Abschied von der Bundeswehr?
Wenn man raus ist, ist man raus. Ich komme aus einer Soldatenfamilie und habe 38 Jahre in den Streitkräften gedient. Das war mein Leben. Ich bin damit morgens aufgestanden und abends ins Bett gegangen. Nachts habe ich davon geträumt. Es ist sicherlich traurig. Aber ich muss die Dinge so akzeptieren. Ich bin lange genug dabei, dass ich weiß, dass so was passieren kann. Aber ich bin noch relativ jung.
Sie werden am 9. Juli 57 Jahre alt.
Das heißt, mein Leben ist nicht vorbei. Es gibt etwas Neues, und ich muss schauen, wie es weitergeht.
Haben Sie schon Pläne? Oder wollen Sie sich erst ausruhen?
Ich bin kein Typ zum Ausruhen. Aber ich freue mich, dass es schon einige Angebote für mich gibt. Ich fahre zurzeit ein bisschen durchs Land und stelle mich überall vor. Im Herbst werde ich mich entscheiden. Das andere Leben in der Wirtschaft oder Industrie ist auch pflichtbezogen. Aber bei mir geht es um die Frage: Geld oder Leben? Ich habe so wenig Zeit mit meiner Familie verbracht, habe sie auch vernachlässigt. Eine andere Idee ist es, ehrenamtlich zu arbeiten und dem Staat etwas zurückzugeben.
In welchem Zustand haben Sie die Marine verlassen? Es ist üblich, den Zustand des Systems als marode zu kritisieren, als würde das Funktionieren der Bundeswehr nur an Soldaten liegen.
Ich war ja nur zehn Monate lang Inspekteur der Marine. Man hat mir den Vorwurf gemacht, ich hätte auf den Zustand der Marine eingeschlagen. Das ist sicherlich falsch. Ich habe meine Arbeit immer mit Hingabe und Emotion geleistet, weil es eben mein Leben war. Aber die Marine wie die anderen Bereiche der Bundeswehr stehen vor großen Aufgaben.
Letztes Jahr wurden in den letzten Parlamentswochen vor der Sommerpause viele gute Entscheidungen getroffen, sodass wir hoffen können, dass sich der Zustand der Bundeswehr in den nächsten Jahren mit einem Zulauf von Systemen und Munition bessert. Wir sind da in einer zweifelsohne schwierigen Lage, aber wir sagen in der Marine: Nicht Schiffe kämpfen, sondern Menschen. Der mentale Zustand der Streitkräfte ist gut. Aber der muss immer gepflegt werden.
Ein Teil vom Sondervermögen Bundeswehr geht an die Marine. Gibt es da schon Versprechen, was für Technik ausgegeben wird und was für Menschen?
Diese 100 Milliarden Euro stehen erst mal auf dem Hof. Es geht im Wesentlichen um die U-Boote und andere Systeme, einschließlich der Digitalisierung. Ich hoffe, dass man bei der Verteilung dieser Gelder erkennt, wo die größten Probleme sind. Zweifelsohne wird der größte Batzen in Richtung der Landstreitkräfte gehen. Die Marine muss aber zugesicherte Finanzierungen für die Sachen bekommen, die schon längst versprochen wurden.
Und das Zweite ist: Streitkräfte bestehen im Wesentlichen erst mal aus Menschen, und die müssen gut ausgebildet und gut bezahlt werden. Man muss ihnen eine Chance geben, in den Streitkräften eine Heimat zu haben. Man sollte auch Soldaten zuhören. Die wissen am besten, was sie brauchen und wie das am besten organisiert wird.
Haben Sie den Eindruck, dass sich mit dem Ukraine-Krieg die Dienstbereitschaft der jungen Menschen erhöht hat? Das Verteidigungsministerium wirbt auch: „Willst Du die Luft beherrschen? Willst du das Meer beherrschen? Komm zu uns.“
Das ist auch meine Beobachtung. Ich finde es traurig, dass dies erst durch so einen schändlichen Krieg befeuert wird. Es ist auch eine andere Situation als Afghanistan. Das war weit weg. Die Ukraine ist direkt vor der Haustür. Das heißt nicht, dass alle jungen Menschen jetzt zur Bundeswehr kommen müssen und sich für ihr ganzes Leben verpflichten. Aber eine gewisse Zeit, um als Land entsprechende Wehrhaftigkeit und Resilienz zu erreichen, wäre eine gute Sache.
