Berlin bleibt Sehnsuchtsziel von Flüchtlingen und Asylbewerbern aus aller Welt. Das spiegelt sich unmittelbar in der Zahl der Menschen wider, die Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag in der Stadt ankommen. Und ein größerer Teil von ihnen bleibt. Und das in einer Stadt, die gefühlt aus allen Nähten platzt, in der der Wohnungsneubau nicht vorankommt und gleichzeitig der Freiraum immer knapper wird. Doch es gibt auch Ausnahmen in der Tristesse. In Spandau entsteht eine neue Flüchtlingsunterkunft für mehr als 500 Menschen. Der Clou: Die Anlage soll später in den regulären Wohnungsmarkt übergehen.
Die Zahlen des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sind deutlich: Seit Anfang des Jahres bis Ende Juni seien 6531 Asylbewerber in Berlin angelandet. Nach Angaben von LAF-Sprecher Sascha Langenbach sind dies fast 1700 oder 34 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Und es werden täglich mehr. Von den rund 90 Menschen, die täglich in Berlin um Asyl nachsuchen, bleiben nach Langenbachs Angaben 60 in der Stadt.
Zusammen mit @pliesener habe ich die Unterkünfte für Geflüchtete am Flughafen Tempelhof angeschaut. In den Hangars gibt es gut 800 Plätze, draußen ca 1000. Die Kapazitäten sind ausgeschöpft, die Mitarbeiter sehr engagiert. @AWOBerlin #InternationalerBund pic.twitter.com/XtLmtg05os
— Katharina Senge MdA (@Kat_Se) July 26, 2023
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine flüchten. Nach LAF-Angaben bleiben 50 von 70 täglichen Neuankömmlingen in der Stadt. In den ersten sechs Monaten blieben demnach rund 8500 ukrainische Flüchtlinge in Berlin.
Allerdings fehlen in Berlin bekanntlich Wohnungen. Das liegt auch daran, dass sich private Unternehmen fast vollständig aus dem Wohnungsneubau verabschiedet haben. Derzeit lohnt es sich mehr, bereits existierende Wohnungen zu kaufen, sie dann teuer weiterzuvermieten oder am besten zu verkaufen.
Eine der Folgen dieser privaten Neubauverweigerung: Weil Wohnraum knapp ist, bleibt wenig Platz für Flüchtlinge und Asylbewerber. Das führt dazu, dass aktuell Tausende Menschen in den früheren Flughäfen Tempelhof und Tegel in den Hangars, in Zelten oder in Containern leben.
Seit Jahren monieren Berlins wechselnde Sozial- und Integrationssenatorinnen die prekären Wohnverhältnisse an diesen nicht zum Wohnen gedachten Orten. Auch die aktuelle Amtsinhaberin Cansel Kiziltepe hat sich dem Urteil ihrer Vorgängerinnen angeschlossen.
Zusammen mit @pliesener habe ich die Unterkünfte für Geflüchtete am Flughafen Tempelhof angeschaut. In den Hangars gibt es gut 800 Plätze, draußen ca 1000. Die Kapazitäten sind ausgeschöpft, die Mitarbeiter sehr engagiert. @AWOBerlin #InternationalerBund pic.twitter.com/XtLmtg05os
— Katharina Senge MdA (@Kat_Se) July 26, 2023
Bei der Sorge um menschenwürdige Unterkünfte weiß die SPD-Senatorin den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an ihrer Seite. Auch er hält die Bedingungen nach eigener Aussage für unzumutbar. Zusammen mit Kiziltepe hat Wegner eine Taskforce eingerichtet, die Neubaupotenziale ausfindig machen soll. Ob dazu auch das weite Tempelhofer Feld gehören soll, auf dem sich der CDU-Fraktionschef Dirk Stettner bereits eine große Zeltstadt vorstellt, ist deshalb höchst unwahrscheinlich.
So oder so: Die Einzigen, die in Berlin überhaupt noch in nennenswertem Umfang neu bauen, also tatsächlich neuen, dringend benötigten Wohnraum schaffen, sind vor allem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Eine davon, die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), baut derzeit eine Flüchtlingsunterkunft in Spandau.
Auf einem Grundstück am Rande der teils brachliegenden früheren Alexander Barracks im Norden des Bezirks am westlichen Berliner Stadtrand entsteht ein Neubau in modularer Bauweise (MUF), eine Art Plattenbau also. Wenn er im Mai nächsten Jahres fertig ist, soll der rund 39 Millionen Euro teure Bau 128 Wohnungen bereitstellen, aufgeteilt in Einheiten von ein bis fünf Zimmern, 35 bis 100 Quadratmeter groß. Zunächst sollen knapp 570 Flüchtlinge unterkommen. Sobald die Bindung ausläuft – das LAF hat eine Option auf bis zu elf Jahre –, soll das Projekt dem regulären Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Rund 300 Menschen könnten dann einmal dort wohnen.


