Geopolitik

Comeback von Nord Stream 2: Total-Energies-Chef „wäre nicht überrascht“

Trotz Ukrainekrieg: Der CEO des französischen Ölkonzerns rechnet mit der Rückkehr russischen Gases durch Nord Stream. Bahnt sich ein politisches Erdbeben an?

Der Vorstandsvorsitzende der Total-Unternehmensgruppe, Patrick Pouyanné, ist derzeit auf einer Wirtschaftskonferenz in Berlin.
Der Vorstandsvorsitzende der Total-Unternehmensgruppe, Patrick Pouyanné, ist derzeit auf einer Wirtschaftskonferenz in Berlin.IP3press/imago

Die Zukunft der Nord-Stream-Pipelines ist wieder in aller Munde. Patrick Pouyanné, CEO des französischen Energieriesen Total Energies, äußerte auf einer Industriekonferenz in Berlin eine provokante Prognose: „Ich wäre nicht überrascht, wenn zwei der vier Röhren wieder in Betrieb genommen würden – aber nicht alle vier.“ Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet darüber.

Pouyanné sagt, dass Europa trotz aller Diversifizierungsbemühungen weiterhin russisches Gas benötige, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Es ist unmöglich, mit russischem Gas zu konkurrieren, wenn man LNG aus anderen Regionen importiert“, sagte er und verwies auf die wirtschaftlichen Herausforderungen für Industrienationen wie Deutschland. „Die Frage ist: Können wir wirklich auf billiges russisches Gas verzichten? Ich glaube, Zentraleuropa wird das nicht schaffen.“

Amerikaner und Russen verhandeln über Nord Stream

Die Äußerungen kommen zu einem brisanten Zeitpunkt: Hinter den Kulissen wird bereits über eine mögliche Wiederbelebung der Nord-Stream-Projekte spekuliert – besonders vor dem Hintergrund möglicher Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge erwägen die USA, die Kontrolle über die Nord-Stream-2-Leitung zu übernehmen, um russisches Gas nach Deutschland zu liefern. Sollte Pouyannés Prognose wahr werden, könnte dies eine dramatische Wende in der europäischen Energiepolitik bedeuten. Der Franzose mahnt zudem, Europa dürfe „nicht einfach in die nächste Abhängigkeit von den USA stolpern“. Die Diskussion bleibt jedenfalls hochpolitisch.

Die Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 wurden im September 2022 durch einen Sabotageakt schwer beschädigt. Nur eine Leitung von Nord Stream 2 blieb intakt – sie wurde jedoch nicht mehr genutzt.

In den vergangenen Wochen verstärkte sich die Debatte um Nord Stream. Hintergrund sind Berichte, wonach eine Inbetriebnahme der Leitung einer amerikanisch-russischen Vereinbarung zur Beilegung des Ukrainekriegs werden könnte. Mehrere US-Investoren zeigten Interesse an einer Inbetriebnahme des intakten Strangs. Die Pipeline soll auch Thema bei den amerikanisch-russischen Verhandlungen in Saudi-Arabien gewesen sein. Moskaus Außenminister Sergej Lawrow bestätigte, dass mit Washington über Nord Stream gesprochen wurde.