Wobei die Marine schon immer ein besonderer Fall war. Ich habe als Admiral in Flensburg an der Ostsee, als ich damals stationiert war, in einer Fernsehsendung zu einem Trailer gesagt: Seht mal, wie aktiv russische Truppen in der Ostsee wieder sind. Wir müssen da mehr machen. Man könnte eine Menge Leute überzeugen und damit für den Dienst in den Streitkräften begeistern.
Es geht Ihnen also mehr um Selbstverteidigung und Einfluss auf See statt um militärische Einsätze?
Es geht vorrangig um Verteidigung, denn unsere Streitkräfte werden zur Verteidigung unseres Landes und unserer Partner aufgestellt. Das ist der wichtigste Beitrag, den wir überhaupt leisten können. Aber die Bundeswehr kann eben viel mehr. Es geht auch um die Beteiligung an weltweiten Einsätzen. Darüber hinaus ist sie auch Arbeitgeber und kann helfen, wie dies in der Pandemie der Fall war.

Und die Politiker präsentieren es so, als würde die Bundeswehr für das Gleichgewicht sorgen zwischen den führenden Großmächten, den USA und China. Sie sehen in China auch einen Gegner?
Ich sehe in China eine große Herausforderung und einen Gegner, der ganz anders herüberkommt als Russland. Aber deswegen war ja unsere Beteiligung letztes Jahr, bis in dieses Frühjahr mit der Fregatte „Bayern“, in Ostasien so bedeutsam. Und die Reaktion unserer Partner auf dieses Engagement war sehr positiv. Ja, es geht um ein gewisses Gleichgewicht. Wir müssen an der Seite unserer Partner bereit sein, mehr zu leisten, denn wir sind eine große und starke Nation. Ich denke, wir sind, was Friedensarbeit und Dialog betrifft, vorbildlich. Aber um Frieden zu schaffen, muss man eben auch glaubhaft in der Lage sein, Streitkräfte effektiv einsetzen zu können.
Mit den Partnern meinen Sie Nato-Partner? Oder sind Sie vielleicht ein Anhänger der Idee der europäischen Armee, um etwas unabhängiger von den USA zu werden?
Als Marineoffizier sind wir immer eher Atlantiker, aber das schließt sich nicht aus. Wir haben eine wichtige Rolle in Europa zu spielen, wir sind mit Frankreich in einer Führungsrolle. Aber ich denke, wenn es um Marine geht, ist es natürlich vor allem erst mal die Nato-Partnerschaft. Und die Nato beschützt eben den Nordatlantik-Raum gegen jegliche mögliche Bedrohung. Und dazu gehört im Ernstfall auch China.
Sie sind im Januar zurückgetreten, weil Sie, wie Sie auf LinkedIn schrieben, die Konsequenzen aus den Ereignissen gezogen hätten. Es gab viel Kritik an Ihren Äußerungen auf einer Konferenz in Indien, als Sie unter anderem sagten: „Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen. Das ist Fakt.“ Bereuen Sie das Gesagte noch?
Leider macht sich kaum einer die Mühe, meine Aussagen im Kontext zu betrachten. Das war schon sehr verkürzt. Ich hatte damals die militärische Lage festgestellt, gemeint war aber Russland. Immerhin war das eine dreieinhalbstündige Veranstaltung, in der ich in der Folge gefragt wurde, wie ich die Lage sehe. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass Russland erwartungsgemäß auf dem Verhandlungswege die Krim nicht zurückgeben wird und diese somit weg ist. Nicht, weil ich das gut finde. Gott bewahre! Ich halte die Wegnahme der Krim für einen Völkerrechtsbruch und meinte es so auch. Aber man hat meine Worte in eine andere Richtung geschoben, damit muss ich leben.
Wie ist Ihre Einschätzung zur Krim heute? Entscheidungsträger in Deutschland und auch der große amerikanische Realpolitiker Henry Kissinger befürworten einen Status quo ante für die Ukraine vor 2014, also dass Kiew neben dem Donbass auch die Krim zurückerobern müsste. Hat die Ukraine dafür notwendige Ressourcen?
