Die Zahlen des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sind hoch, und sie sind brisant. 32.000 Menschen werden vom LAF in Berlin derzeit untergebracht, nur etwa 500 Plätze sind noch frei. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres sind 15.000 Menschen in Berlin gelandet. 8500 von ihnen haben sich hier vor dem Krieg in der Ukraine in Sicherheit gebracht, die anderen sind Asylbewerber.
In der Debatte darüber, wo diese Menschen untergebracht werden können, macht die neue schwarz-rote Koalition jetzt auch vor einem heiß umstrittenen Ort nicht halt: dem Tempelhofer Feld. Ärger ist programmiert.
#Berlin leidet unter Fehlern der Ampel-Regierung und der versäumten Vorbereitung der linken Vorgängersenatorin. Die Realitätsverweigerung der #Ampel in Sachen #Flüchtlinge muss schnellstmöglich ein Ende finden. Die Unterkünfte sind nahezu ausgelastet.
— Dirk Stettner (@DirkStettner) July 31, 2023
Wir brauchen keinen…
Der Aufschlag kommt erneut von Dirk Stettner, dem Berliner CDU-Fraktionsvorsitzenden. Angesichts der Flüchtlingszahlen fordert er schnelles Handeln. „Wir wissen, dass die aktuellen Unterkünfte zu 98,5 Prozent ausgelastet sind“, sagte er und fügte hinzu: „Wir brauchen Großunterkünfte, die schleunigst hergerichtet werden.“
Die zuständige Senatsintegrationsverwaltung geht auf Basis von Prognosen davon aus, dass bis Jahresende weitere 10.000 bis 12.000 Geflüchtete nach Berlin kommen. Zu deren Unterbringung könnten auch zeltähnliche Hallen als Provisorien herangezogen werden. Dies sei eine „Notvariante, die wir als zeitlich begrenzte Lösung sehen“, lässt Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) mitteilen.
Wie so etwas aussieht, lässt sich in Tegel besichtigen. Auf der Fläche des ehemaligen Flughafens leben im Rahmen des Ankunftszentrums etwa 2500 Menschen in Leichtbauhallen. Nur wo sollten weitere dieser Hallen entstehen? Dirk Stettners Antwort: „Wir haben Flächen dafür. Wir könnten Tempelhof erweitern.“ Dort gebe es durch die bereits existierenden Unterkünfte in den Hangars und in einem Containerdorf auch die benötigte soziale Infrastruktur.
Die CDU will noch mehr Flüchtlinge in Tempelhof
Ausgerechnet Tempelhof, das weite Feld, das Wiesenmeer mitten in der Stadt, Freiraum und Abenteuerspielplatz im ehemaligen Westteil der Stadt! Dieser Ort ist umstritten wie nur wenige andere in Berlin.
Natürlich weiß auch CDU-Mann Stettner darum. Also fordert er, „ideologischen Ballast“ abzuwerfen. „In der Krise können wir darauf leider keine Rücksicht nehmen.“
Für die Opposition sind die CDU-Pläne „dummer Populismus“
Die Reaktion auf Stettners Vorstoß kommt prompt. „Das ist dummer Populismus“, sagt Katina Schubert von der Linken und verweist auf das per Volksabstimmung zustande gekommene Tempelhof-Gesetz, das das Feld sozusagen unantastbar macht. Ohnehin seien Zelte „eine absolute Notlösung, auf keinen Fall aber ein Weg aus dem Engpass“, erklärte Schubert im Gespräch mit der Berliner Zeitung.
Auch aus der zuständigen Integrationsverwaltung kommt Gegenrede. Natürlich gebe es bereits Unterkünfte in Tempelhof. Dennoch werde man das Flugfeld oder die ehemaligen Terminals nicht zu einer weiteren großen Notunterkunft ausweiten, heißt es auf Nachfrage der Berliner Zeitung. Das widerspreche auch „völlig unserer Idee von Integration: Wir wollen dezentrale Unterbringung im ganzen Stadtgebiet, damit wir die Menschen gut versorgen und integrieren können“, gibt die Pressestelle der derzeit urlaubenden Senatorin Kiziltepe wieder.
Vor wenigen Tagen, als sie noch im Dienst war, hatte die SPD-Politikerin es so formuliert: „Mein Ziel ist es, dass Flüchtlingsunterbringung in das stadtplanerische Gesamtkonzept integriert wird. Ich will, dass bei großen Bauprojekten immer ein Anteil an Wohnungen für Geflüchtete eingeplant wird.“
Nur das schaffe echte und schnelle Integration in unsere Gesellschaft und vermeide Verteilungskämpfe auf dem Wohnungsmarkt, so Kiziltepe. Bis Ende des Jahres würden vier weitere modulare Unterkünfte mit mehr als 1500 Plätzen fertig.
Und eines sei ganz klar, so Kiziltepe: „Wir müssen und wir wollen die Menschen, die vor Krieg und Zerstörung geflohen sind, aus den Leichtbauhallen am Flughafen Tegel holen. Dafür kämpfen wir jeden Tag.“ Dabei scanne ihre Verwaltung die Stadt täglich nach geeigneten Objekten zur Unterbringung ab, man erwäge jede Möglichkeit.
Diese Arbeit schätze er ungemein, sagte der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft der Berliner Zeitung. Dennoch halte er die CDU-Idee von Tempelhof keineswegs für abwegig, sagte der Sozialpolitiker. Im Gegenteil: „Wir müssen weitere Standorte für Zeltstädte identifizieren, und dabei ist mir das Tempelhof-Gesetz herzlich egal. Es gibt kein Tabu.“ Das betonierte Vorfeld vor den Hangars – und nur dieses käme als möglicher Standort für weitere Unterkünfte infrage – „ist eine Freifläche. Nicht mehr und nicht weniger“, sagtw der Politiker aus Treptow-Köpenick.
Dazu muss man wissen: Treptow-Köpenick sowie die Nachbarbezirke Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Pankow tragen zusammen fast die Hälfte der Last zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Allein im Wahlkreis Adlershof/Altglienicke im tiefen Südosten gebe es fünf solcher Unterkünfte, berichtete der Politiker.
Übrigens: #thfbleibt! Für immer!#TempelhoferFeld #Randhalten pic.twitter.com/EUbcnNDhBq
— THF-Berliner (@berlinfluencer) July 29, 2023



