Pläne des Senats

Berlin will früheren Flughafen Tegel länger für Flüchtlinge nutzen

Eigentlich sollte das Terminal C in Tegel nur bis Ende des Jahres zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen. Doch jetzt entsteht dort langfristig ein Zentrum. 

Weiße Wände im Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel  
Weiße Wände im Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel Carsten Koall/dpa

Der Berliner Senat will auf dem früheren Flughafen Tegel länger Flüchtlinge unterbringen als bisher geplant. Klar sei, dass Tegel für diese Aufgabe weiter gebraucht werde und am Netz bleiben müsse, sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Dienstag nach der ersten Sitzung der von ihm eingesetzten Taskforce des Senats zur Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Bisher war geplant, das Ukraine-Ankunftszentrum im früheren Terminal C und in den Leichtbauhallen davor bis Ende 2023 zu nutzen. 

In Tegel ist derzeit Platz für 4500 Flüchtlinge. Rund 2800 Plätze sind nach Angaben von Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) belegt. Nunmehr soll das 2024 fortgesetzt werden.

Das Problem ist jedoch, dass die Flughafengebäude für mehr als nur eine kurze Unterbringung von Menschen nicht geeignet sind. Wegner sprach am Dienstag von einer „nicht akzeptablen Situation“ für die Geflüchteten, Senatorin Kiziltepe sogar von „nicht menschenwürdigen Bedingungen“. Nach Wegners Worten könne Tegel „auf gar keinen Fall eine Dauerlösung“ sein.

Mangels Alternativen soll es aber nun dennoch weitergehen. Nur halt ganz anders. Ein zeitliches Ende ist offen.

Insbesondere der Alltag der Kinder – aktuell sind in Tegel rund 1500 Schulpflichtige untergebracht – soll verbessert werden. Geplant seien Bildungs- und Freizeitangebote. In Wegners Worten klingt das so: „Die Kinder sollen nicht den ganzen Tag auf eine weiße Wand starren.“ Infrage komme etwa die Einrichtung von Willkommensklassen.

Flüchtlingsunterbringung: Senat will im alten Flughafen Tegel Willkommensklassen einrichten

Dass viele Fachpolitiker dies für allenfalls die zweitbeste Lösung gegenüber der Integration in bestehende Schulen halten, wisse auch er, sagte Wegner. Solche Plätze seien jedoch rar. „Wir müssen weg von dem Wunschdenken“, sagte er.

Das meint der Regierende Bürgermeister, wenn er von einem „regelmäßigen Realitätscheck“ spricht. Diesen wolle man in der Taskforce mit einem großen Kreis vornehmen. Die Spitzen von sechs Senatsverwaltungen plus der Senatskanzlei sollen sich regelmäßig treffen. Baupotenziale für weitere Unterkünfte sollen identifiziert, aber auch soziale Infrastruktur soll geplant werden.

Diese Treffen haben nach Wegners Worten aber mindestens einen weiteren Grund: Niemand soll sich wegducken können. Hintergrund sind Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise 2015/16, als täglich Tausende Unterkunft suchten – und die Stadt darauf nicht vorbereitet war. Chaotische Bilder gingen um die Welt. Das Kürzel des Landesamts für Gesundheit und Soziales, Lageso, wurde zum Synonym für ein vermeintliches Versagen Berlins. 

Kai Wegner: Die Flüchtlingsunterbringung ist Sache des gesamten Senats

In der Kritik stand damals Sozialsenator Mario Czaja von der CDU. Zur Wahrheit gehört aber, dass ihn seine damaligen Senatskollegen und insbesondere der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sträflich im Stich ließen.

CDU-Mann Wegner hat aus dieser Situation vor allem eines gelernt: „Wir wollen keinen Senator, keine Senatorin damit alleine lassen. Wenn, dann kriegen wir es alle hin – oder eben nicht.“ Senatorin Kiziltepe nahm die Worte, man spürte es, mit Wohlwollen zur Kenntnis. „Das Thema wurde zur Chef:innensache gemacht.“ Wohl selten hat Kiziltepe den Gender-Doppelpunkt so betont wie diesmal.

Doch was mag das nützen, wenn die Zahlen so brisant sind? So betreibt das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) derzeit 107 Unterkünfte in der ganzen Stadt – belegt von Menschen aus aller Welt. Dort stehen insgesamt 32.105 Plätze zur Verfügung. Das ist ebenso ein Allzeithoch wie die Belegung (31.617 Plätze) von 98,5 Prozent. Das heißt: Es darf nichts, aber auch gar nichts passieren.

Für die Akquise neuer Kapazitäten wird die Mitarbeit der Bezirke gebraucht. Bisher ist die Verteilung aber äußerst ungerecht. So bietet allein Marzahn-Hellersdorf aktuell 4194 Geflüchteten Unterkunft. Das sind etwa 13 Prozent, vor allem Bezirke im Zentrum und im Westteil der Stadt haben deutliche geringere Anteile. Um nun auch diese Bezirke zum Mitmachen zu animieren, sollen laut Kiziltepe Anreize gesetzt werden, auch finanzielle. So solle es Geld aus Brüssel geben. Damit könnte zum Beispiel auch ergänzende soziale Infrastruktur entstehen.