Ich habe damals in Indien gesagt, die Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa und in der Ukraine gilt nach wie vor. Auch das wurde mir anders unterstellt. Ich bin natürlich dafür, dass die Ukraine ihre Landmasse und ihre Souveränität eins zu eins zurückbekommt: den Donbass und die Krim. Ich denke, dass man mit der Unterstützung der westlichen Nationen Russland zum Halten kriegt.
Aber wäre die ukrainische Bevölkerung auf die lange Sicht bereit, an Leid zu ertragen, wie sie es ohnehin schon erträgt, um diese Gebiete zurückzuerobern? Das kann ich nicht beantworten. Ich denke, dass die Ukrainer jetzt vorbildlich kämpfen. Aber ob sie es wirklich schaffen, diese Gebiete zurückzuerobern, kann ich schlichtweg nicht sagen.
Es gilt auch aus der Sicht seiner Kenner, dass Putin eher alles im Blut versenken wird, als die Krim zurückzugeben. Eine Rückeroberung würde er den Menschen in Russland als einen Angriff auf russisches Territorium präsentieren.
Wird Russland das so zulassen? Nein, ich denke nicht. Wenn der Kriegsverlauf sich so ändern würde, dass es einen Vormarsch ukrainischer Truppen auf russischen Boden gibt, dann entstünde eine völlig andere Situation. Das war auch meine Aussage in Indien: Russland wird die Krim freiwillig nicht zurückgeben. Ich glaube, da wird auch niemand widersprechen. Das würde, wenn überhaupt, alles nur sehr blutig werden. Aber das müssen andere Menschen entscheiden, ob sie diesen Weg gehen wollen.
Aber im Moment geht es ja erst mal darum, Russland zu halten und die Ukraine so weit zu befreien, dass die ukrainische Bevölkerung in Sicherheit leben kann.
Sie werden auch zitiert mit dem Satz: „Die Krim wird nicht zurückkommen“. Muss man auch die Meinung der Menschen berücksichtigen, die auf der Krim leben?
Das ist ein anderer Zungenschlag. Meine Aussage war, Russland wird die Krim nicht zurückgeben, auch aus historischen Gründen. Die Krim ist aber ein Teil der Ukraine, und zwar unabhängig davon, ob man in Südrussland das historisch anders sieht?
Wenn Sie jetzt fragen, ob man eine Möglichkeit fände, die Bevölkerung auf der Krim zu befragen, ob sie in ihrer Zugehörigkeit bei Russland bleibt oder zur Ukraine zurückkehrt. Das müsste, sollte das tatsächlich in Betracht gezogen werden, unter der OSZE oder den Vereinten Nationen geschehen. Eine Befragung hatte es zwar gegeben, aber unter ganz anderen Drücken.
Sie meinen das von Russland organisierte Referendum, das international nicht anerkannt wurde?
Ja, diese Befragung war nicht justiziabel. Aber es wäre vielleicht eine Idee, dass man zu einem Waffenstillstand kommt und die Bevölkerung auf der Krim befragt. Das Problem ist aber, es sind von der Krim auch viele Menschen geflohen im Zuge der Besetzung. Ein mögliches Uno-Referendum wäre also nur eine Momentaufnahme mit den Menschen, die heute da leben.
Aber das könnte wenigstens ein noch größeres Blutvergießen verhindern?
Das Blutvergießen zu stoppen ist das Wichtigste, genauso wie das Leid der ukrainischen Bevölkerung zu stoppen. Es leiden ja auch Menschen in Russland: Mütter, Väter, Ehefrauen, die ihre Kinder und Männer im Krieg verlieren. Aber wenn man das Blutvergießen mit einer Befragung verhindern könnte, wie Herr Kissinger oder Herr Stoltenberg es mal angedeutet haben, dann wäre das vielleicht eine Option.

Sie haben in Indien im Januar auch angedeutet, dass es Putin bei dem Aufmarsch darum gehe, auf Augenhöhe respektiert zu werden. Verdient Putin aus der heutigen Perspektive noch Respekt?
So ungefähr habe ich es gesagt. Ich bin gefragt worden: Was glauben Sie, was Putin will? Und dann habe ich erzählt, dass ich mal in einem Gespräch mit meiner Ministerin, die mich Ähnliches fragte, antwortete: Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es ein respektvoller Umgang. Also habe ich in Indien gesagt: Vielleicht ist es Respekt, und wenn es das ist, dann wäre es sehr leicht zu haben.
Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck hatte mir mal gesagt: Egal, in welches Land wir fahren, ob es groß oder klein, ob in die USA oder ein kleines afrikanisches Land, wir begegnen jedem mit Respekt. Das hatte ich da verinnerlicht. Mehr wollte ich damit eigentlich nicht sagen.
Also gilt es, Putin noch zu respektieren?
Das Wort Respekt wird heute ausschließlich positiv konnotiert. Aber ja, wir müssen ihn immer noch respektieren als den Führer eines Staates. Aber natürlich verliert er seinen Respekt, wenn er einen Angriffskrieg führt. Heute würde ich das nicht mehr so sagen wie in Indien.
Aber würden Sie mit ihm auch sprechen? Das Auswärtige Amt hat kommuniziert, dass Außenministerin Annalena Baerbock auf dem G20-Gipfel in Bali offenbar nicht mit Sergej Lawrow sprechen wollte.
Das ist eine Entscheidung einer Politikerin. Am Ende des Tages müssen Sie aber, wenn Putin nicht abgelöst würde, mit denjenigen Frieden schließen, mit denen Sie im Krieg sind. Sie müssen die kriegführenden Parteien irgendwie an den Verhandlungstisch bekommen. Oder dazu zwingen. Ansonsten setzt man diesen Krieg unendlich fort. Ich hoffe, dass wir das nicht tun wollen.
Sie sympathisieren da auch mit Präsident Emmanuel Macron. Er telefoniert manchmal mit Putin und nimmt die Kritik in Kauf.
Macron hat in derselben Woche, als ich abgelöst wurde, nahezu das Gleiche gesagt, was ich in Indien zum Ausdruck bringen wollte. Und heute sage ich das als einfacher Bürger: Sie müssen sprechen, und Sie müssen am Ende versuchen, den anderen an den Verhandlungstisch zu bringen und Frieden zu schließen. Nun steht nur der Krieg im Vordergrund, aber die Diplomatie muss sich immer wieder Gehör verschaffen.
Es gibt auch Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz, auch seitens der Grünen, dass er diesen einen Satz nicht sagt: dass die Ukraine siegen muss. Sondern er sagt: Russland darf nicht gewinnen.
Ich freue mich darüber, als deutscher Bürger einen Bundeskanzler zu haben, der das mit etwas mehr Vorsicht, diplomatischem Geschick und ruhiger Hand angeht.
Ich kann auch die verstehen, die vom Krieg sprechen und meinen: man muss siegen, siegen, siegen. Der entscheidende Punkt: am Ende wird es nur Verlierer geben. Und am schlimmsten leiden die ukrainische Bevölkerung und das ukrainische Land. Der Krieg muss beendet werden. Es muss zum Frieden kommen. Und insofern bin ich zufrieden mit einem Bundeskanzler, der dort eher mal zurückhaltend und noch mal nachdenkt. Ich empfinde das als positiv.
Aber Sie würden schon zugeben, dass Sie im Januar den tatsächlichen Grad an Aggressionsbereitschaft der russischen Führung nicht realistisch eingeschätzt haben?
Sie sehen das, und das ist auch in Ordnung, ebenfalls verkürzt. Ich habe in Neu-Delhi nach einer Frage gesagt: Es ist Nonsens, zu glauben, dass Russland einen Krieg beginnen wird, um einen „tiny little trip“ der Ukraine zu besetzen. Und dieser „tiny little trip“ meinte nur die Kilometer, die ursprünglich fehlten, um die gesamte Donbass-Region zu erobern.
Es ging nicht um die Frage, ob die Russen überhaupt den Krieg führen wollten. Das war auch gar nicht Thema der Konferenz. Nach Grosny, Abchasien, Südossetien, Libyen, Syrien musste man sich nicht wundern, dass Russland auch Krieg zu einem Machtmittel macht.
Aber hat jemand wirklich gewusst, dass sie dann angreifen? Nein. Ich liebe Analysten, die uns immer erklären, warum etwas eindeutig vorauszusehen war, aber erst wenn es eingetreten ist.
Es tut mir leid, aber gerade amerikanische Geheimdienste hatten über einen großen Angriffsplan Putins berichtet. Putin habe diesen Plan, aber er habe noch keine Entscheidung getroffen, hieß es bis zum Angriff.
