Essay

USA, Russland, Israel: All diese Staaten wissen, wie man das Völkerrecht gekonnt austrickst

Einen Angriffskrieg als Selbstverteidigung zu deklarieren und damit das Völkerrecht bis zur Unkenntlichkeit zu dehnen, hat Tradition. Ein paar unbequeme Beispiele.

Wird Donald Trump in den Israel-Iran-Krieg einsteigen? So ein Schritt wäre vom Völkerrecht nicht gedeckt.
Wird Donald Trump in den Israel-Iran-Krieg einsteigen? So ein Schritt wäre vom Völkerrecht nicht gedeckt.Evan Vucci/AP/dpa

Man konnte es kommen sehen. Nach dem großflächigen Angriff der israelischen Armee auf den Gaza-Streifen im Oktober 2023 würde sich unweigerlich und ziemlich schnell ein Graben auftun zwischen dem Bekenntnis der damaligen Bundesregierung zum Völkerrecht und ihrem Bekenntnis zu Israel. Der Graben wurde schnell zugedeckt durch sehr weitgehende, aber weder völkerrechtlich noch faktisch gedeckte Behauptungen, praktisch alles, was Israel nach dem Überfall und Massenmord der Hamas am 7. Oktober 2023 tat, sei durch das Recht auf Selbstverteidigung gedeckt. Die Behauptung unterstellt, dass die Angriffe der Hamas für Israel eine existentielle Bedrohung darstellten, womit rhetorisch alles, was zur restlosen Beseitigung dieser Bedrohung unternommen wurde, automatisch als gerechtfertigt erscheinen sollte.

Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Bundesrepublik, Israels, des Iran und der USA zum Völkerrecht. Die Hamas hat damit nichts zu tun, sie ist kein Staat, sondern völkerrechtlich betrachtet allenfalls eine Miliz, eine Terrorbande oder, wie ich früher einmal geschrieben habe, eine religiös motivierte Räuberbande. Die Frage, ob sie Völkerrecht verletzt, ist juristisch genauso irrelevant wie die Frage, ob die RAF oder der NSU gegen das Völkerrecht verstoßen haben. Aber selbst die schlimmsten Bezeichnungen, die man der Hamas entgegenschleudert, ändern weder etwas an den Rechten, die die Palästinenser als Gruppe und als Zivilisten haben, noch an den Pflichten, die Israel obliegen. Wem das zu abstrakt ist, der möge sich erinnern, dass die spanische Regierung auch nicht die baskische Zivilbevölkerung ausgehungert hat, um der ETA habhaft zu werden, die ebenfalls Geiseln entführte. Aber jetzt zurück zu Baerbock, Wadephul, Merz – und Israel.

Berliner Zeitung

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