Gastbeitrag

Ob Netanjahu oder Putin: Warum Sanktionen und Boykottaufrufe nichts oder wenig bringen

Deutschland glaubt, mit harten Sanktionen das Schicksal der Welt ändern zu können. Das ist Selbstbetrug. Sanktionen helfen oft nur dem Gefühl, moralisch überlegen zu sein. Ein Gastbeitrag.

Wladimir Putin
Wladimir PutinVYACHESLAV PROKOFYEV / POOL / AFP

Jetzt also auch Israel. Im Moment hat die Europäische Union insgesamt 30 Länder mit Sanktionen belegt, die von Reisebeschränkungen für Einzelpersonen über Handelsbeschränkungen bis zu Waffenembargos, über Verbote von Finanztransaktionen bis zum Einfrieren von Vermögenswerten reichen. In vielen Fällen betreffen diese Sanktionen Länder, über die die Vereinten Nationen ein Embargo verhängt haben, das die EU und ihre Mitgliedsländer einfach umsetzen, manchmal mit zusätzlichen Restriktionen. Damit nicht genug: Zusätzlich dazu haben einzelne Länder noch unilaterale Sanktionen gegen andere Länder verhängt, zum Beispiel Belgien und Spanien gegen israelische Politiker und die USA gegen Cuba.

Und jetzt will die EU also auch Israel sanktionieren. Das jedenfalls hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen: ein Aussetzen des Assoziierungsabkommens mit Israel, Reisebeschränkungen für die zwei rabiatesten Kabinettsmitglieder und für gewalttätige Siedler und – von Trump lernen heißt Strafzölle lernen – höhere Zölle für EU-Importe aus Israel. Für das Aussetzen von Teilen des Assoziierungsabkommens braucht die Kommission nur eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten (15 Länder, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung abbilden), für die Sanktionen gegen israelische Minister und Siedler braucht sie Einstimmigkeit – und die kriegt sie wohl nicht. Die qualifizierte Mehrheit dagegen könnte zustande kommen, auch gegen den Willen der Bundesregierung, denn die bräuchte, um eine Entscheidung zu verhindern, eine Sperrminorität von mindestens vier Ländern, die zusammen über 35 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Berliner Zeitung

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