Gut, aber die Frage, die mir in Indien gestellt wurde, bezog sich auf den Donbass und nicht auf diesen großen Krieg. Ich muss auch sagen, ich habe recht behalten, worüber ich mich nicht freue. Putin wollte nicht nur diesen kleinen Teil im Donbass, sondern die gesamte Ukraine.
Indien gehört zu 35 Staaten, die sich gegenüber dem russischen Angriffskrieg neutral verhalten. Haben Sie eine Erklärung, warum?
Man ist in Indien deswegen sehr zurückhaltend, weil man von russischen Ressourcen sehr abhängig ist. Es gibt eine historische, seit dem Zweiten Weltkrieg starke Verbindung zum russischen Nachbarn. Es geht den Indern wohl darum, keinen weiteren Konfliktherd aufzumachen. Es sind auch andere ökonomische Gründe, warum man da wohl auch bewusst nicht die Position des Westens einnimmt und sich den Sanktionen anschließt.
Und zu den ökonomischen Gründen gehört natürlich auch, dass Indien russisches Öl mit Rabatten kauft und dann raffiniert teuer nach Europa verkauft.
Ja, genau.
Was die historische Verbindung Deutschlands zu Russland angeht: Was halten Sie von dem Vorwurf, dass die SPD ein Russland-Problem habe?
Deutschland war und ist eine Brückennation. Wir haben immer gute Verbindungen zum Westen und zum Osten auch während des Kalten Krieges gehalten. Und die Außenpolitik von Willy Brandt, auch wenn das nicht alle teilen, hat dazu beigetragen. Ich kenne zwar diesen Vorwurf gegen die SPD, aber ich halte mich da raus. Das ist ein Thema der Sozialdemokratie. Für mich als Inspekteur der Marine galt, die Politik bestmöglich zu beraten. Das Thema gehörte nicht dazu.
Zurück zum Schwarzen Meer: Wie sehen Sie das mit der Schlangeninsel? Russland hat sich von der Insel zurückgezogen und es als eine Geste des guten Willens bezeichnet, dass man den Export von Getreide nicht mehr behindere. Die Ukraine feiert das als einen strategischen Erfolg.
Ich denke, dass Russland dort einen politischen Schachzug gemacht hat, um dann eben diejenigen Staaten, die von den Getreidelieferungen abhängig sind, positiv zu stimmen. Ob das ein militärischer Erfolg der Ukraine war, kann ich nicht sagen. Da fehlt mir der Hintergrund. Sagen wir, es ist eine Episode dieses Krieges.
Das heißt, Sie hatten keinen Zugang zu vertraulichen und nachrichtendienstlichen Informationen?
Als Inspekteur der Marine schon, aber ich bin schon seit fünf Monaten nicht mehr so drin, um jetzt eine wirklich fundierte Aussage zu machen.
Sie schrieben im März ebenfalls auf LinkedIn, dass Sie persönlich hoffen, dass es der Ukraine gelingt, auch mit deutscher Hilfe sich Russlands zu erwehren und bald wieder die Kontrolle über die Staatsgebiete zu gewinnen. Jetzt sind es schon über vier Monate Krieg. Muss man da ab einem bestimmten Zeitpunkt Zugeständnisse machen?
Das ist auch eine Lehre aus der Geschichte. Es gibt sicherlich Konflikte und Kriege, die ausschließlich militärisch gelöst wurden. Aber diese Zeiten sind heute nahezu vorbei. Es geht jetzt darum, mit westlicher Hilfe die Ukraine so zu ertüchtigen und zu stärken, dass sie sich erwehrt und den Aggressor an den Verhandlungstisch bekommt. Und dann muss man über den Frieden und über die Modalitäten verhandeln.
Ein Punkt geht in beide Richtungen und hat nicht unbedingt mit Russland zu tun. Man darf den anderen nicht demütigen. Der Krieg ist unrechtmäßig, völkerrechtswidrig. Da gibt es keine zwei Meinungen. Punkt. Wenn man aber später an den Verhandlungstisch geht, muss man alle Seiten hören, um zum Frieden zu kommen. Und hier muss die Diplomatie siegen.
Vielen Dank für das Gespräch.






